Tasiya & Sammy Lukas mit Folk, Elektronik und Romantik

Kein geringer als Bassist Manfred Bründl, in dessen Band Silentbass Nastja Volokitina mitsingt, hat das erste Album des Duos Tasiya und Sammy Lukas (p) mitproduziert. Aufgenommen haben sie es im polnischen RecPublika Studio. Volokitina, die sich mit Künstlerinnennamen Tasiya nennt, ist in Odessa aufgewachsen, hat am Vladimir Music College studiert und ist später an Musikhochschule Franz Liszt in Weimar gewechselt, um bei Michael Schiefel, Leonid Chizhik und Jeff Cascaro ihr Studium zu vollenden. 2013 gewann sie in Montreux den prestigeträchtigen Wettbewerb für Jazz Voice und 2017 weitere Wettbewerbe in Riga und Polen. Der Titel ist bei diesem Debüt Programm. Aufgeteilt in zwei suitenähnliche Blöcke, die durch einzelne Nummern verbunden sind, beruhen einige der Songs/Kompositionen  auf ukrainischen und russischen Volksliedern, die von Tasiya bearbeitet und neu arrangiert worden sind. Diese Verbindung folkloristischer Motive, Scat, elektronischer Effekte und modernen zeitgenössischen Formen kommt auch in der eigenwillig-wandlungsfähigen Stimme zum Ausdruck. Mit ihr setzt die Sängerin zwischen glockenhellen Rufen, malerischen Glossolalien und perkussiver Stimmakrobatik eine verschwenderische Energie frei. Selbst rituelle Joiks der Samen oder alpenländisches Jodeln scheinen bei ihr anzuklingen. Hämmernde Akkorde vom Klavier, handclapping und eher verhaltene elektronische …

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Herrliches, Kurioses und satte Boni: Legendäre Alben auf Vinyl bei „Groove Replica“

Im Februar machte eine für Vinyl-Fans beunruhigende Meldung die Runde: Ein Feuer hatte die Fabrik der Firma Apollo/Transco in Kalifornien zerstört, eine von zwei Produktionsstätten weltweit, welche die so genannten Lacquers, die für die Herstellung von LPs notwendigen Master-Folien produzieren. Die Auswirkungen dieses Vorfalls sind noch nicht abzusehen, doch ein Blick auf die Rückseite der ersten Scheiben dieser neuen Vinyl-Wiederveröffentlichungsserie namens „Groove Replica“ (Vertrieb: in-akustik) zeigt, dass sie davon nicht betroffen war: Sie sind mittels „Direct Metal Mastering“ hergestellt, jenes alternativen Verfahrens, das Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt wurde. Zum moderaten Preis von etwa 17 Euro bekommt man eine sauber gepresste 180g-Vinylplatte  unsterblicher Klassiker der Jazz- und R&B-Diskothek mit den originalen Liner Notes, dazu eine CD in Klappkartonhülle, die neben den LP-Titeln weiteres Material, zum Teil ganze Zusatzalben enthält. Beachtlich! Zur Musik selbst muss nichts mehr gesagt werden, hier nur ein paar Anmerkungen zum Bonusmaterial und, wo nötig, zur Klangqualität: Miles Davis: Kind of Blue (Groove Replica 77012) Beginnen wir mit dem aufnahmetechnischen Kuriosum der Serie, wobei ein wenig auszuholen ist. Wie erst 1992 bemerkt wurde, lief die Masterbandmaschine am 2. März 1959, …

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Aufruf an Politik und Musikwirtschaft – schnelle Hilfe auch für Jazzmusiker*innen!

In Kürze werden die Corona-Hilfszahlungen aus Bundesmitteln starten. Die Union Deutscher Jazzmusiker hat in einer Pressemitteilung  auf  einige besonders wichtige Punkte hingewiesen, die die JazzZeitung.de hier im Wortlaut wiedergibt: Alle Bereiche der Musikwirtschaft müssen bei der Nothilfe aus Bundesmitteln Berücksichtigung finden – wie so oft müssen wir aber eindringlich darauf hinweisen, dass die einzelnen Künstler*innen, egal welchen Genres, dabei nicht ins Hintertreffen geraten dürfen. Deshalb unsere Bitte an alle: Bitte setzen Sie sich/setzt Euch dafür ein, dass auch Jazzmusiker*innen, die zu großen Teilen ohnehin schon in prekären Verhältnissen leben, durch diese Krise nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden. Musiker*innen benötigen zunächst einen schnellen Ausgleich der unmittelbaren Verdienstausfälle. Nach den Daten der Jazzstudie 2016 kann davon ausgegangen werden, dass für bis zu 70% der Jazzmusiker*innen mit einem Betrag von mindestens 1.000 Euro/Monat kurzfristige Liquidität gewährleistet werden kann. Natürlich gibt es auch in der Jazzszene Musiker*innen, die deutlich mehr verdienen und entsprechend größere Ausfälle haben. Eine abgesagte Tournee etwa kann schnell den Verlust eines ganzen Jahreseinkommens bedeuten. In Einzelfällen sollten also auch höhere Hilfszahlungen beantragt werden können. Langfristig entstehende Folge-Einnahmenausfälle durch ausbleibende CD-Verkäufe, GEMA-Vergütungen und vieles mehr sowie Einbußen durch ausbleibende Folgeengagements sollten von Anfang an mitgedacht werden. Zu den Verdienstausfällen …

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Heinrich von Kalnein: Möbius Strip

Jeder ausübende Musiker kennt Etüdenbücher: Jene systematisch aufbauenden Sammlungen, in denen in meist kleinen, reduzierten Stücken bestimmte spielerische Probleme angegangen werden. Aber wenn große Komponisten am Werk sind, gehen solche „Versuchsanordnungen“ über das rein technische weit hinaus und es entstehen große künstlerische Schöpfungen für die Ewigkeit. Jazz als freiere, improvisierte Praxis emanzipiert sich von jeder rigiden Systematik, wo es ums unmittelbare Spielen geht. Auf der neuen Doppel-CD des Saxofonisten Heinrich von Kalnein drängen sich solche Gedanken dennoch auf. Nicht falsch verstehen: Der in Graz lebende Saxofonist, Bandleader, Komponist und Pädagoge würde wohl nie schnöde Techniketüden veröffentlichen. Aber das neue Release leistet sich eine fast schon enzyklopädische Bandbreite, um die Vielfalt an musikalischen Möglichkeiten im Jazz zu bilanzieren. Volume 1 stellt die Individualität von Instrument und Musikerpersönlichkeit heraus. Bemerkenswert ist der Entstehungsprozess dieser lupenrein klingenden Aufnahmen. Heinrich von Kalnein improvisierte nämlich die meisten dieser Stücke zunächst allein für sich im Studio von Joachim Kühn auf Ibiza, übrigens auf persönliche Einladung des berühmten Pianisten hin. Die Bassistin Gina Schwarz und der Drummer Lukas König spielten später ihre eigenen Tracks dazu. Der Prolog ist ein einladendes Rezitativ. Stück …

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BMW Welt Jazz Award 2020: Das Quintett von Schlagzeuger Peter Gall bestreitet das vierte Dienstagskonzert

Es begann eine Spur zu akademisch und endete in einem Jazzrausch der Spitzenklasse: Das Konzert des Peter Gall Quintetts mit Musik von dessen neue CD „Paradox Dreambox“ – seiner ersten eigenen Produktion nach der Mitwirkung an über 30 CD-Alben als Mitmusiker. Aus der musikalischen Traumbox stiegen fünf herausragende und international tätige Solisten, die Galls originelle Kompositionen in einem superspannenden Interplay zum Leben erweckten. Fotograf Thomas J. Krebs lieferte für die Jazzzeitung eine inspirierte Fotogalerie. Eine Kritik zum Konzert lesen Sie unter www.nmz.de

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Foto: TJ Krebs

Die neue LBT Doppel-CD: Stereo

LBT – was verbirgt sich hinter diesen Buchstaben? Eigentlich nichts anderes als ein Trio mit Klavier, Kontrabass und Schlagzeug. Aber nur auf den ersten Blick! Inhaltlich gehen die Drei komplett neue Wege. Leo Betzl am Piano, Sebastian Wolfgruber an den drums und der Bassist Maximilian Hirning brechen auf zu neuen musikalischen Horizonten und haben mit ihrer Musik die Szene komplett aufgemischt. Da gerät der Jazz sprichwörtlich aus den Fugen! Aber der Reihe nach: im Juni 2017 legte der Pianist Leo Betzl im Münchner Jazzclub Unterfahrt seine Masterabschluss- und Maximilian Hirning am Kontrabass seine Master-Zwischenprüfung ab. Es brodelte bereits damals gewaltig im Club mit der Kombination von Jazz & Techno (siehe dazu: https://www.jazzzeitung.de/cms/2017/07/leo-betzl-absolvierte-seine-master-abschlusspruefung-in-der-unterfahrt/ ). Praktisch war das auch der Beginn von LBT. Damals wie heute sind sie ihrem Motto treugeblieben, dem Jazz wie auch Techno weiterhin verbunden und neuen Wegen unverdrossen aufgeschlossen. 2018 gewann das Trio damit den BMW Welt Jazz Award und im Folgejahr den Burghauser Nachwuchs Jazzpreis. Was die Jungs im übrigen auszeichnet ist ihre stete Neugier und Aufgeschlossenheit gegenüber der Techno-Szene und der Kombination mit dem Jazz. Groove ohne Ende Nach gut drei …

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Reifezeugnis: „Der weise Panda“

Von Stefan Pieper. Wenn eine CD-Veröffentlichung keinen speziellen Titel trägt, sondern sich unmittelbar nach der Band nennt, kann dies ein Statement sein – vor allem, wenn es sich nicht um eine Debut-Veröffentlichung handelt. Für die Kölner Band „Der Weise Panda“ um die Sängerin Maika Küster trifft dies umso mehr zu, da hier, fünf Jahre nach der Bandgründung (die auf Anhieb einen Sparda-Jazz-Award folgen ließ) ein Reifezeugnis mit großer Ausstrahlung vorliegt. Dieser Beleg für kreativ gelebte Weiterentwicklung braucht kaum mehr als 30 Minuten, in denen alles gesagt ist und nichts fehlt. Maika Küster und ihre Bandmitglieder können Songs schreiben – und wie! Diese bilden einen durchgängigen Fluss, schmiegen sich balladenhaft an, trumpfen manchmal rockig auf und bleiben auch in vielen überraschenden melodischen Wendungen immer intuitiv und unangestrengt, wenn. Maika Küsters Stimme ist mal zerbrechlich-melancholisch, dann aber auch energetisch-druckvoll, hat auch immer irgendwie den Blues, ist auf jeden Fall mitten drin in den emotionalen Zuständen, die das jeweilige Stück gerade abbildet. Die Lyrics, die sich zuweilen auch cooler spoken word-Ästhetik entfalten, tun ihr übriges mit ihrer zuweilen rätselhaften Metaphorik. Das allein ist aber noch nichts ohne den …

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Der weite Raum der Sängerin Barbara Barth

Von Dietrich Schlegel. Für die Jazzsängerin Barbara Barth ist bezeichnend, dass auf sie dieser Begriff zu eng gefasst ist, denn sie besticht durch eine ungewöhnliche Bandbreite ihrer stimmlichen Präsenz. Folgerichtig zieht sie als Berufsbezeichnung auch „Stimme“ / „Voice“ vor. Die in Köln lebende Saarländerin bewegt sich bewusst zwischen den Polen swingender Standards und mit Elektronik experimentierender Avantgarde. In diesem weiten Spielraum bringt sie Erstaunliches an Klängen, Lauten, Geräuschen hervor, mit einer Stimme, die glasklar in den Höhen und voller Wärme in den tieferen Lagen klingt. Sie kann scatten like hell, fauchen, kreischen, flüstern, hauchen und auch wunderschön alte Songs singen, ein bestechender Reichtum an Facetten und Nuancen, dokumentiert auf bereits vier Alben. Eines nennt sie selbstbewusst „This is… Barbara Barth“. Zugleich bleibt sie selbstkritisch und bekennt „I’m still on my way…“ Von der Klassik zum Jazz Ihr Weg führte Barbara Barth, die 1983 in dem kleinen Dorf Braunshausen bei St. Wendel im Saarland geboren wurde, erst nach einem längeren Vorlauf zum Jazz. Gern gesungen hat sie schon als Kind und als Schülerin, sang in verschiedenen Chören, nahm dann an der Kreismusikschule in St. Wendel auch …

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30. Jazzfest der Jazzmusiker-Initiative München, Teil 2: Noch mehr Bilder eines Festivals

Der zweite Teil des 30. Jazzfestes München der Jazzmusiker-Initiative München JIM brachte an drei Abenden je drei Bands auf die Bühne der Black Box im Gasteig. Bei diesen 9 Konzerten wurde das Festival-Thema „Bilder einer Ausstellung“ in unterschiedlicher Weise aufgenommen, aber insgesamt deutlicher als an den vorausgegangenen Festival-Abenden Ende Oktober: Das Modern String Quartet nahm das Motto wörtlich und spielte Mussorgskys „Bilder eine Ausstellung“ swingend im eigenen Jazzarrangement. Ganz unmittelbar projizierte Sängerin Nina Michelle ihre eigenen, starkfarbigen Gemälde, meist mehr oder weniger abstrakte Kompositionen, zu ihren Liedern passend auf die große Leinwand hinter der Bühne. Begleitet von Peter Tuscher, Jan Eschke, Andreas Kurz und Rick Hollander. Das Duo Elwood & Reßle hatte sich um die Performerin Ruth Geiersberges verstärkt, um ihr Projekt wort- und klangstark zu präsentieren. Leider erschloss sich der Hintersinn dieser „Zeitreise 1877, 1966, 2019“ mit Bezug auf bestimmte Bilderwelten ohne erklärende Ansage nur dem, der ihn auf der Internetseite http://www.jazzfestmuenchen.de gelesen hatte. Kräftige Bilder im Kopf entstanden allerdings auch so. Für heimatliche Bilder hatte Bassklarinettist und Saxophonist Hugo Siegmeth mit seiner Bayrisch Jazz Group (Irmi Haager, Josef Reßle, Andreas Kurz, Bastian Jütte) …

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Roger Hanschel und „String Thing“ im Konzert 

Von Stefan Pieper. Lange war es still um den alten Bahnhof Mönchengladbach-Rheydt-Geneicken. Seit dem Herbst begegnen sich in diesem liebevoll restaurierten Architekturdenkmal aus dem Jahr 1899 Musik und bildende Kunst. Auch der Jazz hat hier einen zentralen Platz, wenn er überregionale Künstler zu Gastspielen anlockt und zudem der regionalen Szene ein Podium bietet. „kunstsignal“ haben die Macher ihre Initiative genannt. Der Name soll eine Marke sein für den frischen Aufbruchsgeist, mit dem ein ambitionierter Konzertbetrieb seitdem Fahrt aufnimmt. Der hohe Raum mit seiner offenen Akustik hat sich bereits bei einigen sehr unterschiedlichen Debut-Konzerten gut bewährt. Aktuell kam er einer Begegnung des Saxofonisten Roger Hanschel mit Gunther Tiedemanns Streichquartett „String Thing“ zu gute. Dieses Quartett sucht seinesgleichen: Wenn Cellist Gunther Tiedemann zusammen mit Nicola Kruse (Violine), Ingmar Meissner (Violine, Viola) und Jens Piezunka (Kontrabass und Gesang) aufspielen, öffnen sich die Tore sehr variantenreich in alle mögliche Richtungen. An diesem Abend wurde dieser fantastisch flexible Klangkörper zum Partner auf Augenhöhe für Roger Hanschel, dessen Spielweise und Klangkultur schon für sich genommen aus dem zahllosen Saxofonisten-Meer mit großem Wiedererkennungsfaktor herausragt. Fast ausschließlich neue Kompositionen erblicken an diesem Abend …

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