Klangmagier vor Kugel und Drumset: Klangkünstler Oliver Steidle und Ignaz Schick im Regensburger Ostentor-Kino

Bayern ist ein exzellenter Nährboden für Kabarettisten, ihnen geht der Stoff für ihre Kunst hier nie aus. Das weiß man seit langem. Weniger bekannt ist, dass es immer wieder auch hervorragende Klangkünstler hervorbringt, die gegen den Mainstream schwimmen und scheinbar alle irgendwann in Berlin landen. Neben den Teichmännern mit denen sie bekannt sind, zählen zu denen auch der Turntablist und Saxofonist Ignaz Schick und Drummer Oliver Steidle. Der eine aus Trostberg in Oberbayern, der andere ein echter Franke aus Nürnberg. Vom Echoglucksen eines U-Boots über fiese Pfeiftöne bis zu abgefahrenem Industrialsound scratchen, spielen und improvisieren sie sich als „Ilog“ seit elf Jahren durch die unerschöpfliche Welt elektronischer und akustischer Klänge und Geräusche.  Auf Einladung der Künstlerin, Autorin und Musikerin Flake reiste das Duo auf abenteuerlichem Deutsche-Bahn-Weg für ein Konzert im Ostentor-Kino an. Es war eines von zwei Avant-Nächten, berichtete die Veranstalterin aufgeregt und voller Enthusiasmus, die durch eine städtische Förderung zum Jahresthema Katzenjammer ermöglicht worden sind. Das nächste findet mit DJ Illvibe und Kofie da Vibe am 9. Oktober ebenfalls im Kino statt. Knattern, Heulen, Pfeifen „Sollen wir ein oder zwei Sets spielen“, wollte Steidle …

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José James im Ampere in München

Tourneen sind anstrengend. Als Künstler:in kann man sich damit aufarbeiten. Nicht umsonst versuchen die, die es sich leisten können, das Publikum pilgern zu lassen. Sollen doch die anderen den ganzen Stress haben mit Hotels und Airlines und Jetlags! Wer Adele erleben wollten, musste nach München kommen. Billy Joel gibt es schon seit langem nur noch im Madison Square Garden auf den Bühne zu erleben, ganz selten macht er eine Ausnahme. José James ist noch nicht soweit. Der Sänger, Soul-Songwriter und Wahl-New-Yorker aus Minneapolis ist zwar inzwischen auch schon 46 Jahre alt und hat gerade sein zwölftes Studioalbum „1978“ im Gepäck, eine im weiteren Sinne musikalische Widmung an sein Geburtsjahr. Er hat auch gelegentlich Preise verliehen bekommen, Szene-Größen wie der DJ Gilles Peterson sind ganz hingerissen von seiner Stimme, der Produzent Don Was war es auch und verpflichtete ihn eine Weile lang für Blue Note. Das ist eine bemerkenswerte Karriere, aber zu seinem Publikum muss José James doch noch reisen. Kommt Zeit, kommt Groove Und das scheint ihn und seine Quartett durchaus zu fordern. Jedenfalls wirken er selbst, der Keyboarder Mitch Henry, der Bassist Yves Fernandez …

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Lorenz Kellhubers „Standard Experience“ in Regensburg. © Scheiner

Lorenz Kellhubers „Standard Experience“: Ausdrucksstarke Solisten und sparsame Begleiter

Wenn Frank „Ol’ Blue Eyes“ Sinatra einen Evergreen anstimmte, konnte man sicher sein, von Anfang bis Ende mitsummen oder im Kopf Zeile für Zeile den Text und Note für Note die Text mitsingen zu können. Stimmt dagegen ein Jazzmusikant einen Evergreen an, der im Jazzbereich – englisch gesprochen – Standard heißt, kann man davon ausgehen, diesen noch nie gehört zu haben. von Michael Scheiner Jedenfalls nicht in der Originalfassung, wie ein solcher Song erstmals in einem Musical oder Film gespielt wurde. Zuhörer konnten das hautnah beim Konzert von Lorenz Kellhubers Bandprojekt „Standard Experience“ im Neuhaussaal erleben. Der Pianist und Hochschulprofessor meinte zwar in seiner Begrüßung, dass sie „jetzt vier Stunden ohne Pause für Sie spielen“. Als er sah, wie der eine oder andere innerlich zusammenzuckte, schob er grinsend hinterher, dass das ein Insider-Witz sei. Statt 240 gab es in der Realität eines lauen Spätsommerabends dann 105 Minuten, eingerechnet einer vehement eingeforderten Zugabe – „Autumn Leaves“. Kellhuber, der bereits mehrfach in Regensburg mit einem Trio auftrat, ist für lange frei improvisierte Stücke bekannt, die er aus dem Stehgreif mit seinen Partnern kreiert. Dieses Mal spielte er …

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Kampf gegen die Klischees – „New Colours Festival“ Gelsenkirchen

(Text und Fotos: Oliver Hochkeppel) Drei EM-Spiele gab es im Sommer in der Schalke-Arena, und ausgerechnet die englischen Fans wärmten wieder alle Gelsenkirchen-Klischees von Deutschlands hässlichster und ärmster Stadt auf. Sicher es gibt schlimme Ecken – wie in mittlerweile jeder englischen Stadt. Seit einigen Jahren schon kämpfen die Gelsenkirchener Bernd Zimmermann und Susanne Pohlen auf ihre Art gegen diese Klischee an – mit Jazz. Mit ihrer PublicJazz Eventagentur in Zusammenarbeit mit dem von Susanne Macheit geleiteten Verein zur Förderung von Kunst und Jazz, mit ihrer Konzertreihe „FineArtJazz“ – und mit dem „New Colours Festival“, das nun seine dritten Ausgabe erlebte. Herausragende Spielorte Vier Tage lang konnte man nun wieder schöne Ecken von Gelsenkirchen kennenlernen, besondere, zum Teil herausragende Spielorte für Konzerte nämlich. Das Schloss Horst etwa als Festivalzentrale, dessen Bühne vor einer in Farben getauchten alten Wandfassade sich vom Ambiente wie von der Akustik her so manche Stadt wünschen würde. Mit dem Industriedenkmal Nordsternturm in luftiger Höhe. Mit dem Schauburg Filmpalast, einem der letzten klassischen Kinopaläste der Republik, denkmalgeschützt und die Zwanzigerjahre-Architektur mit moderner Technik verbindend. Mit dem Musiktheater im Revier, einem revolutionären immer noch bewundernswerten …

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Keine Kompromisse – neue CD von Roger Kintopf

(Text/Fotos: Robert Fischer) Wer als Kontrabassist im zarten Alter von gerade mal 25 Jahren bereits sein zweites Soloalbum veröffentlicht, dem mangelt es jedenfalls nicht am nötigen Selbstbewusstsein. Nicht immer aber gibt es für ein solches Selbstbewusstsein einen so guten Grund wie bei Roger Kintopf: Der Mann ist – als Musiker wie als Solist – einer wie keiner. In jedem Fall aber ist er eine Ausnahmeerscheinung: Der 1998 in Darmstadt in eine musikalische Familie geborene, heute in Köln lebende Roger Kintopf begann als Elfjähriger E-Bass zu spielen, dann wechselte er zum Kontrabass. Zuletzt studierte er in den Jahren 2016 bis 2022  an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln unter anderem bei Robert Landfermann – seinerseits einer der besten, vielseitigsten und begehrtesten Bassisten der deutschen Jazzszene. Parallel dazu etablierte sich Roger Kintopf mit eigenen Projekten wie „STRUCTUCTURE“, im Duo mit Victor Fox, im Trio „Percussion“ mit Felix Hauptmann und Leif Berger sowie als Sideman renommierter Musikerinnen und Musiker wie Kit Downes, Philip Dornbusch, Christian Lillinger und Johanna Summer. Im Jahr 2021 veröffentlichte er sein erstes reines Kontrabassalbum mit dem schlichten Titel „Solo“. 2024 folgt nun …

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Fuchsthone Jazz Orchestra in der Wuppertaler Immanuelskirche

(Von Stefan Pieper) Die Wuppertaler Immanuelskirche, heute zum Kulturzentrum umfunktioniert, ist auf bestem Wege, sich auch als aufstrebender Hotspot der Jazz-Szene in NRW gut aufzustellen. Vor allem, wenn es um Auftritts- und Probemöglichkeiten für große Besetzungen geht. Kuratiert von Karl-Heinz Krauskopf und unterstützt vom Förderverein Kulturzentrum Immanuel e.V. wurde das Programm „Immanuel goes Bigband“ ins Leben gerufen – ein spektakuläres Multimedia-Konzert der Kölner Fuchsthone Orchestra legt zum Auftakt die Messlatte denkbar hoch, wenn es hier künftig um zeitgenössische Jazzorchester-Kultur geht. Musik als soziales Handeln Bei diesem Large Ensemble, das von beiden Bandleaderinnen Christina Fuchs und Caroline Thon kuratiert wird, geht es um weit mehr als nur die Zurschaustellung höchsten musikalischen Könnens.  Das Fuchsthone Orchestra begreift Musik als soziales, interaktives Handeln, um damit auch globale Botschaften zu transportieren. Die beiden Kölner Bandleaderinnen Christina Fuchs und Caroline Thon schärfen mit diesem Konzept über das Medium der Musik den Blick auf das große Ganze – auch und gerade in ihrer aktuellen Reihe „reloaded“, zu der das Konzert in der Immanuelskirche gehörte. Also wirkten auch die zwei Sets in Wuppertal wie eine seismografische Echokammer für die Emotionen dieser Welt …

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Fordernd und fördernd: Das Jazzfestival Saalfelden 2024

Das 44. Jazzfestival Saalfelden stand unter einem guten Stern: Prächtiges Wetter und ein enormer Publikumszuspruch begleiteten die mehr als 60 Konzerte. Da etliche davon herausragend waren, festigten der Künstlerische Leiter Mario Steidl und sein Team den Rang des Festivals als eines der führenden europäischen im Feld des progressiven, modern contemporary Jazz. Leider steht ja auch die Kultur seit langem unter dem Primat der Ökonomie und muss als „weicher Standortfaktor“ alles, auch das eigentlich Unzähl- und Unbezahlbare in Zahlen aufrechnen. Das Jazzfestival Saalfelden spielt dieses Spielchen schon deshalb aktiv mit, weil es eine ziemlich einzigartige Doppel-Trägerschaft besitzt: Es wird gemeinsam vom Kunsthaus Nexus – also einer öffentlichen Kultureinrichtung – und der Saalfelden-Leogang Touristik GmbH – also einem Wirtschaftsbetrieb – veranstaltet. Man ist deshalb bei der Analyse weit voraus und wertet unter anderem Mobilfunkdaten aus. Wohlan, fest steht: Das Jazzfestival Saalfelden ist ein echter Publikumsmagnet. Mit gut 28000 Besuchern erreichte die 44. Ausgabe einen neuen Rekord. Der Etat von gut 800.000 Euro dürfte damit ausgeglichen sein, die gesamte Wertschöpfung für die Gemeinde erreicht 2,18 Millionen Euro. Das ist vor allem deshalb und auch jenseits der wirtschaftlichen Betrachtung …

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Bezau Beatz: Große Emotionen – großartige Musik

(Von Robert Fischer) Mit gemischten Gefühlen waren in diesem Jahr wohl die meisten in den Bregenzerwald gereist, schien die 17. Ausgabe des Bezau Beatz Festivals doch unter einem unglücklichen Stern zu stehen. Lange im Vorfeld schon hatte Alfred Vogel – als Spiritus Rector Herz und Seele dieses heuer vom 8. bis zum 11. August in Bezau stattfindenden Events – mitteilen müssen, dass er an Leukämie erkrankt war. Um die Durchführung trotzdem zu gewährleisten, übergab er die operative Leitung an den Schlagzeuger Valentin Schuster. Inwieweit er aber auch selbst an seinem Festival würde teilnehmen können, blieb bis zuletzt fraglich. Gute Nachricht vorab: er konnte. Und nicht nur das: Er trat sogar selbst als Schlagzeuger auf, was dem Festival am vorletzten Tag seinen wohl bewegendsten Moment bescherte. Zuerst Schlagzeuger Dass Alfred Vogel auch und vermutlich zuerst ein Schlagzeuger ist, merkte man nicht zuletzt seinem Programm an: Namen wie Ra Kalam Bob Moses (in Dreierkonstellation mit Pedro Melo Alves und Vasco Trilla) oder Hamid Drake, Fabian Arends, Sylvain Darrifourcq, Jan-Einar Groh, Christian Lillinger, Steffen Roth und Marius Wankel lesen sich ja nicht zufällig wie ein Geschichte und Gegenwart vereinendes …

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Eine positiv kritische Masse: Eindrücke vom Outreach Festival 2024 in Schwaz

Eines der ungewöhnlichsten Jazz-Festivals Europas findet im österreichischen Schwaz statt, 30 Kilometer vor Innsbruck und gerade einmal 118 Autokilometer von München entfernt. Hat doch das „Outreach Festival“ wie kaum ein anderes die Vision, „Musik und alle anderen bildenden und darstellenden Künste zu verwenden, um Grenzen aufzubrechen und Synergien zu schaffen“, wie sein Gründer und Leiter, der Trompeter Franz Hackl sagt. Hackl gründete das Outreach vor über 30 Jahren sozusagen von New York aus, wo er mit seiner amerikanischen Frau Rose seinen Hauptwohnsitz hat. Doch schon über die Trompetenmanufaktur, die er hier mit seinem Vater betreibt, hat er die Verbindung zu seiner Tiroler Heimatstadt immer gehalten, zur 13000 Einwohner zählenden „Silberstadt“, die im 15. Jahrhundert mit über 200000 Bewohnern die zweitgrößte des Habsburgerreichs und neben Augsburg Hauptsitz der Fugger war. Unter diesem Leitgedanken des Verbindenden führt Hackl es – seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner – interdisziplinär, genreübergreifend, ganzheitlich und experimentell. Diese Brückenschläge haben seit der Pandemie beim Festival-Schwerpunkt, den drei Konzertabenden im Silbersaal des „SZentrums“ überm Inn ausgangs der Altstadt noch einmal neue, ganz konkrete Züge angenommen. Die Corona-Ausgabe 2021 konnten Hackl …

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Das 12. „SeeJazz“-Festival will den Starnberger See zum Swingen bringen

Zum 12. Mal bringt das „SeeJazz“-Festival Stars wie Torsten Zwingenberger, Joo Kraus, Wolfgang Haffner oder Nils Landgren an die schönsten Spielorte rund um den Starnberger See. 2012 schlossen sich acht Jazz-affine Macher rund um den Starnberger See, angeführt vom Feldafinger Bürgermeister und Jazz-Fan Bernhard zum Verein „SeeJazz“ zusammen, um „dem Jazz im Landkreis Starnberg ein Tor zu öffnen“, wie es auf der Homepage heißt. Und zwar vor allem durch ein gemeinsames Festival. Und so findet nun vom 10. bis 18. August bereits zum zwölften Mal das SeeJazz Festival statt, das erste überregionale Musikfestival rund um den Starnberger See überhaupt. Los geht es am 10. August im Rittersaal des Schlosses Kempfenhausen in Berg mit Berlin 21. 2013 vom Schlagzeuger Torsten Zwingenberger als Quartett gegründet, ist die Band seit 2018 ein Trio mit dem Pianisten Lionel Haas und dem E-Bassisten Martin Lillich – dementsprechend heißt das aktuelle Album auch „Three!“Die drei spielen ausschließlich eigene Kompositionen, „die uns allen Spaß machen“, wie Zwingenberger sagt. Dazu nehmen sie ihr Publikum mit auf eine musikalische Weltreise von Europa über Afrika nach Amerika, mit Blues, Latin- und Afro-Grooves, Funk- und Soulbeats …

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