Die zweite Ausgabe des Jazz-Festivals „New Colours“ an geschichtsträchtigen Orten in Gelsenkirchen

Strahlend blauer Himmel – und alle vier Tage über 30 Grad. Da hielt der Produktionsleiter des Festivals, Bernd Zimmermann, in locker-unverblümten Bühnenansagen nicht hinter dem Berg, wie begeistert er über jede Besucherin und jeden Besucher bei solch einem Wetter war. Wer kam, konnte heftig schwitzend beglückt sein über ein vielfältiges Programm an sehr erlebenswerten Orten. Trancehafte elektronische Rhythmen, fesselnde Improvisationen an einer Kirchenorgel und außergewöhnlich tiefgründige Songs konnte man bei der zweiten Ausgabe von „New Colours“ Anfang September in und um Gelsenkirchen erleben – und nicht zuletzt ein lustvolles Flamenco-Jazz-Highlight, das vom Publikum geschlossen mit standing ovations gefeiert wurde. Musiker:innen wie die Kontrabassistin Lisa Hoppe, das belgische Trio Dishwasher, der englische Pianist und Organist Kit Downes und das Trio des spanischen Pianisten Daniel Garcia standen im Programm für den packenden Farbenreichtum des aktuellen Jazz. Tolle Orte „Wir sind durchschnittseinkommensmäßig ganz unten – aber diese Stadt ist schön“, brachte Zimmermann, der das Festival zusammen mit seiner Partnerin Susanne Pohlen gestaltet, das Phänomen Gelsenkirchen bei der Eröffnung auf einen einzigen Satz – und ergänzte: „Wir haben so tolle Orte hier, und die stellen wir vor“. Diese Orte …

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Wider die Konvention: Eindrücke vom 31. Outreach Festival in Schwaz

Auch in seiner 31. Ausgabe erwies sich das „Outreach Festival“ im Tiroler Städtchen Schwaz als eines der ungewöhnlichsten Jazz-Festivals Europas. Das vom von hier stammenden Trompeter Franz Hackl – der freilich seit Jahrzehnten seinen Hauptwohnsitz in New York hat – gegründete und nach wie vor  gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner geleitete Festival hat seit Jahren vieles von dem vorweggenommen, was heute im Festivalbetrieb groß im Schwange ist. Und hat beim Vorausdenken partiell immer noch die Nase vorn. Vorn in Sachen Nachhaltigkeit Seit jeher reisten hier viele Künstler nicht nur zu ihrem Konzert an, sondern für einen längeren Zeitraum. Schon wegen der dem Festival angeschlossenen „Academy“, einem großangelegten mehrwöchiges Unterrichtsprogramm mit internationalem Lehrkörper für alle Altersgruppen und Levels, das im restlichen Jahr auch online zur Verfügung steht. Oder beim interdiziplinären Ansatz. Wie seit langem gab es wieder einen „artist in residence“ aus der bildenden Kunst, diesmal der Tiroler Konzeptkünstler Ernst Caramelle, der lange in Karlsruhe, an der Frankfurter Städelschule und in New York lehrte, hier nun neben einer Ausstellung auch das Programmheft gestaltete und das eine oder andere Konzert – wir kommen gleich darauf – …

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Münchens Jazzsommer im Hotel Bayerischer Hof

Nach vier Jahren Zwangspause wagte das Hotel Bayerischer Hof in München einen Neustart seines Jazzsommers. Eine beeindruckende Ausstellung mit Schwarz-Weiß-Fotos von Lena Semmelroggen und ein interessantes Musikfilm-Programm im hauseigenen Kino begleiteten die Konzerte. Diese standen erstmals unter der künstlerischen Leitung des Fachjournalisten Oliver Hochkeppel, der sein stimmiges erstes Programm unter den Titel „Bummel durch Europa“ stellte. Als doppelten Auftakt brachte er aber vorweg Jazz aus den USA auf die Bühne, ohne den es den präsentierten eigenständigen europäischen Jazz ja nicht gäbe. So gab es also  an zwei Tagen viele Standards zu hören. Zuerst von der dynamischen Altsaxophonistin Lakecia Benjamin in sehr intensiven und eigenwilligen Fassungen: Coltranes Hymne „A Love Supreme“ als Up-tempo-Stück ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Ihr Begleittrio mit einem virtuosen Zaccai Curtis am Flügel, Ivan Taylor am Bass und EJ Strickland am Schlagzeug wirkte dagegen abgeklärt, aber nicht minder kreativ. Zur Tradition des Jazzsommers gehört ein Auftritt des 2. Preisträgers des Kurt Maas Jazz Award. Ausgewählt wurde 2023 der koreanische Schlagzeuger Minchan Kim, der sich der Tradition des Modern Jazz vor allem der 60er- und 70er-Jahre verschrieben hat. Zusammen mit dem Pianisten Theo Kolross und …

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Feuerwerk an Energie, Groove und Modern: das Regensburger Jazzweekend 2023

Vier Tage dauerte das Regensburger Jazzweekend vom 13. bis zum 16. Juli 2023: Über 100 Bands spielten in mehr als 30 Locations. Auch im 42. Jahrgang war die ganze Stadt wieder einmal voller Jazzmusik und trotz tropischer Temperaturen voller neugieriger und musikgenusssüchtiger Menschen. Michael Scheiner berichtet vom Jazzweekend-Auftakt auf der Piazza im Regensburger Gewerbepark und einem langen Jazzwochenende in der Altstadt. Tag 1 – Gelungener Auftakt im Gewerbepark Ganz nebenbei hat Marco Lobo auch noch das Wissen über Instrumentalkunde und Musikethnologie erweitert. Beim gefeierten Auftritt mit seinen Convidados auf der Piazza im Gewerbepark, spielte der Brasilianer ein unbegleitetes Solo auf der Berimbau oder auch Berimbao, wie der Musikbogen auf spanisch heißt. Das aus einem Holzstock, einer Metallsaite und einer Kalebasse als Resonanzkörper bestehende Instrument ist typisch für den Nordosten des südamerikanischen Landes und das wichtigste Instrument für den Kampftanz Capoeira. Das Publikum reagierte fasziniert und hingerissen auf die schwirrenden, an- und abschwellenden Klänge, die Lobo mit dem archaisch anmutenden, virtuos gespielten Bogen kreierte. Einige wären fast aus den bequemen Liegestühlen vor der Bühne aufgestanden, um ihrem Beifall noch etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Voll der Empfehlung …

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Elbjazz 2023: Jazz & Dance unter der Diskokugel

Gleich vorweg: Auch das diesjährige Hamburger Elbjazz war wieder ein voller Erfolg. Bei Temperaturen bis zu 28 Grad und herrlichem Sonnenschein am 10. und 11. Juni waren die wettertechnischen Voraussetzungen optimal, vorausgesetzt man hatte Sonnencreme und Kopfbedeckung dabei. Als vorausschauende Maßnahme des Veranstalters wurden kostenlose Trinkwasserstellen aufgestellt, die angesichts der mittlerweile doch recht hohen Getränkepreise an den Ständen absolut sinnvoll waren. Ebenfalls hilfreich die Festival App, die über Programmänderungen, etwa den Einlassstand oder Staus an der Schiffbauhalle informierte. Bemerkenswertes Programm für ein Jazzfestival Auf den ersten Blick war das Elbjazz Programm schon ein wenig ungewöhnlich. Internationale Jazzgrößen, respektive typische Jazzheadliner, suchte man dieses Jahr vergebens. Dafür traten Bands wie Dope Lemon mit Mastermind Angus Stone oder das Unknown Mortal Orchestra aus Neuseeland auf, die alle wenig, bzw. gar nichts, mit Jazz am Hut haben, das Publikum trotzdem enthusiasmierten, welches zum Teil szenemäßig mit Weißwein im Glas und Icepack (!) anstieß, ausgelassen tanzte und feierte. Wahrscheinlich ist das Line-up ohnehin für die meisten Besucher zweitrangig. Der Fokus liegt offensichtlich auf einer entspannten Atmosphäre und guter Laune, kombiniert mit einem vordergründig ansprechenden, aber solide aufgestellten Programm. Für …

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Regensburg präsentiert das Programm für das 42. Bayerische Jazzweekend

Das Programm des Jazzweekends 2023 steht fest. Vom 13. bis 16. Juli werden 105 kostenfreie Konzerte von 101 Bands, Combos und Einzelkünstlerinnen und -künstlern über die Bühnen der Stadt gehen. Das Konzept gibt es seit 42 Jahren, dem seit 2022 wirkenden neuen künstlerischen Leiter, Christian Sommerer, gelingt es wie versprochen, in Kooperation mit dem Regensburger Kulturreferat, auch im zweiten Jahr unter seiner Leitung neue Akzente zu setzen. Jazzweekend-Satellit im Landkreis Mit gleich fünf Konzerten ist das Bayerische Jazzweekend ab diesem Jahr auch im Landkreis Regensburg zu Gast. Im Schlosshof Schönberg in Wenzenbach gibt es unter anderem die Münchner Jazz-Formation WestendProjekt sowie den spannenden Brasiljazz des Juliana Blumenschein Quartett feat. Isabela Meirelles aus Mannheim und Salvador da Bahia zu hören. Artists in Residence mit Gastgeber Geff Der Regensburger Jazz-Drummer Gerwin „Geff“ Eisenhauer gestaltet im Austausch mit international bekannten Musikerinnen und Musikern ein Artist-in-Residence-Programm für das Jazzweekend, das in gemeinsamen Konzerten und Formaten mündet und neue Perspektiven eröffnet. So ist Wolfgang Flür, Schlagzeuger der legendären Band Kraftwerk, am Samstag, 15. Juli, um 22.30 Uhr im Leeren Beutel gemeinsam mit Eisenhauer zu erleben. Wolfgang Flür war von 1973 …

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Moers – (k)ein Jazzfestival? Ein Bericht von der 52. Festivalausgabe

„This is not a jazz festival“ lautete im letzten Jahr das Motto. Aber ist das wirklich so? Vielleicht entsteht Jazz, verstanden als universelle Haltung von Improvisation und kultureller Toleranz, gerade dann, wenn das Wort mit den vier Buchstaben als einengende Schablone wegfällt. Weil sich dann die Dinge wieder aneinander reiben können. Da gab vor allem der feierfreudige soziale Kosmos einer Open-Air-Bühne zur blauen Stunde der Musik ganz viel Luft zum Atmen. Günter „Baby“ Sommers „Brother- and Sisterhood“ klang genau so, wie dieses neue Projekt heißt. Der aus Dresden stammende Schlagzeuger ist mit fast 80 Jahren ein unermüdlicher Ideengeber und Menschenfänger. Hier skandierte er, als wenn es ein Rap wäre, die Lautpoesie des Dadaisten Hugo Ball, die einem seiner aktuellen Stücke mit dem Titel „Karawane“ zu Grunde liegt. Das gute Dutzend Musikerinnen und Musiker, die einen Querschnitt der deutschen Jazzszene ausmachten, und ebenso ihr Publikum stiegen in all dies und noch viel mehr dankbar ein. Drei Bühnen – drei Aspekte von Livekultur Seit letztem Jahr gibt sich das Moers-Festival mit unterschiedlichen Bühnen an ganz verschiedenen Orten „dreigeteilt“: Die Festivalhalle bietet konzentriertes Zuhören und auch visuelle Inszenierungen, …

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Frühling, Freude, Freiluftbühne: Der 38. Jazzfrühling in Kempten

„Gute Musik dutzendfach“ versprach Kemptens Oberbürgermeister zur Eröffnung des 38. Kemptener Jazzfrühlings auf dem Rathausplatz ohne Übertreibung. Standen doch 55 oft parallele Auftritte auf 23 Bühnen in der und um die Stadt im Allgäu – eine davon auf dem Nebelhorn – für die acht Tage um den 1. Mai im kostenlosen Programmbuch des veranstaltenden Kleinkunstverein Klecks. Wie immer waren auch die Eröffnungskonzerte im Freien umsonst. Zum Auftakt spielte auf der Freiluftbühne gegenüber dem spätmittelalterlichen Rathaus bei schönstem Frühlingswetter das Landes-Jugendjazzorchester Bayern unter der Leitung von Harald Rüschenbaum. Der ließ nicht nur seine „Landjugend“, sondern auch gleich den ganzen Rathausplatz den Anfangston einsingen. Das mitreißend und professionell gespielte zweistündige Programm reichte von Count Basie über Dizzie Gillespie, John Coltrane, Weather Report und Jaco Pastorius bis in die Gegenwart mit Walter Langs „Ocean 11“ und schloss A-cappella-Versionen des fünfköpfigen Vokalensembles des LJJB ein, das in seiner jetzigen Besetzung und mit Herz und Emphase der Big Band ein Alleinstellungsmerkmal unter den Jugendorchestern verschafft. Diese Eröffnung war zugleich eine gelungene Werbung für den Jazzfrühling und dieses Orchester. Für die nächsten 120 Minuten übernahm dann die Express Brass Band aus …

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Ein Festival, das lange nachglitzert

Egal ob Archie Shepp im Teatro del Giglio in Lucca in den 80ern, Johannes Faber und Freunde im Münchner Theater am Gärtnerplatz in den 90ern oder das neue Jazzfestival „Sparks & Visions“ im Regensburger Stadttheater heute: Jazzmusik im Ambiente eines klassizistischen Theaters ist und bleibt etwas Besonderes. Das beginnt damit, dass sich die Musiker in einem anderen Setting wiederfinden als gewohnt. Das geht weiter mit guten akustischen Verhältnissen – und lässt man den Blick vom Parkett in die Ränge schweifen, findet man ein anderes Publikum vor, als man es vom Jazzclub her kennt. Erkannt und vorgemacht hat das in Regensburg bereits der Jazzclub mit seiner Reihe Jazz im Theater. Bei „Sparks & Visions“ kam noch einmal ein ganz besonderes Festival-Flair hinzu. Von München bis Münster – teilweise von weit her war das Publikum angereist und traf sich drei Tage als verschworene Gemeinde in Regensburgs Kultur-Schmuckstück. Kulturpolitisch ist es der Festivalmacherin Anastasia Wolkenstein gelungen, mit den Partnern Theater Regensburg, Regensburg Tourismus und dem Regensburger Kulturreferat in die verregnete oder bestenfalls verschneite Saure-Gurken-Zeit der Welterbestadt neues Glitzern und Attraktivität zu bringen. Sie schaffte es, mit einem programmatischen …

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Elina Duni. Foto: JM Koch

„Sparks & Visions“ – internationales Jazz-Festival im Theater Regensburg

Das meteorologisch meist trübe und tendenziell eher konzertarme Januar-Ende mit jazzigem Funkenflug und visionären Formationen aufpeppen: Mit dieser guten Idee hat es Managerin und Bookerin Anastasia Wolkenstein geschafft, Sponsoren und Kooperationspartner in Regensburg zu gewinnen und ein hochkarätiges Wochenendfestival auf die Beine zu stellen. „Sparks & Visions“ bot an drei Abenden je drei gut einstündige Konzerte im gediegenen Ambiente des klassizistischen Theaters. Dass das atmosphärisch bestens aufging, dafür sorgte nicht nur der gute Sound, sondern auch ein wunderbares „Bühnenbild“: Der Künstler Karl Iaro hatte einige Mobiles aufgehängt, die in Verbindung mit den Farbwechseln des Lichts immer wieder neue Reflexionen auf eine rückwärtige Leinwand zauberten. Dass die kunstvolle, inspirierende Klarheit dieser Installation am zweiten Abend zeitweise durch Bühnennebel verunstaltet wurde, war dann allerdings ein grober Missgriff. „Sparks & Visions“, Tag 1 Die Dreierprogramme folgten einer klaren, jeweils von Vokaljazz eröffneten Steigerungsdramaturgie. Dem ursprünglich für ein Konzert beim Bundespräsidenten zusammengestellten Septett „Heaven Steps to Seven“ rund um die Pianistin Julia Hülsmann merkte man am Eröffnungsabend den Projektcharakter ein wenig an. Von den drei Sängerinnen profilierte sich vor allem Lisa Bassenge mit bewährter Wandlungsfähigkeit, die ambitioniertesten Nummern waren …

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