Neues Album von Anna Maria Sturm und Sven Faller

„…Und er fällt, fällt, fällt!“ Regen als Freund, als willkommen geheißener Begleiter, als Reinwascher. Selten gibt es einen schöneren Song im Pop, der den Regen und das Gefühl besingt selbst ein Regentropfen zu sein. „Nur mich“ nennt Anna Maria Sturm dieses innige Bekenntnis, mit dem das gleichnamige neue Album der Sängerin und Schauspielerin endet. Es erscheint am 26. Januar und wird auf allen gängigen Plattformen zu finden sein. „Nur mich“ Gleich mit zwei Konzerten feiert die Schwandorferin mit ihrer neuen Band Sturm die Veröffentlichung beim renommierten Münchner Label Enja Records. Nachmittags singt sie in Germering und am gleichen Abend ist sie in der Abendschau des BR-Fernsehens zu erleben. „Nur mich“ ist das bisher persönlichste musikalische Projekt Sturms. Geprägt ist es vorrangig von den Eindrücken welche die schwierigen Corona-Jahren bei der Künstlerin hinterlassen haben. „Ich habe damals in einer Druckerei gearbeitet“, erzählt sie über ihre Strategie von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit, Aufträge und Einkommen dazustehen. „Manchmal war ich richtig verzweifelt, wußte nicht wie es weitergehen sollte und hasste alles und mich selbst am meisten“. Mit knalliger Wucht Mitten hinein in diese von Ängsten, …

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Die Pianistin und Sängerin Johanna Borchert begeistert bei ihrem Auftritt im Regensburger Jazzclub

Existentielle Songs übers Leben  Regensburg. „Die Erschaffung von neuem Leben“ ist das Thema, um welches sich die Musik von Johanna Borcherts aktuellem Album dreht. Bei ihrem ersten Auftritt in Regensburg beim Jazzclub im Leeren Beutel stellte sie daraus Songs vor, die sie mit unglaublich eindringlichen Improvisationen und Stücken auf dem präparierten Flügel zu einem Erlebnis von seltener emotionaler Tiefe und Güte verband.    „Amniotic“, benannt nach dem Fruchtwasser bei einer Schwangerschaft, nennt die in Kopenhagen lebende Komponistin und Pianistin das Album mit Songs wie „Oh Boy“, „The Mirror“ und „Little Universe“. Aufgenommen hat sie es mit einem Quartett befreundeter Musiker. Wobei man sich nach diesem Solokonzert nur mit Flügel, Stimme und einigen überraschenden klanglichen Effekten kaum vorstellen kann, wie diese Musik nach besser oder intensiver klingen sollte. Nach einem knappen Lächeln zum Publikum schuf Borchert aus wenigen pianissimo gehaltenen Tönen übergangslos ein Universum räumlicher Weite und Bestimmtheit. Nach und nach steigerte sie diese verhaltene und dennoch intime Atmosphäre in einem großen Spannungsbogen zu kraftvoller Dichte. Von europäischer Musikgeschichte ebenso geprägt, wie vom Jazz zog sie beim Tempo und Dynamik spürbar an, bevor sie wieder zu …

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Schatten im Wechsel der Gezeiten  – Twirls-Duo-Album „Tides“

Entspannt ist vermutlich das falsche Wort für das Twirls-Duo-Album „Tides“. Konzentriert und scheinbar mühelos trifft die Stimmung der „Gezeiten“- Aufnahmen von Pianist Nicolas Schulze und Alexander Beierbach am Saxofon um einiges besser. Erfasst ist die poetisch-dunkle Musik der zwei Improvisatoren als Ganzes damit lange noch nicht. Mal stupst Beierbach den Pianisten aufmunternd an, mal laufen die beiden nebeneinander her und versuchen jeder dem anderen einen Schritt voraus zu sein. Tastend, leise, aufmerksam Das Verspielte darin versteckt sich eher, kommt nur selten und dann subtil zum Vorschein. Vorwiegend wirkt das Zusammenspiel der Musiker tastend, leise, aufmerksam, jeden Ton aufnehmend und nachhörend. Die Antworten klingen unvorhersehbar, hellhörig, getragen von einer aufmerksamen Freundlichkeit und respektvollen Zugewandtheit. In acht Stücken erkunden die beiden in ihren Improvisationen und Dialogen die Resonanzen, welche die Gezeiten in ihnen auslösen. Dem Rhythmus und den Klängen dieses Naturphänomens gehen sie mit einem unglaublich feinen Gespür für das Zusammenspiel verschiedener Kräfte nach. Es rauscht, reibt, tüpfelt pointilistisch, raue Bluesrufe rollen über einen leise knisternden Sandboden aus Klavierbegleitung, die Bezüge zur klassischen Musik aufweist. Vereinzelt lenken Vogelrufe vom Saxofon das Ohr in eine anschauliche Bildhaftigkeit, um …

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Das Quartett von Alex Hitchcock spielt zum Saisonauftakt beim Jazzclub Regensburg

Schaut man nur auf das Äußere der Alex Hitchcock Dream Band, fällt sie durch alle Raster. Durch den der political correctness ebenso wie den des musikalischen Zeitgeistes. In der Traumbesetzung des jungen britischen Saxophonisten hat keine Musikerin Platz. Und bei den männlichen Musikschaffenden auf der Bühne ist nirgends auch nur ansatzweise ein elektronischer Klangerzeuger, ein Verfremdungsgerät oder gar ein ,mitspielender’ Computer zu sehen. Oldfashioned Vom Flügel über den Kontrabass, das Tenorsaxofon bis zum reduziert gehaltenen Schlagzeug alles analoge, althergebrachte Instrumente. Auf denen die vier Musiker einen  mit zeitgemäßen Ausdrucksformen durchsetzten Modern Jazz spielen. Letztlich also auch einen eher oldfashioned, wie es längst eingedeutscht heißt, Sound spielen, der sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelt hat. Wer jetzt aber glaubt Hitchcocks Band der Träume sei deshalb auch altmodisch, zieht sich einen dicken Schiefer ein. Eingeschnürt Tatsächlich war der Auftritt beim Jazzclub im Leeren Beutel in der ersten Hälfte vor der Pause ziemlich uninspiriert. Das Quartett wirkte wie eingeschnürt von den Fesseln von Hitchcocks Kompositionen, die sie wie Perlen ohne Unterbrechung aneinander reihten. Da der Bandleader zudem auf Ansagen zu seiner Musik verzichtete, mussten sich …

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Feuerwerk an Energie, Groove und Modern: das Regensburger Jazzweekend 2023

Vier Tage dauerte das Regensburger Jazzweekend vom 13. bis zum 16. Juli 2023: Über 100 Bands spielten in mehr als 30 Locations. Auch im 42. Jahrgang war die ganze Stadt wieder einmal voller Jazzmusik und trotz tropischer Temperaturen voller neugieriger und musikgenusssüchtiger Menschen. Michael Scheiner berichtet vom Jazzweekend-Auftakt auf der Piazza im Regensburger Gewerbepark und einem langen Jazzwochenende in der Altstadt. Tag 1 – Gelungener Auftakt im Gewerbepark Ganz nebenbei hat Marco Lobo auch noch das Wissen über Instrumentalkunde und Musikethnologie erweitert. Beim gefeierten Auftritt mit seinen Convidados auf der Piazza im Gewerbepark, spielte der Brasilianer ein unbegleitetes Solo auf der Berimbau oder auch Berimbao, wie der Musikbogen auf spanisch heißt. Das aus einem Holzstock, einer Metallsaite und einer Kalebasse als Resonanzkörper bestehende Instrument ist typisch für den Nordosten des südamerikanischen Landes und das wichtigste Instrument für den Kampftanz Capoeira. Das Publikum reagierte fasziniert und hingerissen auf die schwirrenden, an- und abschwellenden Klänge, die Lobo mit dem archaisch anmutenden, virtuos gespielten Bogen kreierte. Einige wären fast aus den bequemen Liegestühlen vor der Bühne aufgestanden, um ihrem Beifall noch etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Voll der Empfehlung …

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BR kickt Hammerstein ins Aus

„Mit…“, dann folgt eine unmerkliche Verzögerung bis die Anmoderation mit „…Lukas Hammerstein“ abschließt. Seit Jahr und Tag beginnt der bei München lebende Journalist und Autor Jazz & Politik jeden Samstagnachmittag damit, dass er sich vorstellt. Angesiedelt ist das Magazin bei der Politikredaktion des Bayerischen Rundfunks (B2), die Musik wählt der Musikredakteur Roland Spiegel aus. Abgesang auf eine Magazinsendung Kurz vor Sommerbeginn traf ich Hammerstein zu einem Interview im Eingangsbereich des  Rundfunkhauses des BR, nahe beim Münchner Hauptbahnhof. Ich wollte ein Porträt des 65-jährigen Freiberuflers verfassen, dessen politisches Feuilleton zum Interessantesten, manche Hörer*innen würden sagen „zum Besten gehört“, was vom BR produziert wird. Während der Arbeit am Text landete im Postfach eine Nachricht, dass Jazz & Politik Anfang kommenden Jahres (2024) eingestellt wird. Unversehens bekommt das Interview einen anderen Drall und die Geschichte gerät zu einem Abgesang auf eine Magazinsendung, die innerhalb des durchaus immer noch vielfältigen deutschen Rundfunkwesens einmalig ist. Nische Jazz & Politik Im Schatten großer Reichweiten und Quoten, die vom hohen Sendemast herab alles überblicken, führt Jazz & Politik ein Nischendasein für politisch Interessierte und  Hörerinnen die wissen wie zäh praktische Politik in …

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CD-Rezension: Burkard Kunkel & Bob Degen – Two Geese By The River

Für die beiden Protagonisten war es wohl eine noch größere Überraschung als für ihr musikalisches und Publikumsumfeld. Für ihr im Selbstverlag produziertes und vertriebenes Album „Two Geese by the River“ haben der im Spessart lebende Holzbläser Burkard Kunkel und der Wahl-Frankfurter Bob Degen am Piano einen Platz auf der Bestenliste (2. Quartal 2023) vom Preis der deutschen Schallplattenkritik ergattert. Wohlverdient, mag man schon ins Horn stoßen, bevor die musikalischen „Gänse“ schnatternd gewürdigt worden sind. Dafür spricht ein kurzer Rückblick auf das vor neun Jahren erschienene Duo-Album „Down By The Harbour“. Selbiges bewegt sich in seiner lyrischen Intensität und musikalisch-künstlerischen Qualität auf dem gleichen hohen Niveau wie das Veröffentlichte. Die Idee zum neuen Album, schreibt Kunkel in den knappen Linernotes, ist bei einem Italientrip im Frühjahr 2022 entstanden, wovon auch einige der Fotos zeugen. Die zeigen die beiden noch gut verpackten Musikerfreunde in aufbrechender Natur, Kunkel mit dem selten im Bereich des Jazz zu hörenden Bassetthorn in der Hand. Erneut sind einige der zwischen drei und sieben Minuten langen Stücke gemeinsam entwickelt worden, drei hat Degen und fünf Kunkel beigesteuert. Lyrische Kathedralen und Seen Nahezu beschwingt …

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CD-Rezension: Brad Mehldau – Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles

Mit zwei Minuten, 18 Sekunden bleibt Brad Mehldau sogar noch unter der Länge des offiziellen „Your Mother Should Know“-Videoclips, der die lächelnden Beatles, in weiße Fräcke gekleidet, in einem kitschigen Filmsetting zeigt. Hemdsärmelig – jedenfalls im Video – folgt der amerikanische Pianist dem leichten Retroswing des Originals, bei dem sich Paul McCartney von einer familiären Szene inspirieren ließ. Einen swingenden Boogie-Sound verwendet Mehldau auch für „I Saw Her Standing There“, wobei diese feine Interpretation fröhlicher und freier klingt als das eher melancholisch angehauchte Titelstück. Live in Paris aufgenommen Mehldaus neues Soloalbum ist während der Coronazeit live vor reduziertem Publikum in der Philharmonie de Paris aufgenommen worden. Verschiedene Titel der einflussreichen Fab Four hatte er schon längere Zeit solo und mit seinem Trio im Programm, bis dahin aber noch kein einziges davon auf Tonträger veröffentlicht. Auf einen Vorschlag seines Labels ließ er sich schließlich ein, beschloss aber, keine der bereits von ihm interpretierten Stücke, sondern eine Auswahl weniger bekannter Songs zusammenzustellen. Eine Ausnahme bildet lediglich David Bowies etwas schwermütig klingendes „Life On Mars?“, das Mehldau allerdings ein wenig aufrichtet und von dem er sagt, es sei …

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Poetische Jazzsongs mit Humor und Tiefe

Konzert. Um ein Haar wäre der großartige Auftritt von Sängerin Efrat Alony Covid zum Opfer gefallen.   Regensburg. Nach außen schrill, nach innen poetisch, träumerisch und oft alles andere als geradlinig. Efrat Alonys Songs beschäftigen sich auf vielfältige Weise mit Eindrücken und ihrer Sicht auf die Welt um sie herum und damit, wie sie sich darin spiegelt. Da kräuseln sich Gedanken, Ignoranz wird als Glücksgefühl erlebt und „der süße Duft der Luft nach einem Regenschauer“ erfüllt sie mit Hoffnung. Auf der Bühne, wie bei ihrem Konzert beim Jazzclub im Leeren Beutel, tritt die Sängerin und Komponistin extravagant gekleidet auf. Auf den ersten Blick wirkt sie damit ein wenig überkandidelt. Beginnt sie aber zu singen, rücken ihre blauen Schuhe mit den Haifischzähnen, die türkisfarbene Brille und der weite steife Rock, nach wenigen Momenten weit in den Hintergrund. Dann konzentriert man sich nur noch auf diese phänomenale Stimme, die im Laufe von zwei Stunden eine ganze Klangwelt zu erschaffen imstande ist. Das Ausdrucksspektrum, mit dem Alony das Publikum ein ums andere Mal fasziniert und begeistert, ist riesig. Sie singt hoch und dünn wie ein Mädchen, springt mühelos …

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Joe Fonda: „Zukunft gehört den Frauen“

Joe Fonda wurde neben Mary Halvorson und Oliver Lake als einer von fünf „musicians of the year“ 2023 in New Yorks City Jazz Records gewählt. Zwei seiner letztjährigen Alben sind als „recordings of the year“ gelistet und eines seiner Konzerte als Konzert des Jahres. Auch in Europa ist Fonda regelmäßiger Gast. Michael Scheiner hat ihn für die Jazzzeitung portraitiert. Joe Fonda ist ein Wanderer. Keiner im urdeutschen Sinn, der Wald und Wiesen kennt. Der in Amsterdam im amerikanischen Bundesstaat New York aufgewachsene Bassist ist ein Wanderer zwischen Welten – kulturellen, musikalischen, instrumentalen und gesellschaftlichen. Seit drei Jahrzehnten pendelt er mehrmals jährlich von den Vereinigten Staaten nach Europa, um hier Touren mit eigenen Bands und mit Musiker*innen zu spielen, deren Einladungen er folgt. In seiner Heimat USA ist er nur fünf Jahre länger on the road. Zunächst erhielt Klein-Joe Gitarreunterricht, bevor er auf Bass umstieg und Anfang der 1970er Jahre ein Studium an der Berklee School of Music absolvierte. Heute wechselt er zwischen dem E- und seinem geliebten Kontrabass. Gelegentlich spielt er auch noch Flöte und singt. Schon Anfang 2023 ein erfolgreiches Jahr Musikalisch bevorzugt der …

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