Improvisation über Improvisation #11

In ihrer Fähigkeit, Situationen in Sekundenbruchteilen zu erfassen, ihre Aktionen und Reaktionen entsprechend anzupassen und auch unter Druck richtige Entscheidungen für das Gelingen einer gemeinsamen Aufgabe treffen zu können, sind professionelle Jazzmusiker professionellen Fußballern nicht unähnlich. Es gilt als erwiesen, dass auch die körperliche Leistung von konzertierenden Profi-Musikern mit jener von Spitzensportlern verglichen werden kann. Beide arbeiten, so dämlich das klingt, in der entertainment industry und verschönern Menschen ihre Freizeit. Dennoch verdienen Profi-Jazzmusiker oft nicht im Jahr, was Fußballprofis in der Woche, an einem einzigen Tag oder gar in ein paar Stunden verdienen. Dass dem so ist, liegt an dem gewaltigen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung und Wertschätzung. Man stelle sich einmal vor, Jazzmusiker hätten den Arbeitsalltag von Fußballprofis. Fünf Tage pro Woche jeweils zwei Proben, plus ein bis zwei Konzerte unter der Woche und am Wochenende. Dazu individuelles Krafttraining („Üben“), Sponsorentermine und, wenn man es zum Jazz-Nationalspieler gebracht hat, einige internationale Auftritte mit teils sehr weiter Anreise. Verschiedene Wettbewerbe versprechen bei erfolgreicher Teilnahme Ruhm, mehr oder weniger üppige Preisgelder und eine stärkere Ausgangsposition für die nächsten Gagenverhandlungen. Klingt gar nicht so unähnlich? Stimmt. Ein …

Weiterlesen

International Škoda Allstar Band im November auf Tournee

Im Herbst wird die International Škoda Allstar Band, bestehend aus international renommierten Jazzmusikern aus verschiedenen Ländern, zum dreizehnten Mal auf Tournee durch Deutschland gehen. Die Musiker kennen sich untereinander schon seit vielen Jahren und haben in den unterschiedlichsten Besetzungen miteinander gearbeitet. In dieser Besetzung trafen sie sich zum ersten Mal beim internationalen Workshop des Jazzclubs Eurocore in Trier, der sie dreizehn Jahre als Dozententeam verpflichtet hat. Bei den alljährlichen Dozentenkonzerten in Trier entstand die Idee, mit dieser Band weitere Konzerte in Deutschland zu geben. So traten in den vergangenen Jahren die Musiker gemeinsam bei mehr als 90 Konzerten auf Festivals, Fernsehkonzerten und in Theatern, Philharmonien und auch mit dem Symphonie-Orchester der Stadt Trier beim europäischen Kulturstadt-Jahr 2007 in Luxemburg und Trier mit großem Erfolg auf. Mit Unterstützung des Kulturpartners Škoda Auto Deutschland wird die Band im November wieder Konzerte in Deutschland geben. Nach vielen renommierten Stars der internationalen Jazzszene wie John Taylor, Maria Pia DeVito, Ack van Rooyen, Sonnica Yepes, Rosani Reis und Charlie Mariano konnte für die Tournee im Jahre 2014 die Sängerin Norma Winstone als Gaststar gewonnen werden. Die Musik ist so vielfältig wie …

Weiterlesen

Spielstättenprogrammpreis 2014 vergeben

Für ihre herausragenden Livemusikprogramme wurden gestern am 17. September 2014 in Hamburg 31 Clubs und 27 Veranstaltungsreihen aus Deutschland von Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit dem Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop Jazz 2014 ausgezeichnet. Der bundesweite Preis wurde nach 2013 bereits zum zweiten Mal vergeben. In diesem Jahr gehen an die Spielstätten sowie Veranstalterinnen und Veranstalter insgesamt 900.000 Euro an Preisgeldern. Die Initiative Musik realisiert den Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz 2014 unter Einbeziehung der Bundeskonferenz Jazz und der LiveMusikKommission, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.  „Die kleinen und mittleren Livebühnen sind mit ihren ambitionierten und innovativen Programmen abseits des Mainstreams ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft“, erklärt Staatsministerin Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). „Sie bieten Kulturorte mit Atmosphäre, in denen Musikerinnen und Musiker ihr Publikum finden. Aus überzeugter Leidenschaft für die Sache gehen die Betreiberinnen und Betreiber dieser Clubs oft bis an die Grenze zur Selbstausbeutung. Der Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz soll die Arbeit dieser kulturellen ‚Ermöglicher‘, die oftmals ohne oder nur mit geringer öffentlicher Förderung für hochwertige Kulturerlebnisse sorgen, stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken.“  Die besonderen Auszeichnungen für die „Spielstätte …

Weiterlesen

Jazzimprovisation und computergestützte Musikanalyse: Internationaler „Jazzomat“-Forschungsworkshop in Weimar

Seit zwei Jahren erforscht eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Weimarer Musikwissenschaftsprofessor Martin Pfleiderer die Stilmerkmale von Jazzimprovisationen und die ihnen zugrunde liegenden kreativen Prozesse. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt nutzt hierfür statistische und computergestützte Analysemethoden. Zu einem international besetzten Workshop treffen sich nun am Freitag, 26. und Samstag, 27. September Experten aus Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Deutschland an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Das Thema des auf Englisch durchgeführten Workshops lautet „The Jazzomat Research Projekt: Issues, Applications and Perspectives for Computational Methods in Music Research“. In Weimar sollen erste Projektergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Außerdem erhofft sich die Projektgruppe von den eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler theoretischen und methodischen Input. Das „Jazzomat“-Projekt ist an der Schnittstelle zwischen Jazzforschung, Psychologie der Kreativität und statistischer Musikanalyse angesiedelt. Ein zentrales Ziel ist die möglichst exakte Beschreibung stilistischer Merkmale von Jazzimprovisation anhand von Jazzsoli verschiedener Künstler und Stile. Dabei helfen eine große Computer-Datenbank, die neue „Weimar Jazz Database“, sowie die neu entwickelte Analyse-Software „MeloSpySuite“, mit der sich auch andere Musikarten untersuchen lassen. Beim Workshop im Hochschulzentrum am Horn wird es im ersten Teil um Stilanalysen …

Weiterlesen

Das gibt’s nur einmal: das Birdland Neuburg

Jazzclubs gibt es einige in Deutschland, vor allem natürlich in den mittleren und den Großstädten. Warum ist einer der berühmtesten und angesehensten dann mitten in der bayerischen Provinz, im kleinen Barockstädtchen Neuburg an der Donau angesiedelt? – Alles begann bereits im Jahr 1958, als der spätere Gründer der Jazzwoche Burghausen, Helmut Viertel eine Ausbildung zum Gerichtsvollzieher in Neuburg machte. Er hatte interessante Jazzplatten, die damals noch schwer erhältlich waren und hörte sie zusammen mit Manfred Rehm. Aus Liebe zum Jazz gründeten sie den Club, der aber erst ab 1985 richtig auf Kurs gelangte. Viertel war inzwischen nach Burghausen versetzt worden, und Rehm veranstaltete in verschiedenen Gaststätten regelmäßig Konzerte. 1991 zog man in die jetzigen Räumlichkeiten, ein Kellergewölbe unter der Hofapotheke: ein Ambiente, das Seinesgleichen in Deutschland und Europa sucht. Sponsor Fritz von Philipp erklärt sich den Erfolg folgendermaßen: „Ich merk’s immer an der Reaktion der Musiker, die sind so etwas gar nicht mehr gewöhnt. Hier ist der Club super, das Publikum super und das Umfeld bestens. Die Gastronomie steht nicht im Vordergrund, nichts klappert, man kann sich auf die Musik konzentrieren. Das ist phantastisch.“ (Text …

Weiterlesen
Vadim Neselovsky (p) und Arkady Shilkloper (Horn). Foto: Hans Kumpf

Harmonie zwischen einem Russen und einem Ukrainer

Ende Juni nahm der Hornist Arkady Shilkloper (geboren 1956 in Moskau) mit dem Pianisten Vadim Neselovskyi (geboren 1977 in Odessa) in Ludwigsburg die erste gemeinsame CD auf. Das Eigenlabel der dortigen Bauer Studios wird die mit „Krai“ (Land) betitelte Scheibe Anfang Oktober auf den Markt bringen. Hans Kumpf sprach am 25. Juni mit den aus Russland und der Ukraine stammenden Musikern. Hans Kumpf: Arkady, 1980 habe ich Dich erstmals gehört, als Du im Orchestergraben vom Moskauer Bolschoi-Theater in der Oper „Boris Godunow” von Modest Mussorgski mit Deinem Waldhorn gespielt hast. Gesehen und gesprochen habe ich Dich dann Mitte der 80er Jahre bei der Jazz Jamboree in Warschau. Mittlerweile trafen wir uns bei vielen Festivals – und Du bist sogar nach Deutschland umgezogen. Wann? Arkady Shilkloper: 2003. Zunächst war ich in Wuppertal, seit November 2011 wohne ich in Berlin. Hans Kumpf: Wie oft bist Du noch in Russland? Arkady Shilkloper: Sehr oft! In den letzten beiden Jahren habe ich mehr Konzerte in Russland gehabt. Nicht nur In Moskau, sondern auch in Jekaterinburg, Irkutsk, Ufa, Omsk Nicht nur Jazz, sondern auch mit Kammerorchester. Aber ich hoffe mit …

Weiterlesen

Nolens volens politisch – auch Jazz & Co

In meinem letzten Eintrag habe ich ein paar Variationen über die Käuflichkeit der Jazzkritik publiziert. Die Angelegenheit hat weite Kreise gezogen. Unter anderem wurde nachgefragt, was denn das alles mit der Einladung zu einem Jazzfestival auf die Krim zu tun haben soll. Was denn diese tagespolitische Anspielung soll. Darauf will ich kurz eingehen ohne den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine selbst bewerten zu müssen. Aus der Ferne und der Nachrichtenlage heraus scheint das unmöglich. Nun: Kultur spielt auch in diesem Konflikt eine immer größere Rolle. So sind die Nachrichten, dass russische Beiträge (auch musikalischer Art) teilweise in der Ukraine ganz offen zensiert werden keine Neuigkeit. Wie es anders herum ist, ist mir leider nicht bekannt. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dies auch von der Gegenseite praktiziert wird, verwunderlich wäre es nicht. Eine Einladung zu einem Jazzfest auf der Krim, deren Zugehörigkeit strittig ist zwischen der Ukraine und Russland, ist natürlich ein Versuch, Fakten herzustellen. Das betrifft aber nicht nur Jazzkritiker, die dorthin eingeladen werden sollen, sondern auch Musiker, die dort spielen. In der Meldung wurde als deutsche Combo der Auftritt des „Club des …

Weiterlesen
Chris Barber erhält die German Jazz Trophy 2014 - a life for jazz in Stuttgart. Foto: Hans Kumpf

German Jazz Trophy 2014 an Chris Barber – Laudatio von Andreas Kolb

Der britische Posaunist und Bandleader Chris Barber wurde zum Abschluss des Festivals „Jazzopen“ in Stuttgart am 21. Juli mit der German Jazz Trophy 2014 der Stiftung Spardabank Baden-Württemberg, der Kulturgesellschaft Musik und Wort und der Jazzzeitung geehrt. Trotz eines gebrochenen Fußes war Barber im Rollstuhl und mit seiner 10-köpfigen Big Chris Barber Band nach Stuttgart gekommen, um im Event Center der Spardabank sein Publikum mit Swing, Blues und viel Power-Dixieland zu überwältigen. Vor dem Konzert übergaben Sparda-Vorstandsvorsitzender Martin Hettich und SWR-Moderator Markus Brock die von Otto Hajek gestaltete Trophäe an den ersten Posaunisten unter den inzwischen 14 Preisträgern seit 2001. Die German Jazz Trophy wurde bisher an den Altsaxophonisten Lee Konitz, die Pianisten Monty Alexander, Jacques Loussier, Paul Kuhn, Dick Hyman und Wolfgang Dauner, den Geiger Jean-Luc Ponty, die US-amerikanische Pianistin und Komponistin Carla Bley, den Trompeter Kenny Wheeler, den Mundharmonikaspieler Toots Thielemans, den Klarinettisten Hugo Strasser und den Big Bandleiter Erwin Lehn vergeben. Lesen Sie Ausschnitte aus der Laudatio von Andreas Kolb: „Ice Cream, schnelle Autos und Millionenhits“ Eigentlich ist Chris Barber Multiinstrumentalist: Er lernte zunächst Violine und Sopransaxophon. Später studierte er dann Posaune …

Weiterlesen

Jazz ist Begegnung – das 32. Südtirol Jazzfestival zwischen Coax-Kollektiv und Chick Corea

  Thank you Klaus – wenn Rapper Baba Israel sich während eines Open Air-Konzerts am Ufer des Talfer beim Festivalchef Klaus Widmann bedankt, dann hat das nichts Artiges an sich, sondern ist authentisch. Und wenn sich später Israel, Keyboarder Jason Lindner, Drummer Justin Tyson und Bassist Andreou Panagiotis beim Publikum mit einer 20-minütigen feurigen Tanzsession bedanken, dann ist auch das alles andere als Dienst nach Vorschrift. Nicht nur bei diesem exzellenten Auftritt der New Yorker Electro Groover wurde deutlich: Die kompromisslose Leidenschaft des Festivalmachers Klaus Widmann spiegelte sich stets auch in den Beiträgen und in der Verve der eingeladenen Künstler zum 32. Jazzfestival Südtirol Alto Adige. Wie schon in früheren Jahren galt es, Gefäße zu befüllen wie Jazz and the Mountains, Jazz and Arts, Jazz and Culture meets Economy, Jazz and Education, Jazz and Wine, Jazz meets Busoni oder Jazz Euregio mit Konzerten in Innsbruck und dem Trentino sowie Jazz meets Film. Hinter diesen Überschriften verbirgt sich nicht nur ein abwechslungsreiches und mit wenigen Ausnahmen fast immer qualitätsvolles Programm, sondern auch ein ausgeklügeltes Finanzierungs-, Sponsoring- und Organisationskonzept für ein Festival, dass sich eine Woche lang …

Weiterlesen

Bundeskonferenz Jazz legt Bericht zu Jazz in Deutschland vor

In einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, Siegmund Ehrmann, hat die Bundeskonferenz Jazz ihren „Bericht zur Situation des Jazz in Deutschland“ vorgelegt. Erstmalig war die Analyse 2004 auf Wunsch des Ausschusses erstellt worden. Die umfassend aktualisierte Ausgabe geht nun auf die Entwicklungen und Tendenzen des Jazz der letzten 10 Jahre bis heute ein. „Wir freuen uns, dass einige Vorschläge wie der Spielstättenprogrammpreis von damals mittlerweile verwirklicht werden konnten.“, so Felix Falk, einer der Sprecher der BK Jazz. „Jazz ist in Deutschland eine eigenständige und höchst lebendige Musikkultur. Deshalb bedarf es noch besserer Rahmenbedingungen, um diese Kunstform nachhaltig und systematisch zu stärken.“ Neben den in den einzelnen Kapiteln des Berichts genannten Zielen benennt die BK Jazz drei Kernziele: 1. soll der Aufgabenbereich der Initiative Musik als der zuständigen Fördereinrichtung durch eine Umstrukturierung erweitert werden, 2. wird die Verstärkung der Exportförderung innerhalb eines Gesamtkonzeptes vorgeschlagen, 3.  wird das Strukturentwicklungsprogramm JazzPlan Deutschland gefordert, um die Entwicklung des Jazz und seine Sichtbarkeit in der deutschen Kulturlandschaft wirksam zu verankern. „Der Bericht gibt uns Hinweise darauf, wie die kulturpolitische Arbeit für den …

Weiterlesen