Happy birthday Jazzclub Tonne Dresden

Von Mathias Bäumel. Das eigentliche Gründungsjubiläum des Jazzclubs Tonne – im März 2017 hätte der Dresdner Jazzclub seinen 40. Geburtstag feiern können – ging fast unbemerkt vorbei; die gesamte Dresdner Jazzszene stand wohl noch unter dem Eindruck der umjubelten Jazzparty anlässlich des Wiedereinzugs des Clubs in die tonnenförmige Gewölberäume des Kurländer Palais am 17. Oktober 2015. Nun aber steht bei der Tonne ein weiteres, wirklich feierwürdiges 40er Jubiläum an: Am 13. März 1981, also vor vierzig Jahren, fand in den Kellergewölben der Ruine des Kurländer Palais in Dresden erstmals ein öffentliches Jazzkonzert statt. Das war die Geburtsstunde der festen Spielstätte der damaligen IG Jazz Dresden, die somit zum ersten Jazzclub mit eigenen Konzerträumlichkeiten in der DDR wurde, nachdem sie bis dahin Konzerte in der Schauburg, im Rundkino oder im damaligen Studentenklub Spirale veranstaltet hatte. Die IG Jazz hatte sich 1979 für den Ausbau der erhalten gebliebenen Kellerräume des zerstörten Palais entschieden, sie in unzähligen Aufbaustunden hergerichtet und schließlich im März 1981 bezogen. Für ihr Konzertprogramm wurde die Tonne mehrfach ausgezeichnet: 2011 war sie einer der Preisträger des LEA Live Entertainment Award und erhielt zwischen 2013 und …

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Full Blast. Foto: Hufner

Peter Brötzmann 80 – eine Preiskonzert-Erinnerung

Peter Brötzmann wird am 6. März 2021 seinen 80. Geburtstag feiern. Dummerweise an einem Samstag, denn die Radio-Sendungen zu Peter Brötzmann sind dann schon am Donnerstag und Freitag gelaufen (siehe unten die Links mit Sendungen von Lippegaus, Noglik und Loewner). Samstag ist Badetag mit Bundesliga. Auch in Zeiten der Pandemie. Im Jahr 2011 hat Peter Brötzmann im zarten Alter von 70 Jahren den Albert-Mangelsdorff-Preis erhalten. Verliehen wurde er in der Berliner Akademie der Künste (West). Markus Müller sprach die Laudatio. Manfred Schoof und der mittlerweile verstorbene Frank Dostal überreichten ihm seinen Preis und das Preisgeld. Nele Hertling, damals Vizepräsidentin der Akademie der Künste erinnerte an die künstlerische Situation in den 60er und 70er Jahren. Martin Hufner berichtete exklusiv für die neue musikzeitung. Seine Beobachtungen mit der notorischen Urgesteins-Faselei wiederholen wir an dieser Stelle. Denn manch Einblick ist vielleicht doch tief genug. Unterwegs sein –Jazzmusiker Peter Brötzmann erhielt Albert-Mangelsdorff-Preis Er ist mittlerweile 70 Jahre und immer noch gilt er als ein, wenn nicht „das“ Urgestein des freien Jazz in Deutschland seit den 60er Jahren. Peter Brötzmann hat zur Eröffnung des Cage-Jahres und zugleich als Auftaktkonzertes des …

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Grand Gala du Disque populier in Kurhaus te Scheveningen Sarah Vaughan Koch, Eric / Anefo / Wikimedia Commons

Sarah Vaughan: Vaughan and Violins

Von Stefan Barme. Sarah Vaughan (1924–1990) bildet zusammen mit Billie Holiday und Ella Fitzgerald das bekannte Dreigestirn der größten Sängerinnen in der Geschichte des Jazz, wobei „Sassy“, die voller Bewunderung „die Göttliche“ („the Divine One“) genannt und mitunter auch als „schwarze Callas“ bezeichnet wird, eine Ausnahmestellung zukommt. Ihre Stimme umfasste drei Oktaven, vom Alt- bis in den höchsten Sopran-Bereich hinein. Drei Oktaven meisterte auch Ella Fitzgerald, doch Vaughans Gesang ist aufgrund ihrer unglaublichen Fähigkeiten in Bezug auf Modulation und Vibrato variabler als jener von Lady Ella. Joachim-Ernst Berendt führt hierzu in der von ihm verfassten „Jazzbibel“ aus: „Sarah Vaughan ist die erste Jazzsängerin mit einem Stimmumfang, der dem einer Opernsängerin nicht nachsteht. Ja, „Sassy“, wie sie genannt wurde, gebietet über eine stimmliche Flexibilität und einen Modulationsreichtum, mit denen verglichen mancher Koloratursopran blass wirkt. Sie kann gleißende Linien erfinden, die den gesamten Stimmumfang innerhalb von zwei Takten überbrücken. Jedes Vibrato, das sie singt, modelliert sie wie eine andere Skulptur. Ihr reicher, dunkler Kontra-Alt hat einen neuen Ton in den Jazzgesang gebracht. Emotional aufgeladen In der Fähigkeit, diesen Ton auf die vielfältigste Art und Weise zu verändern und …

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Universalist, Forscher, Musikant – Zum Tod des Jazzpianisten und Komponisten Chick Corea

[avatar]Ralf Dombrowski[/avatar] Chick Corea war ein Meister des Verspielten. Natürlich ist das eine Vereinfachung. Denn hört man seine Improvisationen mit dem analytischen Ohr oder vertieft sich in Notenblätter und Partituren seiner zahlreichen Kompositionen, wird die Leichtigkeit der Oberfläche schnell zu profunder Komplexität der Gestaltung. Aber darum ging es ihm nicht. Musik sollte zugänglich wirken, greifbar sein, ihm selbst, seinen Mitmusikern und dem Publikum Freude machen. Ein Medium, das die eigene Inspiration beflügelt und die Neugier befeuert. Kurz bevor er am 9. Februar 2021 in Tampa, Florida, an einem spät diagnostizierten, bösartigen Krebs starb, gab er der Welt noch eine über seine Website verbreitete Botschaft mit: „Ich danke allen auf meiner Reise, die geholfen haben, das Feuer der Musik am Lodern zu halten. Ich hoffe außerdem, dass alle, die eine Ahnung vom Spielen, Komponieren, Auftreten haben, das auch weiterhin machen, wenn schon nicht für sich selbst, so doch für alle anderen. Die Welt braucht nicht nur mehr Künstler, Musik macht einfach auch unglaublichen Spaß“. Und dieses Motto trieb ihn an, ein Leben lang. Schon in jungen Jahren hörte Armando Anthony, am 12.Juni 1941 in Chelsea, Massachusetts …

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Jazz-Juwelen: Stan Getzʼ Schwanengesang

Von Stefan Barme. Stan Getz ist einer der besten Jazz-Saxophonisten aller Zeiten und überhaupt einer der größten Jazz-Musiker weißer Hautfarbe, wobei seine musikalische Genialität möglicherweise in einem Zusammenhang mit den seelischen Leiden steht, die seit seiner Jugendzeit ein Teil von ihm waren. Dass Menschen mit künstlerisch-kreativen Ausnahmebegabungen oftmals zu Depressionen neigen und mitunter Verhaltensauffälligkeiten sowie psychische Störungen zeigen, ist hinlänglich bekannt. Man denke etwa an Hölderlin, Mozart, Schumann und Nietzsche. Stan Getz, der 1927 in Philadelphia als Sohn ukrainisch-jüdischer Immigranten geboren wurde und seine Kindheit in der New Yorker Bronx verbrachte, nahm schon mit 16 Jahren, als er zum ersten Mal Mitglied einer Band war, jeden Abend so große Mengen an Alkohol zu sich, dass er sich an der Grenze zur Bewusstlosigkeit befand, im Alter von 18 kam dann Heroin dazu, das er neun Jahre lang exzessiv konsumierte, danach kehrte er wieder zum Alkohol zurück; die Drogen brauchte er, um seine Angst vor dem Publikum und dem eigenen Versagen zu besiegen oder doch zumindest erheblich zu verringern (Getz hatte einen starken Hang zum Perfektionismus und war übermäßig selbstkritisch). Die dunkle Seite Unter dem Einfluss der …

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Karlheinz Drechsel (2013). Foto: Hufner

Rundfunkjournalist Karlheinz Drechsel ist tot

Im Alter von 89 Jahren starb am 5. Oktober der am 14. November 1930 in Dresden geborene Musikjournalist und Jazzmusiker Karlheinz Drechsel in einem Berliner Krankenhaus infolge einer Covid-19-Erkrankung.  Der als Dr. Jazz bekannte Drechsel moderierte von 1959 bis 1991 die Sendung Jazz Panorama und war einer der Gründungsväter des Dixielandfestivals in Dresden.

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Bunte Socken und ganz viel Überjazz: Das Horst Hansen Trio auf der münsterländischen Kolvenburg

Die Intellektuellen unter uns strapazieren gerne das Modewort vom „Narrativ“. Dahinter verbirgt sich der uralte Wunsch, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Dass man damit jedes Publikum für sich gewinnt, demonstriert das „Horst Hansen Trio“ seit nunmehr fast zehn Jahren – und bot eine Neuauflage seiner Kunst auf einer malerischen Wiese hinter der münsterländischen Kolvenburg. Die musikalischen Farben im „Horst Hansen Trio“ sind derweil so bunt wie die Socken der fünf…. Sie fühlen sich von einem alten Krefelder Jazz-Urgestein und Tanzmusiker namens Horst Hansen inspiriert, den sie auf ihrem neuen Album auch in raren O-Ton-Dokumenten zu Wort kommen lassen. Bei allem schrägen Humor ist dies ein warmherziges Statement fürs Lokalkolorit beim Jazzklub Krefeld, der für die musikalische Sozialisation prägend war. „Live in Japan“ heißt das neue Album hochtrabend – wurde aber in der Abgeschiedenheit einer Schweizer Berghütte  aufgenommen. Die ironische Überspitzung einschlägiger Hype-Attribute gehört zur künstlerischen Erzählung dieser Musiker ohne Schuhe. Und deren Lügengeschichten auch immer etwas charmant „ehrliches“ anhaftet… Alleinstellungsmerkmale Genug zum schrägen Überbau, denn auch die Musik bietet genug Alleinstellungsmerkmale auf: Es lebt eine tiefe gemeinsame Bandchemie, die sich beständig weiter entwickelt und live …

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Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele nimmt Matthias Kaul ein Bad. Foto: Heiland
Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele nimmt Matthias Kaul ein Bad. Foto: Heiland

Schlagzeuger Matthias Kaul gestorben

Matthias Kaul ist tot. Matthias Kaul, (Schlagzeuger und Komponist) begann seinen musikalischen Weg sehr jung als extrem aktiver Hörer, wobei die Umgebung in der er aufwuchs, maßgeblich für seinen gesamten kompositorischen Weg war. Seit seinem 17. Lebensjahr trommelt er, studierte später klassisches Schlagzeug, und noch später begann er zu komponieren. Sein Kompositionsunterricht bestand daraus, dass er viele hundert Werke anderer Komponisten zur Uraufführung brachte. Seit Ende seines Studiums arbeitet er entschieden als „freelanced musician“. Matthias Kaul starb vor drei Tagen. In seinen Antworten auf die 11 Fragen der nmz: Welche Musik soll zu Ihrer Beerdigung erklingen? Es reicht, bei meiner Beerdigung einige Mikrofone in die Höhe zu halten, sodass die Umweltklänge in der Lautstärke leicht angehoben werden. In Erinnerung an den Musiker verweisen wir auf einen Konzertbericht von Andreas Kolb aus dem Jahr 2002. Schlagzeuger Matthias Kaul nimmt ein elektrisches Klangbad im Cuvilliés-Theater Brotzeit und Champagnerflaschen, Wolldecken und Abendkleider: bei „Oper für alle“ verwandelte sich der Max Joseph Platz wieder einmal in ein Open-Air-Kino der besonderen Art. Händels „Cäsar in Ägypten“ wurde live aus dem Nationaltheater via Groß-Videoleinwand übertragen. Doch nicht nur bei diesem Event drängelte …

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Lee Konitz. Fotos: Thomas J. Krebs

Dialoge und Rhapsodien – ein Nachruf auf Lee Konitz

Der am 13. Oktober 1927 in Chicago geborene Altsaxophonist Lee Konitz zählte zu den Erfindern und Virtuosen des sogenannten Cool Jazz. Mit seinem linearen Spiel prägte er Musiker wie Paul Desmond, Bill Evans, Hans Koller, Albert Mangelsdorff und schließlich sogar Avantgardisten wie Anthony Braxton. Im Andenken an den gestern in Greenwich Village im Alter von 92 Jahren verstorbenen Künstler veröffentlicht die JazzZeitung eine Laudatio auf Lee Konitz, die Andreas Kolb am 11. Juli 2013 anlässlich der Verleihung der German Jazz Trophy 2013 in  Stuttgart hielt. Fotos: Thomas J. Krebs Dialoge und Rhapsodien „Als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte“, sagte Johann Wolfgang Goethe über das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach. Von der Musik als Klangrede sprach der Dirigent Nikolaus Harnoncourt als er in den 80ern einen neuen Zugang zur Alten Musik suchte. Im Sektor des Jazz führte unser heutige Gast und Preisträger Lee Konitz mit die spannendsten und aufregendsten Musik-Diskurse – und das über sieben Jahrzehnte hinweg. Zu den wunderbarsten musikalischen Konversationen, die ich kenne, zählen die Duos von Lee Konitz mit „Gesprächspartnern“ wie Joe Henderson, Elvin Jones, Eddie Gomez, Karl …

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