Ein Festival, das lange nachglitzert

Egal ob Archie Shepp im Teatro del Giglio in Lucca in den 80ern, Johannes Faber und Freunde im Münchner Theater am Gärtnerplatz in den 90ern oder das neue Jazzfestival „Sparks & Visions“ im Regensburger Stadttheater heute: Jazzmusik im Ambiente eines klassizistischen Theaters ist und bleibt etwas Besonderes. Das beginnt damit, dass sich die Musiker in einem anderen Setting wiederfinden als gewohnt. Das geht weiter mit guten akustischen Verhältnissen – und lässt man den Blick vom Parkett in die Ränge schweifen, findet man ein anderes Publikum vor, als man es vom Jazzclub her kennt.

Erkannt und vorgemacht hat das in Regensburg bereits der Jazzclub mit seiner Reihe Jazz im Theater. Bei „Sparks & Visions“ kam noch einmal ein ganz besonderes Festival-Flair hinzu. Von München bis Münster – teilweise von weit her war das Publikum angereist und traf sich drei Tage als verschworene Gemeinde in Regensburgs Kultur-Schmuckstück.

Kulturpolitisch ist es der Festivalmacherin Anastasia Wolkenstein gelungen, mit den Partnern Theater Regensburg, Regensburg Tourismus und dem Regensburger Kulturreferat in die verregnete oder bestenfalls verschneite Saure-Gurken-Zeit der Welterbestadt neues Glitzern und Attraktivität zu bringen. Sie schaffte es, mit einem programmatischen Mix aus brandneuen Produktionen wie dem Septett der Pianistin Julia Hülsmann sowie mit Klassikern des Genres wie Andreas Schaerers Quartett „Anomaly“ ein Programm zu formen, das Jazzkenner*innen genauso gefallen konnte wie am Jazz nur Schnuppernden. Dafür sorgten exquisite Künstler aus 12 Ländern und eine Stilmischung von Modern Jazz, über Folk und Klassik bis hin zu brachialem Rockjazz.

„Sparks & Visions“ – auch Musik für die Augen

Installation „Lovers Dance“: Karl Iaro. Foto: Susanne van Loon

Auf die üblichen (Festival-)Logos als Bühnenhintergrund hatte man verzichtet und überließ die Gestaltung des Bühnenbilds dem Regensburger Lichtkünstler Karl Iaro. Der hatte Calder-ähnlich raumfüllende Mobiles aufgehängt, die in Verbindung mit den Farbwechseln des Lichts immer wieder neue Reflexionen auf die rückwärtige Bühne zauberten. Ganz musikalisch nennt Iaro seine Installationen, die jeweils aus mehreren Mobiles und Lichtquellen bestehen, „Lovers Dance“. Das mit speziellen Glasscheiben besetzte Mobile teilte das Lichtspektrum, sodass einander komplimentierende Farben entstanden. Leiseste Luftbewegungen versetzten das Mobile in sanfte Bewegung.

Nicht nur, dass aus Zuhörerinnen dadurch auch Zuseherinnen wurden: Ein Improvisator wie Andreas Schaerer etwa bezog die Lichtkunst in seine Klangkunst mit ein, nutzte sie als grafische Notation seiner Vokalisen und versetzte sie am Ende gar in echten Discomodus.

„Sparks & Visions“, Tag 3

Im Gegensatz zu den Abenden zuvor, war der dritte Abend drei Klassikern gewidmet. Alle präsentierten Projekte sind schon einige Jahre unterwegs. Das Konzert lebte demnach weniger von der Novität als von der aktuellen Darbietung.

Seit über drei Jahren reisen Veronika Harcsa, Gesang, Anastasia Razvalyaeva, Harfe, und Márton Fenyvesi, Live Electronics und Gitarre, mit einem Debussy-Programm durch die Konzerthallen Europas. Claude Debussy, der in seiner Orchestermusik zu großem Farbenreichtum und feinstgewobener Opulenz neigte, schuf mit seinen 43 Liedern eine einzigartige Sammlung von Miniaturen für Stimme und Klavier. Gut 150 Jahre nach ihrer Entstehung arrangiert das ungarische Trio einige seiner Lieder neu und verpasst ihnen mittels elektronischer Verstärkung und Klangerzeugung ein Blow-up, das nicht jeden Debussy-Liebhaber ansprechen kann. Ganz anders das Jazzpublikum, das – längst gewohnt an eine erweiterte Harmonik à la Debussy – die mit viel Hall und Sounds versehenen Lieder durchaus goutierte. Impressionismus ins Hightech-Zeitalter reloaded: Harcsa setzte die Texte von Verlaine und anderen in ein neues, quasi künstliches Licht – ganz im Einklang mit den zarten Mobiles von Iaro.

Durchaus bodenständiger agierte Pianist Benjamin Lackner mit seinem Quartett: Auf die super-präzisen, immer kontrolliert getrommelten Moves und Fills eines Manu Katché konnten der norwegische Trompeter Mathias Eick und der wie Katché aus Frankreich stammende Bassist Jérôme Regard ihre Farben und Linien setzen – Lackner hielt die Fäden vom Flügel aus zusammen.

Ein fulminanter Abschluss

Den Höhepunkt des Abends und gleichzeitig das Finalkonzert des Festivals gestalteten Andreas Schaerer, Luciano Biondini, Kalle Kalima und Lucas Niggli mit ihrem bewährten Programm „A Novel of Anomaly“. Wie Lackners Quartett, waren sie erstmals bei einer Studioaufnahme aufeinander getroffen: Lackner beim Label ECM, Schaerer bei ACT. Es hatte gefunkt und zwar über die Studiokabinen hinaus. Beide Quartette sind in der Lage, ihre Musik live mit faszinierender Bühnenpräsenz zu spielen. So nahm es nicht Wunder, dass es Schaerer bei seinem Regensburg-Ausflug in die phantastische Welt der menschlichen Stimme gelang, das Theater in echte Party-Stimmung zu bringen. Mit ihrer sehr persönlich geprägten Kunst brannten vier große Solisten ein musikalisches Feuerwerk ab, das noch lange nachglitzert.

Hier geht’s zum Bericht von den Festivaltagen 1 und 2 mit Kit Downes’ Trio „Enemy“, Linda Fredriksson, und Julia Hülsmanns „Heaven Steps to Seven“ sowie Kamaal Williams, Elina Duni und Luca Kézdy.

Beitragsfoto: Susanne van Loon

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