Bedeutungsvoll und empathisch: Lucia Cadotsch und AKI im Dortmunder domicil

Text und Fotos: Stefan Pieper. Lucia Cadotsch, in Berlin lebende Schweizer Sängerin und Komponistin mit einer rätselhaften Art von Empathie und Emotion, betörte das Publikum im Dortmunder domicil. Ihre Songs, voller Mystik und Melancholie, entführen in eine Welt voller Metaphern. AKI Der energetischen Interaktion mit ihrer Band AKI tut so etwa keinen Abbruch – im Gegenteil! Aki, so heißt auch Lucia Cadotschs zehntes Album, ist ein „non-binärer“ Name – in Finnland heißen Jungen so, in Japan ist er für Mädchen gebräuchlich. Diese Art von Doppeldeutigkeit ist Programm für Lucia Cadotsch – eben weil strikte Zuordnungen nicht ihre Sache sind – egal wo. Anstelle von Kit Downs, der auf dem Album die Tasten bedient, macht im domicil : Jozef Dumoulin  seine Sache genauso engagiert. Leif Berger hat am Schlagzeug Platz genommen – auf wie viel explosives Temperament man sich in den folgenden 75 Minuten einlassen konnte, hat wohl mancher zu Beginn des Live-Sets noch nicht erahnt. Als fantasievolles Bindeglied – und damit auch als weitere starke Inspirationsquelle für Lucia Cadotsch – waltet Bassist Phil Donkin. Tiefste Tiefe Cadotsch singt ihre Songs, die aus tiefster Tiefe oder …

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Chorleiter und Bühnenderwisch: Jacob Collier beim Tollwood-Festival in München

Jacob Collier passt in die Zeit. Er wirkt wie die künstlerische Verkörperung einer Ära der Optionen. Der junge Brite rennt auf die Bühne des Tollwood Musikzelts, sprintet zu den Instrumenten und wechselt sie oft und präzise choreografiert. Er spielt eine Handvoll davon ziemlich gut, vor allem Klavier und Bass, außerdem Gitarre und Percussion, flankiert und sekundiert von einer hervorragend stilflexiblen Band. Er packt viel in die zwei Stunden Konzert, Funk und jazzgetönten Soul, dunkle Club-Beats und helle Latin-Passagen, Freddie-Mercury-Pathos und Singer-Songwriter-Intimität. Die Rasanz der Opulenz erinnert strukturell ein wenig an Kulturtechniken, die die Mobiltelefonie in die Welt gebracht hat, das Wischen vom einen zum anderen, geklammert über die Plattform, die die Vielfalt zur Verfügung stellt. Magische Zusammenklänge Ein wesentlicher Unterschied ist aber, dass Collier nicht nur vom Publikum etwas will, sondern ihm auch viel zurückgibt. Zu den magischen Momenten des Abends gehören neben hinreißend privaten Songs wie „The Sun Is in Your Eyes“ die Passagen, wo sich der hyperaktive Bühnenderwisch in einen brillant intuitiven Chorleiter verwandelt, der die Menschen im Zelt zu einer Stimme zurückführt, von der sie wahrscheinlich gar nicht wussten, dass sie sie …

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Internationale Jazzwoche Burghausen

52. Internationale Jazzwoche Burghausen

Zwar konnte sich die Jazzwoche Burghausen aus dem letztjährigen Corona-Tal mit 20 % mehr Besuchern wieder herausarbeiten, aber ein neues Konzept, das auch jüngere Besucher zu einem Festival mit rundum interessantem Jazz-Programm anlockt, ist noch nicht gefunden. Es gibt anscheinend keinen Nachfolger für Joe Viera mit Überblick über die längst breitere weltweite Szene, der das Festival in eine sichere Zukunft führt. Das 50 Jahre alte Konzept mit den allseits anerkannten Stars des Jazz, die ein großes Publikum magnetisch anziehen, funktioniert  so heute nicht mehr, schon weil es diese Stars nicht mehr gibt. Attraktiv war Burghausen wieder dort, wo es Neues wagte: beim Finale des 13. Europäischen  Nachwuchs-Jazzpreises und dem abschließenden Konzert „Next in Jazz“, beide im intimeren Stadtsaal. Mit dem Landes-Jugend-Jazzorchester unter der bewährten Leitung von Harald Rüschenbaum präsentierte sich dort eine frische Bigband, samt achtköpfigem Vokal-Ensemble. Die LJJB überzeugte unter anderem mit „Ocean Eleven“ von Trio Elf, das sie ihrem 2021 verstorbenen Klavier-Coach Walter Lang widmete. „Wir hatten was mit Björn“ nennen die Posaunistin Maria Trautmann und die Vokalistin und Gitaristin Maika Küster ihr Quartett, mit denen sie sich stark von Jazz beeinflusstem Singer-Songwriting …

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Shuteen Erdenabaatar Quartett in Puchheim . Pianistin Shuteen Erdenebaatar, Saxophonist Anton Mangold, Bassist Nils Kugelmann und Schalgzeuger

Das Shuteen Erdenebaatar Quartett live in Puchheim

Vor den Toren Münchens, im Puchheimer Kulturcentrum PUC, gastierte die Komponistin und Pianistin Shuteen Erdenebaatar mit ihrem Quartett und stellte ihr aktuelles Programm vor. Mit von der Partie waren Nils Kugelmann am Bass, der Schlagzeuger Valentin Renner und Saxophonist Anton Mangold.  Shuteen Erdenebaatar, wurde 1998 in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar geboren, lebt seit 2018 in München und war von Beginn an fest mit der lokalen Jazzszene verwurzelt. Nach einem Doppelmasterstudium in Jazzklavier und Jazzkomposition an der Hochschule für Musik und Theater sowie einem weiterbildenden Zertifikatsstudium Meisterklasse wurde sie im Jahr 2021 mit dem Kurt Maas Jazzpreis ausgezeichnet, letztes Jahr mit dem renommierten BMW Young Artist Jazz Award, dem Publikumspreis des Münchner Jazzpreises und dem Biberacher Jazz-Kompositionspreis. Beeindruckend daran ist, was sie mit ihrem Talent anstellt: Neben ihrem Quartett ist sie Teil des Lightville Duos und Dirigentin ihres neu gegründeten 20-köpfigen, genreübergreifenden Chamber Jazz Orchestra in München. Bei ihrem musikalischen Schaffen stehen ausdrucksstarke Kompositionen im Vordergrund, mit tiefgründigen Harmonien und wundervollen Melodien, die ihren Mitstreiter*innen viel Raum für Improvisationen geben. Restlos begeistertes Publikum Dementsprechend überzeugte das Shuteen Erdenebaatar Quartett im Puchheimer Kulturcentrum PUC von der ersten …

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Dunkle Andacht im spirituellen Raum: Bohren und der Club of Gore bei urban urtyp in der Bochumer Christuskirche

(von Stefan Pieper) „Bohren und der Club of Gore” wurden schon mit allerhand Attributen beschrieben – eines davon lautet immerhin „Horror-Jazz” –, die aber alle irgendwie in ein schwarzes Loch hinein laufen, wo ein Mysterium mit magischer Anziehungskraft übrig bleibt: Langsam ist die Musik, manchmal sogar noch langsamer. Oder sogar extrem langsam. Das gibt Raum. Und zwar für den Raum. In dem viele hundert versunken lauschender Menschen in Bochums Christuskirche, diesem freigeistigen Kulturort, zu Teilnehmenden werden. Nach fünfjähriger Abstinenz legten sie im Jahr 2020 ein überzeugendes Comeback hin – zuerst mit ihrem neuen, cineastisch reichhaltigen, aber zuverlässig düsteren Album „Patchouli Blue” und nun auch mit einer internationalen Live-Tournee. (Am 26. Mai geben sie sich in Augsburg die Ehre…) Schwere Klangflächen füllen ein Metrum, das so langsam wie Glockenschläge um Mitternacht dahin wandelt. Jeder Harmoniewechsel ist ein Ereignis für sich, weil eben in so weiträumige Taktung gesetzt. Keine heile Welt und bloß nichts in Dur – das ist Balsam für die Seelen der vielen meist dunkel gekleideten „Karnevalsflüchtlinge” an diesem Rosenmontag, an dem der Auftritt stattfindet. Alles entfaltet durch die radikale Minimierung von Licht und Tempo …

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Ein Festival, das lange nachglitzert

Egal ob Archie Shepp im Teatro del Giglio in Lucca in den 80ern, Johannes Faber und Freunde im Münchner Theater am Gärtnerplatz in den 90ern oder das neue Jazzfestival „Sparks & Visions“ im Regensburger Stadttheater heute: Jazzmusik im Ambiente eines klassizistischen Theaters ist und bleibt etwas Besonderes. Das beginnt damit, dass sich die Musiker in einem anderen Setting wiederfinden als gewohnt. Das geht weiter mit guten akustischen Verhältnissen – und lässt man den Blick vom Parkett in die Ränge schweifen, findet man ein anderes Publikum vor, als man es vom Jazzclub her kennt. Erkannt und vorgemacht hat das in Regensburg bereits der Jazzclub mit seiner Reihe Jazz im Theater. Bei „Sparks & Visions“ kam noch einmal ein ganz besonderes Festival-Flair hinzu. Von München bis Münster – teilweise von weit her war das Publikum angereist und traf sich drei Tage als verschworene Gemeinde in Regensburgs Kultur-Schmuckstück. Kulturpolitisch ist es der Festivalmacherin Anastasia Wolkenstein gelungen, mit den Partnern Theater Regensburg, Regensburg Tourismus und dem Regensburger Kulturreferat in die verregnete oder bestenfalls verschneite Saure-Gurken-Zeit der Welterbestadt neues Glitzern und Attraktivität zu bringen. Sie schaffte es, mit einem programmatischen …

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Jazz im Radio. Foto/Montage: Hufner

Die reduzierte erweiterte Jazz-Radiowoche vom 17.10. bis 23.10.2022

Ein kleiner Blick in die Radiowoche 42. Die Übersicht zum Download als PDF. Alle Angaben ohne Gewähr. Ergänzt mit den tollen Sendungen zur Neuen Musik von BR-KLASSIK und Ö1. Wichtig: Petition zum Erhalt des österreichischen Musiklebens – Einladung zum Dialog. Alle wichtigen Informationen zum Thema. Inhalt Senderliste: 1 mo – 17.10.2022. 2 di – 18.10.2022. 2 mi – 19.10.2022. 3 do – 20.10.2022. 3 fr – 21.10.2022. 5 sa – 22.10.2022. 6 so – 23.10.2022. 7 Senderliste: ORF – Ö1 Deutschlandfunk – „Fakten und mehr“ Deutschlandfunk-Kultur – „Das Feuilleton im Radio“ ndr Kultur – Hören und genießen radio bremen – Neugier lohnt sich. rbb-kultur – DEINE OHREN WERDEN AUGEN MACHEN. mdr-kultur – Das Radio. wdr3 – Das Kulturradio hr2-kultur – Das Kulturradio für Hessen. sr2 Kulturradio – … gut zu hören. swr2 – Kultur neu entdecken BR-KLASSIK – Klassikstars geben auf BR-KLASSIK den Ton an. Attraktive Magazine bringen Interviews und Neuigkeiten aus dem Musikleben. Bayern 2 – Preisgekröntes Radio für Hörer, die mehr wissen wollen mo – 17.10.2022 19:30:00 | Ö1 Richard Bona & Alfredo Rodriguez Trio bei den INNtönen 2022 Am 23. Juli 2022 …

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Jazz im Radio. Foto/Montage: Hufner

Die Jazz-Radiowoche vom 07.03.22–13.03.2022

Ein kleiner Blick in die Radiowoche 10. Die Übersicht zum Download als PDF. Alle Angaben ohne Gewähr. Andere tolle Sendungen im Radio finden Sie in der Radiowoche im Bad Blog Of Musick. mo – 07.03.2022 17:50 bis 18:00 | SWR 2 SWR2 Jazz vor sechs 19:30:00 | Ö1 On stage: Amarcord im November 2021 im Wiener RadioKulturhaus Mit kammermusikalischen Bearbeitungen der Werke u. a. von Modest Mussorgski, Gustav Mahler und Erik Satie ist das Wiener Quartett Amarcord in den Jahren seit der Gründung anno 2000 bekannt geworden. Wobei Stilreinheit nicht Sache der vier Musiker ist, die auch gerne in Richtung Jazz, Pop, Tango und Volksmusik crossovern und mit Gitarrist Wolfgang Muthspiel ebenso zusammen gearbeitet haben wie mit den Sängerinnen Rebekka Bakken und Elisabeth Kulman. Am 5. November 2021 gab Amarcord im Großen Sendesaal des Wiener RadioKulturhauses das Programm „Das Leopoldstädter Testament“ zum Besten, mit Bearbeitungen von Werken Ludwig van Beethovens sowie stilentgrenzten Liedern -mit und ohne Stimme -und groovigen Instrumentalstücken des in Wien -Leopoldstadt beheimateten Komponisten Marcus Davy. Zudem standen Kompositionen von Georg Breinschmid und Amarcord-Violinist Sebastian Gürtler auf dem Programm. Die seit der Gründung …

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Mosaic Records präsentiert: Lennie Tristano Personal Recordings 1946 – 1970

Das 1982 in Stamford von Michael Cuscuna & Charles Lourie gegründete Jazzlabel MOSAIC Records hat sich auf Wiederveröffentlichungen vergriffener Aufnahmen, zum Teil verschollenen (unvergessen die Benedetti Charlie Parker Aufnahmen) oder bis dato unveröffentlichtem Material spezialisiert. Da die Rechte der Aufnahmen in der Regel bei anderen Labels liegen, ist die Auflage der Zusammenstellungen sowohl zeitlich als auch von der Stückzahl her limitiert. Die 272. (!) MOSAIC Veröffentlichung entstand zum ersten Mal in Kooperation mit dem Label DOT TIME und präsentiert auf sechs CDs „Personal Recordings“ von Lennie Tristano, die in der Zeit von 1946-1970 entstanden sind. Voran gestellt sei, dass die vorliegenden Aufnahmen, abgesehen von der musikalisch historischen Bedeutung, eher etwas für Tristano Fans/Kenner sind, als für Einsteiger. Bei dem Material handelt es sich, bis auf zwei Stücke aus der Carnegie Hall 1949 mit Lee Konitz & Warne Marsh, um komplett unveröffentlichtes Material aus seinem Privatarchiv, das Tristano in verschiedenen Besetzungen Solo, im Duo, Trio oder Sextett eingespielt hat. Tochter Carol Tristano, die sich mit ihrem Bruder Bud Tristano um das musikalische Erbe ihres Vaters kümmert, hat zusammen mit Jerry Roche von DOT TIME, sowie dem …

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Jazz im Radio. Foto/Montage: Hufner

Die Jazz-Radiowoche vom 10.01.22–16.01.2022

Ein kleiner Blick in die Radiowoche 2. Die Übersicht zum Download als PDF. Alle Angaben ohne Gewähr. Andere tolle Sendungen im Radio finden Sie in der Radiowoche im Bad Blog Of Musick. mo – 10.01.2022 17:50 bis 18:00 | SWR 2 SWR2 Jazz vor sechs 19:30:00 | Ö1 Tolgahan Çogulu & Sinan Ayyildiz beim Jazzfestival Leibnitz 2021 Ein türkisches Saiten-Duo bescherte dem Jazzfestival Leibnitz am 30. September letzten Jahres im imposanten Weinkeller von Schloss Seggau gleich zur Eröffnung einen überraschenden Höhepunkt: Tolgahan Çogulu an der mikrotonalen Gitarre und Sinan Ayyildiz an der Doppelhals-Saz, der eine in Istanbul, der andere in Ankara lehrend, intonierten im Rahmen ihrer Österreich-Premiere traditionelle Lieder armenischer, kurdischer, aserbaidschanischer und türkischer Herkunft -und eröffneten dabei einen faszinierenden Kosmos mikrotonaler Intervallik, der zugleich traditionell und modern anmutete. Virtuos bearbeitete Ayyildiz die Saz mittels Tapping-Technik, während Çogulu seiner „adjustable microtonal guitar“ zusätzliche Saiten hinzugefügt hatte, um das Instrument wechselnden Modi, abgeleitet von klassischer osmanischer wie auch von traditioneller anatolischer Musik, anzupassen. Auch Kompositionen der aserbaidschanischen Jazzpianistin Aziza Mustafa Zadeh und des jung verstorbenen irischen Fingerstyle-Gitarristen Eric Roche sowie Musik von Johann Sebastian Bach verleibten …

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