Elina Duni. Foto: JM Koch

„Sparks & Visions“ – internationales Jazz-Festival im Theater Regensburg

Das meteorologisch meist trübe und tendenziell eher konzertarme Januar-Ende mit jazzigem Funkenflug und visionären Formationen aufpeppen: Mit dieser guten Idee hat es Managerin und Bookerin Anastasia Wolkenstein geschafft, Sponsoren und Kooperationspartner in Regensburg zu gewinnen und ein hochkarätiges Wochenendfestival auf die Beine zu stellen. „Sparks & Visions“ bot an drei Abenden je drei gut einstündige Konzerte im gediegenen Ambiente des klassizistischen Theaters.

Dass das atmosphärisch bestens aufging, dafür sorgte nicht nur der gute Sound, sondern auch ein wunderbares „Bühnenbild“: Der Künstler Karl Iaro hatte einige Mobiles aufgehängt, die in Verbindung mit den Farbwechseln des Lichts immer wieder neue Reflexionen auf eine rückwärtige Leinwand zauberten. Dass die kunstvolle, inspirierende Klarheit dieser Installation am zweiten Abend zeitweise durch Bühnennebel verunstaltet wurde, war dann allerdings ein grober Missgriff.

„Sparks & Visions“, Tag 1

Die Dreierprogramme folgten einer klaren, jeweils von Vokaljazz eröffneten Steigerungsdramaturgie. Dem ursprünglich für ein Konzert beim Bundespräsidenten zusammengestellten Septett „Heaven Steps to Seven“ rund um die Pianistin Julia Hülsmann merkte man am Eröffnungsabend den Projektcharakter ein wenig an. Von den drei Sängerinnen profilierte sich vor allem Lisa Bassenge mit bewährter Wandlungsfähigkeit, die ambitioniertesten Nummern waren die Gedichtvertonungen mit Mia Knop Jacobsen, am reizvollsten waren die dreistimmigen Passagen mit Aline Frazao. Der explosive Einfallsreichtum von Drummerin Eva Klesse kam leider nur selten wirklich zum Tragen, auch Stephan Brauns Cello ging im Kollektivsound tendenziell unter und überzeugte klanglich nur im Zusammenhang mit Verfremdungseffekten Richtung Bläser- oder E-Gitarren-Sound.

Erheblich runder und intensiver wurde es dann mit dem Quartett der finnischen Saxophonistin Linda Fredriksson. Von schlichten, durchaus melodiösen Strukturen ausgehend steigerte sie sich ganz selbstverständlich in zunehmend freiere, aufgeraute Gefilde. Vor allem ihr Sound am Baritonsaxophon ging einem im besten Sinne durch Mark und Bein. Energetisch aufgeladen wurde das im Hintergrund von Pianist Tuomo Prättälä, der auch pluckernde Analog-Synthie-Elemente einstreute, Bassist Mikael Saastamoinen und Schlagzeuger Olavi Louhivuori.

Welches Ausmaß an mitreißender Komplexität Jazz heute bieten kann, brachte dann zum Abschluss des ersten Abends Kit Downes’ Trio „Enemy“ auf den Punkt. Was Downes an Piano und Hammondorgel, Frans Petter Eldh am Bass und James Maddren am Schlagzeug da so treiben, spottet jeder Beschreibung. Als seien sie im Besitz von Jorge Luis Borges’ „Aleph“, so scheint jeder der Drei sich an jedem möglichen Punkt des harmonischen, melodischen, vor allem aber rhythmischen Universums gleichzeitig zu befinden. Das Paradoxe dabei: In diesem Netz permanenter Desorientierung scheint doch alles an seinem rechten Platz zu sein. Man versteht nichts und doch macht alles Sinn. Umwerfend.

„Sparks & Visions“, Tag 2

Im Gegensatz zum sympathischen Auftritt dieser drei Giganten umwehte den finalen Haupt-Act des samstäglichen Programms mehr als ein Hauch von Herablassung. Keyboarder Henry Wu alias Kamaal Williams machte keinen Hehl daraus, nicht die geringste Ahnung zu haben, in welcher Stadt er da gerade gelandet war. Nach knapp 45 Minuten meinte er mit seinem Trio schon genug gespielt zu haben. Diese dreiviertel Stunde hatte es allerdings in sich: Wie sich über seinen flächigen Piano-Akkorden und wuchtigen Fender-Rhodes-Attacken kernige, aber brillant binnendifferenzierte Funk- und Hip-Hop-Grooves entwickelten, war atemberaubend. Drummer Samuel Laviso sorgte mit knallharten Toms und knarzigen Becken für rhythmische Substanz statt unverbindlicher Dance-Beats, Jay Phelps’ Trompete legte sich geschmeidig darüber. Die gönnerhaft servierte Zugabe entpuppte sich dann allerdings mehr oder weniger als Replik der Eröffnungsnummer.

Trotzdem war das der abschließende Höhepunkt des Abends, den die stimmlich exquisite, multilinguale Elina Duni (Hauptbild oben) eröffnet hatte. Für die herzerwärmenden, das Sentimentale nicht scheuenden Lieder aus ihrer albanischen Heimat, aus der Schweiz oder aus Frankreich rollten der angemessen zurückhaltende Perkussionist Corrie Dick und der äußerst sensible Gitarrist Rob Luft den roten Teppich aus. Für seine Soli hätte dieser allerdings einen echten Kontrabass statt der von der Sängerin bereitgestellten, rudimentären Synthie-Bass-Linien verdient gehabt.

Eine instrumental beeindruckende, von der musikalischen Substanz her aber eher bescheidene Violin-Show lieferte die ungarische Geigerin Luca Kézdy mit ihrem Trio Santa Diver ab. Über jazzrockigem Untergrund (David Szesztay, E-Bass, David Szegő, Schlagzeug) machte sie mit stupender Bogen- und Doppelgrifftechnik Staunen, am interessantesten klang das Ganze allerdings, wenn sie ihr Instrument, mit entsprechenden Effekten aufgepeppt, wie eine E-Gitarre zupfte.

Die Stimmung im gut besetzten Theater war an den beiden Abenden durchweg euphorisch. Gemessen am überregionalen, in Sachen Presse gar internationalen Interesse hat Anastasia Wolkenstein offensichtlich ins Schwarze getroffen. Wenn sich jetzt noch herumspricht, dass es auch günstige Studententickets gegeben hätte (statt 65 Euro pro Abend oder 158 Euro fürs ganze Wochenende), sind nächstes Jahr vielleicht auch ein paar jüngere Gesichter im Publikum zu sehen.

Ein Bericht vom Festivaltag 3 mit Veronica Harcsa, dem Benjamin Lackner Quartett und Andy Schaerers „A Noverl of Anomaly“ folgt morgen.

 

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