Schillernde Schönheit afrikanischer Melodien: Zum Tod von Manu Dibango

Manu Dibango ist der erste prominente Künstler, der an den Folgen einer Coronarvirus-Infektion gestorben ist: Mitte März war die Erkrankung des Künstlers an COVID-19 bekannt geworden, am 24. März starb der 1933 in Douala, Kamerun geborene Jazz-Saxofonist und Komponist im Alter von 86 Jahren an den Folgen der Infektion in seiner Wahlheimat Paris.

Manu Dibango. Foto: Thomas J. Krebs

Manu Dibango, Sohn eines Gutsbesitzers und einer Modedesignerin, kam 1949 mit 15 Jahren nach Frankreich. Dort sollte er das Abitur machen und einen seriösen Beruf erlernen. Kamerun war damals noch französische Kolonie, die Unabhängigkeit als Republik erhielt das Land erst 1960. In einem Interview mit dem BR Klassik-Redakteur Uli Habersetzer erzählte Dibango: „Eltern in Kamerun brachten damals Opfer, damit sie ihre Kinder nach Europa schicken konnten, um zu studieren – um Arzt oder Anwalt zu werden, also angesehene Berufe zu erlernen.“ Der Beruf Musiker zählte allerdings nicht dazu, Manu Dibangos Vater hatte bestenfalls zu Kirchenmusik einen Bezug: „Solange darin ein Halleluja vorkam, kein Problem. Aber ohne Halleluja wurde es schwierig. Ich hatte es nicht so mit dem Halleluja. Andere afrikanische Kinder kehrten mit bedeutenden Studienabschlüssen zurück, und ich – machte Musik. Das gab Probleme.“

Als Dibango 1956 begonnen hatte, professionell mit dem Saxophon in den Nachtclubs von Reims aufzutreten, verlor sein Vater die Geduld und strich ihm die finanziellen Zuwendungen. Es dauerte eine Zeit bis Manu Dibango sich musikalisch durchsetzte, doch mit unermüdlicher Energie etablierte er in den Pariser Clubs seinen groovenden Afro-Jazz-Stil, eine Mischung aus traditionellen kamerunischen Makossa-Rhythmen und westlichem Bebop, später auch Funk. In den Sechzigerjahren arbeitete Dibango dann mit dem Bandleader und Sänger Joseph Kabasélé zusammen und wurde schließlich von Stars wie Dick Rivers und Nino Ferrer engagiert.

Der Song „Soul Makossa“ kam 1972 heraus und machte ihn auf einen Schlag weltbekannt. „Soul Makossa“ wurde zu einem der einflussreichsten Stücke der Afro-Jazz-Geschichte. Spuren des Mokassa-Grooves finden sich unter anderem im „Jungle Boogie“ von Kool & The Gang. Mehrfach beschuldigte Dibango Stars wie Michael Jackson und Rihanna, sich an „Soul Makossa“ bedient zu haben – die signifikante Zeile „Mama-say, mama-sa, ma-ma-ko-ssa“ kam prominent in Jacksons Hit „Wanna Be Startin‘ Something“ vom „Thriller“-Album (1982) vor. Die Künstler einigten sich damals auf einen Vergleich.

Bis zuletzt war Manu Dibango das Energiebündel mit dem Saxophon in der Hand. Dieses Image lässt die Tatsache in den Hintergrund treten, dass Dibango auch als Komponist erfolgreich war und als Sänger, Vibraphonist und Pianist auf der Bühne stand. Was die Essenz seiner Musik ausmacht, ist am schönsten auf der Langspielplatte „Mélodies africaine“ Vol. 2 zur hören, für das er als Pianist populäre Lieder des afrikanischen Kontinents für Klavier solo sowie für Duo respektive Trio mit dem Gitarristen Vincent Nguini und dem Bassisten Michel Alibo neu arrangiert hat.

Dieses Album „Mélodies africaines“ widmete er 1984 der „NOBRA“, einem Zusammenschluss afrikanischer Brauereien, als Dank für das Sponsoring afrikanischer Sportler und Künstler. Auch das Ausdruck einer in den 80er-Jahren neu erwachten Identität als Künstler afrikanischer Herkunft.

Es ist sicher übertrieben, Dibangos Liederalbum als kulturellen Botschafter aller 54 afrikanischen Nationen zu sehen. Dennoch sind diese Lieder afrikanischer als vieles andere von Dibango. Obwohl ein veritabler Sänger mit wuchtiger Bassstimme, verzichtet er hier ganz auf Text und Gesang und macht aus den sieben Songs von Francis Bebey, Franklin Boukaka, Dikoto Mandengue, Pie Claude Ngumu, Bill Loko, Michot Dhin und Victor Olaifo authentische Klaviermusik – Lieder ohne Worte für den imaginären „Salon africain“.

Tänzerisch, polyrhythmisch vertrackt, kontrapunktisch, hymnisch-homophon – in zahlreich variierten Wiederholungen klingt beinahe jedes Lied so, als ob die Sonne aufgehen würde. Wer den Löwen von Afrika mal ganz intim kennenlernen möchte, der kann dies hier tun.

Andreas Kolb / Titelbild: Thomas J. Krebs

„Mélodies africaines“, 1984

Das Album auf dem Label Afrovision ist derzeit ausschließlich als MP3 Download erhältlich.

 

 

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