Thomas Quasthoff – Nice’n’Easy: Futter für entspannte Stunden

Man muss seine großartige Winterreise von Schubert nicht unbedingt kennen, um seine Riesenstimme und Fähigkeiten Gefühle auszuloten zu schätzen. Vor sechs Jahren, als der Sänger mit dem superben Bassbariton angekündigt hatte, sich von klassischen Konzertbetrieb zurückzuziehen, war die Betroffenheit groß. Danach war Thomas Quasthoff zwar weiterhin live zu erleben, allerdings nurmehr als Schauspieler und Kabarettist, wo er sein humoristisches Talent ausleben konnte, und als Jazzsänger. Im Unterschied zu anderen klassischen Sängern, die in ein fachfremdes Genre hineinschmecken, um ein größeres Publikum oder zusätzliche Quellen zu erschließen, stand bei dem heute 58-Jährigen der Jazz am Anfang seiner beispiellosen Karriere. Angetriggert von seinem Bruder, „habe ich immer Jazz gesungen. Es war durchweg Teil meines musikalischen Lebens“, sagt Quasthoff selbst.

Nach acht langen Jahren hat Thomas Quasthoff vergangenes Jahr ein neues Jazzalbum aufgenommen. Gestern wurde das nach Frank Sinatras gleichnamigen Album von 1960 betitelte „Nice`n´Easy“ veröffentlicht. Nach diversen Platten mit kleinen Bands ist es Quasthoffs erste Produktion mit einer Bigband. Für den Berliner, der an der Hanns-Eisler-Musikhochschule auch Gesang unterrichtet, ist damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Knapp ein Dutzend Jazzstandards und Musicalklassiker hat er mit der fantastischen NDR Bigband und seinen eigenen langjährigen musikalischen Begleitern Dieter Ilg am Bass, Wolfgang Haffner, Schlagzeug, und Pianist Frank Chastenier aufgenommen. Inhaltlich aus dem Rahmen fällt John Lennons anarchistischer Popsong „Imagine“. Zwar ist die Friedenshymne längst auch zum Klassiker avanciert und wird von Jazzmusikern interpretiert. Gegenüber den meist leichten und sentimentalen Musicalliedern und Swingsongs aber kommt der mit Klavier und Streichern geradezu feierlich arrangierte Song mit einer gewissen Schwere daher.

Leicht und umspielt von einem musikalischen Lächeln auf der Bassklarinette der Opener „Nice`n´Easy“, von Jörg Achim Keller weniger üppig als bei Sinatra, mit einer feinen jazzigen Noblesse arrangiert. Keller hat die meisten Stücke, wie den Torch-Song „Cry Me A River“ von Arthur Hamilton, Hoagy Carmichaels berühmtes „Stardust“ und den Dauerbrenner „Body and Soul“ für Quasthoffs Stimme arrangiert. Zudem hat er die musikalische Leitung fürs gesamte Projekt inne. In der melancholischen Ballade „Body and Soul“ wird Quasthoffs samtweiche Interpretation von einem anschmiegsamen Trompetensolo von Till Brönner weitergesponnen. Als Gastmusiker hat der Viersener einen weiteren Auftritt mit gestopfter Trompete im selig-heiteren Cotton-Club-Song „I`ve Got the World on a String“. Ausgefallenes oder gar avantgardistische Ideen kann von dem Künstler mit der sonoren Stimme niemand erwarten. Was er liefert sind berührende und heitere Interpretationen großer Songs, Evergreens, denen er mit seinem ausdrucksstarken, farbenreichen Organ, das inzwischen im Bass gelandet ist, Tiefe, Verletzlichkeit, aber auch feine Ironie und eine schelmische Attitüde verleiht. Bestes Futter für entspannte Stunden.

Text: Michael Scheiner

Infos: Thomas Quasthoff, Nice`n´Easy mit der NDR Bigband, ca. 18,99 Euro (CD), LP und Streaming Formate, OKeh / Sony Music

Live: 23. Mai  Weimar, 10. Juni Frankfurt/M., 18. Juni Graz und 3. Juli beim Jazzfest Wien

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