Bodor und Mezei – ein Improvisationsmusiker aus der Vojvodina mit einer Hommage an archaische Volkslieder

Wem in Deutschland ist der Name Anikó Bodor ein Begriff? Bestenfalls nur Volksmusik-Forschern und Musikhistorikern. Für ihre Heimatregion, die Vojvodina im Norden der Republik Serbien, jedoch hat die 2010 verstorbene Musikwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin Großes, ja Unverzichtbares geleistet. Ihre Arbeit wird durch mehr als ein halbes Hundert Studien, wichtige Artikel und volksmusikalische Veröffentlichungen – Bücher, Noten, Schallplatten – belegt. Der wohl bedeutendste Teil ihres Werkes ist die auf fünf Bände konzipierte Reihe »Ungarische Volkslieder der Vojvodina«, von denen bisher vier Bände, davon die ersten drei zu Bodors Lebzeiten, veröffentlicht wurden. Daneben gibt es noch ein Buch mit Liedern aus dem Dorf Bácskertes (auch: Kupuszina), dessen Bevölkerung noch heute zu knapp achtzig Prozent ungarisch ist; das Dorf liegt im Nordwesten der Vojvodina, an der serbisch-kroatischen Grenze in unmittelbarer Donaunähe. Der Wert von Anikó Bodors Arbeit ist nicht hoch genug einzuschätzen; ihr Verdienst besteht im Sammeln, Erkennen, Systematisieren und Bewahren der Volksmusikkultur aus der Bácska, dem Banát und Syrmiens – der heutigen Vojvodina. Sie gründete das Südungarische Musikarchiv und prägte dessen wissenschaftlichen Forschungen. Damit leistete sie einen wesentlichen Beitrag zum Erkennen des kulturellen Reichtums nicht nur ihrer Heimat, …

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Musik eines Genies – neu interpretiert 

Ein Quintett aus München lässt die Musik des Bebop-Saxofonisten Charlie Parker beim Jazzclub Regensburg wieder aufleben.   Regensburg. Er war ein Genie. Ein tragisches sagen viele, ein „natürliches Genie“, wie es einmal Gigi Gryce, Mitglied der Jazz Messengers und Altsaxofonist wie sein Freund Charlie Parker, über diesen ausdrückte. Der Einfluss, den der bereits mit 34 Jahren verstorbene Saxofonist auf die – weitere – Entwicklung des Jazz hatte und noch immer hat, ist immens. Heuer wäre Charlie Parker, „Bird“ wie er von seinen Kollegen genannt wurde, hundert Jahre alt geworden. Da kommt das Bandprojekt von Geiger Jörg Widmoser und Klarinettist Stephan Holstein, „The music of Charlie Parker“, gerade richtig. Die beiden Münchner haben ein ganzes Album mit Kompositionen des Meisters und Mit-Erfinders des Bebop im Quintett aufgenommen. In einem gut besuchten Konzert stellten sie es beim Jazzclub Regensburg mit Thomas Stabenow am Bass, dem fränkischen Pianisten Bernhard Pichl und dem Augsburger Schlagzeuger Walter Bittner im Leeren Beutel vor. Aufgenommen und veröffentlicht haben die beiden das gleichnamige Album bereits vor zwei Jahren, „da haben wir überhaupt nicht daran gedacht, dass Parkers Jubiläumsgeburtstag ansteht“, rückt Holstein die zeitliche Koinzidenz …

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Klangreiche Sounds voller Poesie: das Or Bareket Quartet aus New York beim Jazzclub Regensburg

Erstaunt erlebt ein unbekanntes israelisch-amerikanisches Jazzquartett wie es beim Debüt in Regensburg gefeiert wird. Es war ein seltenes Phänomen, welches bei Veranstaltern und Musikern gleichermaßen die Mundwinkel weit nach oben gehen ließ und Freude auslöste. Das Konzert des wenig bekannten Or Bareket Quartet aus New York beim Jazzclub Regensburg im Leeren Beutel war auf Anhieb so gut besucht, dass ein schwitzender und mammelnder Jazzclubmann mehrfach Stühle heranschleppen und anbauen musste. Trotzdem mußten noch einige Besucher, welche die ungünstige Sicht von der Seite scheuten, mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Wie sich am Ende des zweistündigen Auftritts zeigte, waren sie damit keineswegs unzufrieden. Der stürmische Applaus, den die vier Musiker für ihr virtuoses Spiel wie für die zugängliche und zugleich farbige Musik erhielten, ging von allen aus. Zuvor hatte das Quartett, darunter die verwiegend verhalten trommelnde Schlagzeugerin Savannah Harris, bei der Zugabe noch einmal richtig aufgedreht, das Tempo angezogen.  Mit einer spritzigen battle zwischen dem sonst eher stoischen Gitarristen Charles Altura und dem wendigen, erfindungsreichen Pianisten Nitai Hershkovits bekam das Publikum noch einmal einen kräftigen Adrenalinschub für den Nachhauseweg. Auf der Europatour, an deren Schluss das Regensburg-Debüt stand, …

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Wie man Opener bei der jazzopen-Stuttgart werden kann

Das Festival jazzopen in Stuttgart hat sein Programm bekanntgegeben und mit dem Vorverkauf begonnen. Bevor hier mehr über die Künstler der Festivalausgabe 2020 gesagt wird, ein Hinweis auf eine Bewerbungsfrist: Der vom Land Baden-Württemberg unterstützte Bandnachwuchs-Wettbewerb „playground BW“ wird auch in diesem Jahr ausgelobt. Einsendeschluss ist der 31. März, die nötigen Unterlagen finden sich im Service-Bereich unter www.jazzopen.com. Die von einer Jury unter Vorsitz von Musikprofessor Mini Schulz ausgewählten Bands erhalten die Möglichkeit, als Vorprogramm der großen Stars auf einer der Festivalbühnen aufzutreten. Im Kontext des Stuttgarter Festivals sind sie nicht wegzudenken,  die großen Stars, die  traditionell auf der großen Bühne auf dem Schlossplatz auftreten. Dieses Jahr kommen nach Stuttgart: Sting (19.7.), Lenny Kravitz (15.7.), Van Morrison und Yusuf / Cat Stevens (16.7.), John Legend und Jessie J (17.7.), Jamie Cullum (18.7.) mit seinem siebten Stuttgarter Auftritt in Folge sowie Corinne Bailey Rae (18.7.) In der wunderbaren Akustik des Arkadenhofs im Alten Schloss stehen die folgenden Künstler für das „echte“ Jazzerlebnis: Nils Frahm (9.7.), Pink Martini und Be Ignacio (10.7.), David Sanborn und Lisa Simone (11.7.), Herbie Hancock (13.7.) und der Fusion-Abend mit Stanley Clarke …

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Nicotheo gastieren im Birdland Neuburg

Text und Foto: Karl Leitner. Immer wieder bietet der Birdland Jazzclub in Neuburg neben internationalen Größen auch einheimischen Jazzmusikern ein Forum. Diesmal ist das Quintett Nicotheo zu Gast. Die Band passt deswegen in die dort bereits seit Jahren etablierte Reihe „Jazz aus der Region“, weil Gitarrist Simon Schneid seine Kindheit in der Stadt an der Donau verbracht hat. Mittlerweile studiert er zwar an der Musikhochschule für Musik in Würzburg und unterhält dort seit 2018 zusammen mit Nico Theodossiadis (Alt- und Sopransaxofon, Querflöte), Jan Peter Itze (Klavier), Hannes Stegmeier (Bass) und Konrad Patzig (Schlagzeug) eine eigene Band, hat im Birdland aber natürlich trotzdem quasi ein Heimspiel. Wenn fünf Musiker sich treffen, kommt keiner ohne Hintergrund zum ersten Meeting. In diesem Fall sind es Rock, Pop, Modern Jazz, Funk, Soul, Klassik und griechische Folklore. Es kommt einiges zusammen, was da unter einen Hut zu bringen ist, will man für eine Formation eine musikalische Sprache finden. Der Prozess, einen gemeinsamen Nenner zu finden, kann im Falle Nicotheo nach so kurzer Zeit naturgemäß noch nicht abgeschlossen sein, stattdessen ist der Weg das Ziel. Auf diesem Weg als Zuhörer ein …

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+++News:+++Jazz & Talk-Konzert am 2. Dezember im Gasteig ist Nat King Cole gewidmet+++Januar Highlights im Stuttgarter Jazzclub BIX+++

+++Unforgettable+++ Nat King Cole gilt als einer der größten Entertainer, Sänger und Pianisten des Jazz – in diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden. Das nächste Jazz & Talk-Konzert am 2. Dezember im Gasteig ist ihm gewidmet. Eintritt frei Denkt man an Nat King Cole, fällt einem zuerst der gefühlvolle Sänger mit der samtenen Stimme und der Interpret schöner Songs wie „Mona Lisa“ und „When I fall in love“ ein. Doch Nat King Cole war auch als Pianist stilbildend und darüber hinaus ein Trendsetter seiner Zeit. Mit seinem Nat King Cole Trio war er bereits Ende der 1930er Jahre so etwas wie die Blaupause des später so populären Formats des Piano Trios. Ikonen des Jazzpianos wie George Shearing, Oscar Peterson oder Errol Garner nennen ihn ein prägendes Vorbild. Worin liegt Coles Bedeutung für den Jazz und warum wird er gerade unter Musikern so verehrt? Dieser Frage gehen die Jazzmusiker und Professoren Andreas Kissenbeck und Michael Keul gemeinsam mit Studierenden des Jazz Instituts der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) bei der nächsten Ausgabe von „Jazz & Talk“ nach. Am 2. Dezember um 19 …

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Ein befreiter, heißer Atem: Jaimie Branch beim Krefelder Jazzherbst

Text und Fotos von Stefan Pieper. Es zahlt sich immer aus, früh voraus zu blicken – vor allem, um bei der Programmplanung weitsichtiges Gespür für neue Trends zu entfalten: In dieser Hinsicht landete Florian Funke vom Jazzclub Krefeld einen Volltreffer: Er war auf die rebellische US-Trompeterin Jaimie Branch schon aufmerksam geworden, bevor sie mit ihrem Erfolg in Europa regelrecht durch die Decke ging. Mittlerweile widmen sich auch etablierte Tageszeitungen, bei denen Jazz sonst allerhöchstens als Randnote vorkommt, dieser Frau, die schon zum Phänomen auserkoren wird. So viele Vorschusslorbeeren funktionieren: Das Glasfoyer des Krefelder Theaters, in dem dieser Höhepunkt des Krefelder Jazzherbstes stattfindet, ist bis auf den letzte Platz gefüllt. Vergessen wir allen Hype und alle Hysterie und besinnen uns aufs Hier und Jetzt! Diese Forderung scheint in Jaimies Branches Aufforderung, erstmal gemeinsam durchzuatmen, mitzuschwingen. Ebenso ist ihr das Herunterdimmen des Bühnenlichts ein Anliegen. Denn was Jaimie Branch danach musikalisch und inhaltlich zu sagen hat, soll zu einer geteilten Erfahrung werden, für die es Konzentration braucht. Seidenweich schimmernde Trompetentöne Verheißungsvoll stimmt eine afrikanische Mbira mit einer pentatnonischen Struktur auf das kommende ein. In diesen schleicht sich seidenweich …

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3 aus 34: 7. Junger Münchner Jazzpreis 2019 mit grandiosem Konzertfinale

Der 7. Junge Münchner Jazzpreis 2019 wurde nach einem grandiosen Konzertfinale im Jazzclub Unterfahrt ohne weitere Begründung verliehen. Gewinner des 1. Preises, dotiert mit 2500 €, ist das SH4iKH Quartett aus Mainz. Die Formation des aus Frankfurt stammenden Alt- und Sopran-Saxophonisten Maximilian Shaikh-Yousef mit Lukas Moriz am Piano, Bastian Weinig am Bass und Leopold Ebert am Schlagzeug überzeugte die Zuhörer und wohl auch die Jury mit durchdachten und überraschenden Kompositionen, im modernen Jazz verwurzelt und mit einer Prise arabischer Musik gewürzt. Der mit 2000 € dotierte zweite Preis ging nach Berlin an das Quartett LELÉKA. Die so charmante wie mitreißende und kraftvolle ukrainische Sängerin Viktoria Leléka brachte mit Thomas Kolarczyk, der sich am Bass den Solistenpreis erspielte, Povel Widestrand (Piano) und Jakob Hegner (Drums) in ihrer Muttersprache gesungene ukrainisch Volkslieder überzeugen in Jazzform. 1500 € gingen an das JMJ Trio Jonas Mielke (Bass), Mikolaj Suchanek (Piano) und Jannik Kerkhof (Drums) aus Dresden, dessen ebenfalls in der modernen Jazztradition stehenden Komposition etwas weniger überraschend und ausgefeilt waren als die der Sieger. Nicht nur musikalisch war der Wettbewerb, der von mucjazz, dem Münchner Verein zur Förderung von Jazz …

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Ein Werwolf tanzt den Rap

Im Jazzclub Leerer Beutel in Regensburg bekommt die portugiesische Sängerin Maria João im Duo mit João Farinha frenetischen Applaus.           Singen? Klar, singen kann sie auch, die Portugiesin mit der Mehroktavenstimme – und wie! Was sie aber sonst noch alles mit ihrer Stimme, der Zunge, den Lippen und mit dem Mundraum macht, geht – um es mit einem vertrauten Bild zu beschreiben – auf keine Kuhhaut. Maria João gurrt, schreit, gurgelt, sie piepst und kickst, lässt die Stimmbänder flattern und fügt alles zu einer vibrierenden Klangcollage, einem rauschhaften musikalischen Erlebnis allerersten Güte zusammen. Nach Jahren der Absenz erlebten die Besucher des Jazzclubs im gut gefüllten Leeren Beutel die Vokalkünstlerin mit Kompositionen und Stücken aus ihren letzten beiden Alben.  „Plastico“ ist in Quintettbesetzung mit Ogre entstanden und von Joãos Begleiter, dem Komponisten João Farinha am Flügel, diversen Keyboards und Synthesizern für das intimere Duo neu und schlüssig arrangiert worden. Häufig spielt der Sound eine wesentlich stärkere Rolle, als herkömmliche musikalische Parameter. Eektronische Grooves ersetzen Schlagzeug und teilweise Bass, während Farinha die stimmlichen Eskapaden Maria Joãos klangmalerisch unterstreicht, kontrastiert oder auch mal herausfordert. Wechselt er bei ruhigeren, …

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Brian Auger feat. Liliana de los Reyes spielte im Berli-Theater in Hürth.

Brian Auger ist eine lebende Legende. Im stolzen Alter von 80 Jahren geht der Brite, der viel jünger aussieht, als er ist, immer noch mit seinem Bandprojekt «Oblivion Express» auf Tour und ist ständig als musikalischer Botschafter des Jazz-Rocks unterwegs. Selten kommt er dabei aber seinen Fans so nahe wie am 1. Oktober, als er vor restlos ausverkauftem Haus im Hürther Berli-Theater zu Gast war – und das gleich im mehrfachen Sinn, denn der Jazzclub Hürth bot in Kooperation mit dem Berli nicht nur ein Konzert, sondern einen ganzen Brian-Auger-Abend mit Dokumentation und Publikumsgespräch. Dokumentation und Publikumsgespräch Zum Auftakt zeigte das nostalgische Berli-Kino, das technisch auf aktuellstem Stand ist, den von Michael Maschke produzierten Film «Brian Auger – Life on Tour». Aus der Perspektive des Regisseurs, der Brian Auger seit vier Jahrzehnten persönlich kennt, begleitete das Publikum den legendären Hammond-Organisten auf seinen Tournee-Reisen: Von der Arena di Verona, wo er mit Zucchero 2018 spielte, bis hin zu Auftritten in kleineren Sälen in Städten wie Pforzheim oder Ellwangen. Anhand von historischen Filmdokumenten führte Maschke die Zuschauer auch zurück in die umtriebigen Sechzigerjahre, als Auger mit Musikern …

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