Inspiriert vom Inuit-Klang

Jazzkonzert. Das junge österreichisch-bayerische Quartett Tiktaalik überrascht bei Preisträger-Tour durch Clubs mit eigenen Stücken.

Von Michael Scheiner

 

Regensburg. Gibt man bei einer Suchmaschine den Begriff Tiktaalik ein und schaut sich die gesammelten Bilder an, findet man Fische. Keinen gewöhnlichen „großen Süßwasserfisch“, wie der Name aus der Sprache der Inuit übersetzt lautet, sondern einen ausgestorbenen Fleischflosser, der sich an Land robbt. Das wird sich vermutlich ändern, wenn Fotos von Liveauftritten des nach diesem fossilen Tier benannten Quartetts aus Österreich nach und nach das Netz fluten.

Clemens Rofner. Foto: Michael Scheiner

Die vier jungen Musiker aus Österreich waren kürzlich auf einer Tour durch Bayern. Dabei gaben sie auch beim Jazzclub im Leeren Beutel ihre musikalische Visitenkarte ab. Vergangenes Jahr hatte die Band in der letzten Runde eines Wettbewerbs gegen drei andere Jazzgruppen bei der Jury die Nase vorn und holte sich den LAG-Jazzpreis. Der undotierte Preis ist bei Nachwuchsmusikern und jungen Bands durchaus begehrt, weil damit eine Clubtour verbunden ist. Die verhilft jetzt dem 2015 von Saxofonist Oliver Marec gegründeten Quartett zu einer größeren Bekanntheit. Der Alt- und Sopransaxofonist ist in Bayern aufgewachsen, daher war die Teilnahme am Wettbewerb möglich. Nach Stationen beim Landes-Jugendjazzorchester Bayern hat Marec in Wien an der renommierten MusikUndKunst-Privatuniversität (MUK ) der Stadt Wien studiert, wo er auch seine Mitspieler kennengelernt hat. Abgeschlossen hat der auch als Komponist und Arrangeur tätige Musiker an der Musikhochschule Nürnberg, wo er bei Steffen Schorn studierte.

Marec fühlte sich „vom lautmalerischen Klang inspiriert“, wie er in seiner Moderation am Ende des Jazzclub-Konzertes die kreative Namensfindung Tiktaalik begründet. Im Übergang vom Wasser- zum Landlebewesen verkörpere sich der Grundgedanke der Evolution, der auch seine Musik in dem Sinn präge, „dass auf der Suche nach neuen melodischen und rhythmischen Ideen und Wegen kein Stillstand herrschen“ könne. Tatsächlich verbinden sich in der Musik Marecs traditionelle und moderne Jazzelemente, wie rasanter Swing und ungerade Rhythmen, normativer vier Viertel und andere Taktarten, vorwärtsstürmende Aggressivität und zurückgenommene Balladen. Seine Musik habe „a bissel von allem“, beschrieb der 26-jährige Frontmann sein kompositorisches Schaffen. Selbiges liegt inzwischen als Debüt-Album der Band bei Ats-Records vor. Daraus stellte das Quartett mehrere Nummern mit teils zungenbrecherischen Titeln wie „Pogonophile“ und „Chronostasis“ vor. In den Titeln spiegelt sich ein wenig auch von der Komplexität und intellektuellen Durchtriebenheit wider, welche die Musik zu einer ebenso spannenden wie herausfordernden Angelegenheit macht. War dem untadeligen Zusammenspiel der Vier anfänglich noch eine gewisse Steifheit anzumerken, agierten sie im zweiten Teil nach der Pause spürbar gelöster und freier. Das zeigte sich sowohl in der mitreißenden emotionalen Gestaltung improvisierter Solobeiträge, meist von Marec oder Pianist Luca Zambito, als auch bei auskomponierten Teilen und Motiven. Gegenüber einigen Stücken Marecs mit vertrackten harmonischen Wendungen und rhythmischen Wechseln, versprühten Kompositionen des in München geborenen Pianisten, der noch in Wien studiert, wie „All Around“ oder „Less Time“ von Anfang an mehr Wärme. Mit einem Touch beinahe religiöser Stimmung wirkten sie zugänglicher und – wie dem seinem Vater gewidmeten „Voltano“ – versöhnlicher.

Simon Springer. Foto: Michael Scheiner

Im Zusammenspiel, wie bei Soli legten alle eine Topp Performance hin. Es war eine Lust den Musikern zu folgen, nachdem sie die anfängliche Befangenheit abgelegt hatten. Erinnerten Marecs Legatospiel und seine weiche, runde Tonbildung manchmal ein wenig an Cannonball Adderley, blitzen bei dem höchst präzisen und in jeder Stimmung anpassungswilligen Schlagzeuger Simon Springer hie und da Spuren von Latinsounds auf. So glasklar und hart dessen Straight-ahead-Spiel oft in schnellen, energiegeladenen Stücekn klingt, weicht es bei Balladen auf zu herzerfrischenden Wärme. Als Mann im Hintergrund fügt Clemens Rofner dem manchmal noch etwas verkopften Bandsound eine farbige Stimme in weiten, schönen bögen am Kontrabass hinzu. am Kontrabass hinzu .

Info: Im April 2018 wurde tiktaalik mit dem 1. Preis des Jazz-Wettbewerbs des bayerischen Jazzverbandes ausgezeichnet. Beworben hatte sich das Quartett um den gebürtigen Freisinger Oliver Marec mit seinem gleichnamigen Debütalbum, das im Dezember 2017 erschienen ist (ATS-Records.at). Auf dem Cover ist das stilisierte Skelett eines Knochenfisches abgebildet. Die Bandinfos auf der Website sind leider noch etwas spärlich: tiktaalik-music.com/on-tour/

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