Konzertkritik: das Elliot Galvin Trio im Leeren Beutel

Eine gehörige Portion Enthusiasmus und künstlerischer Ehrgeiz. Abgesehen von Musikalität und technischer Brillanz, sind das die Eigenschaften die das britische Elliot Galvin Trio nach Regensburg geführt haben müssen. Zwischen London, wo sie öfter auftreten, Manchester und Paris, dort gastieren sie demnächst, war der Leere Beutel der einzige Auftrittsort in ganz Deutschland. Und der Jazzclub hat mit den, auf dem Kontinent noch unbekannten, jungen Musikern eine gute Nase für Talente bewiesen.

Das Konzert, schwach besucht zwar, offenbarte ein frisches, unkonventionelles und ungemein vielseitiges Trio. Das braucht dann auch weder Vergleiche mit anderen Jungstars wie Michael Wollny oder Lorenz Kellhuber zu scheuen, noch gründelt es in flachen Gewässern wie manche angesehene Jazztrios. Seit den Erfolgen von Trios wie E.S.T. oder von Brad Mehldau gehört diese Besetzung wieder zu den beliebtesten im Jazz und stellt entsprechend große Anforderungen an junge Musiker. Der 27-jährige Elliot Galvin wurde bereits während des Studiums am renommierten Trinity College of Music mit Django Bates verglichen, einem der wichtigsten Masterminds des zeitgenössischen englischen Jazz. Mit ihm hat der blitzsaubere Pianist und Komponist einen gewissen Hang zum Eklektizismus gemeinsam. Dieser macht weder vor klassischen Bezügen, Blues oder Marschrhythmen, noch vor sakral anmutenden Stimmungen oder freejazzartigen Ausbrüchen Halt. Ein wenig spröde stiegen Tom McCredie an Kontrabass und Galvin mit ruhigen schwebenden Klangexperimenten ein, bevor sich Schlagzeuger Corrie Dick zu Wort meldet und deutlich machte, der Groove hat auch noch Platz in der „New Model Army“. Die fast neoklassisch anmutende Komposition verdichtet sich in überlagernden Rhythmen und ist aus dem  Album „The Influencing Machine“. Das thematische Konzeptalbum verbindet auf geradezu geniale, man kann auch sagen verrückte Weise Medizingeschichte und aktuelle Fragen technischer Manipulierbarkeit von uns allen. Ideengeber für Galvins musikalische Reisen ins Gehirn war ein gleichnamiges Buch von Mike Jay über James Tilly Matthews, der als erster umfänglich dokumentierter Fall von paranoider Schizophrenie in die Medizingeschichte einging. Dessen Wahnideen von Maschinen kontrolliert zu sein, haben Galvin animiert Parallelen zum Einfluss heutiger digitaler Technik musikalisch zu reflektieren. Das klingt ziemlich abgefahren und ist es in gewisser Weise auch. Komplexe Stücke, intellektuell herausfordernd, wechseln mit einfachen Melodien voll lichter Stimmungen und gradlinigen Songs, von Dick weniger kraftvoll, als mit federnder Eleganz vorwärts getrieben.

Was den abwechslungsreichen Sound der Briten besonders macht, ist etwas, was gemeinhin als typisch britisch angesehen wird. In vielen Stücken gurgelt ein skurriler Humor, der auch in Titeln wie „Planet Ping Pong“ und „Society of Universal Harmony“ steckt. Galvin selbst, ein glänzender Interpret seiner tiefgreifenden Ideen, setzt neben elektronischen Sounds auf dem Keyboard auch Kinderspielzeug und Plastikinstrumente konzeptionell und für kuriose Effekte ein. In Dick und McCredie, der mit weichem Spiel bezaubert und auf einigen Stücken überraschend auch eine punkig gefärbte E-Gitarre spielt, hat der Bandleader gleichwertige Partner, die solistisch aber auch mit einem punktgenauen Zusammenspiel überzeugen und begeistern. Bleibt zu wünschen, dass der Club sich vom geringen ersten Besuch nicht abschrecken lässt die aufstrebenden Talente im Auge zu behalten und erneut einzuladen.

Von Michael Scheiner

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