Joe Fonda: „Zukunft gehört den Frauen“

Joe Fonda wurde neben Mary Halvorson und Oliver Lake als einer von fünf „musicians of the year“ 2023 in New Yorks City Jazz Records gewählt. Zwei seiner letztjährigen Alben sind als „recordings of the year“ gelistet und eines seiner Konzerte als Konzert des Jahres. Auch in Europa ist Fonda regelmäßiger Gast. Michael Scheiner hat ihn für die Jazzzeitung portraitiert.

Joe Fonda ist ein Wanderer. Keiner im urdeutschen Sinn, der Wald und Wiesen kennt. Der in Amsterdam im amerikanischen Bundesstaat New York aufgewachsene Bassist ist ein Wanderer zwischen Welten – kulturellen, musikalischen, instrumentalen und gesellschaftlichen. Seit drei Jahrzehnten pendelt er mehrmals jährlich von den Vereinigten Staaten nach Europa, um hier Touren mit eigenen Bands und mit Musiker*innen zu spielen, deren Einladungen er folgt. In seiner Heimat USA ist er nur fünf Jahre länger on the road. Zunächst erhielt Klein-Joe Gitarreunterricht, bevor er auf Bass umstieg und Anfang der 1970er Jahre ein Studium an der Berklee School of Music absolvierte. Heute wechselt er zwischen dem E- und seinem geliebten Kontrabass. Gelegentlich spielt er auch noch Flöte und singt.

Schon Anfang 2023 ein erfolgreiches Jahr

Musikalisch bevorzugt der mehrfache Großvater das freie Spiel der Improvisation, „creative music“ wie es im englischsprachigen Raum umschrieben wird. Er genießt es aber auch mit einer Bluesband unterwegs zu sein oder sich durch die Gefilde des Modern Jazz zu bewegen. Das Jahr 2023 hat für den langjährigen Weggefährten von Anthony Braxton, von 1984 bis 1999 spielte Fonda in verschiedenen Bands des Avantgardekomponisten, eine besondere Bedeutung. Am Jahresanfang erhielt er die Nachricht, neben Mary Halvorson und Oliver Lake als einer von fünf „musicians of the year“ in New Yorks City Jazz Records gewählt worden zu sein. Zwei seiner letztjährigen Alben sind als „recordings of the year“ gelistet und eines seiner Konzerte als Konzert des Jahres.

Joe Fonda: Ein Leben für die tiefen Saiten und leichten Schritte. Foto: M. Scheiner

Auf diese Weise möchte der von der äußeren Statur her kleine Musiker mit dem großen Ton weitermachen. Mehrere Projekte hat er bereits in Arbeit oder sind schon fest geplant. Dazu gehören ein neues Album mit der Pianistin Marilyn Crispell und seinem Langzeitpartner Harvey Sorgen am Schlagzeug und im Herbst Europatourneen mit Barry Altschul, Rudi Mahall und Alexander von Schlippenbach einerseits und der Saxofonistin Silke Eberhard andererseits. Ist zwischendurch etwas Luft, klinkt er sich gern bei Bluesbands im württembergischen und schwäbischen Raum ein oder arbeitet mit zwei Stepptänzern aus Frankfurt, die auch öfter in New York auftreten. Damit knüpft der 68-Jährige an den Beginn seiner Profilaufbahn an, als er mit der Sonomama Dance Company in Connecticut als Tänzer und Bassist unterwegs war.

Ein Tänzer am Walking Bass

Während seines Studiums ist er eher zufällig zur Tanzschule von Jackie und Dan McLean gekommen. Die Betreiber suchten damals einen Musiker für den Unterricht. Auf Tour tanzte er „mit und ohne Instrument“ selbst mit der Company Modern Dance. „Tanz ist ein Teil meines Lebens“, verrät der mit einer Deutschen aus dem Allgäu verheiratete Musiker. In den 1990er Jahren hat er erneut mit Tänzern der American Tap Dance Orchestra zusammengearbeitet. Die Liebe zum Tanz geht allerdings nicht soweit, dass er mit seiner Frau Walzer oder Tango tanzt. Überrascht von der Frage, meint Fonda lachend, „ vielleicht nehme ich mir das fürs nächste Jahr vor.“ Sein runder Geburtstag 2024 wäre sicher ein guter Anlass und seine zwei Töchter und der Sohn könnten eine neue Seite ihres Vaters kennenlernen.

Joe Fonda setzt sich keine künstlerischen Grenzen. Foto: M. Scheiner

Anders als die eigenen Kinder, von denen keines etwas mit Musik am Hut hat, ist Fonda aus einer Musikerfamilie hervorgegangen. Als Jugendlicher spielte er in einer Rockband. Sein Vater, ein Trompeter, überredete ihn mit 17 in seiner Band mitzuspielen, der auch zwei Onkels (sax, trombone) angehörten. Während einer Jamsession in einer Bar stieg Fonda ein und „ging nie mehr zurück!“ 1980 veröffentlichte er das erste Album unter eigenem Namen, „Looking for the Lake“ mit Cliff White, Tim Moran und Claire Arenius. Seither hat er über 160 Alben unter seinem Namen aufgenommen oder an ihnen mitgewirkt. Die Liste seiner Zusammenarbeit ist schier endlos. Ein langjähriges Quartett leitete er zusammen mit dem Pianisten Michael Jefry Stevens, das zeitweise mit der Tänzerin Brend Bufolino erweitert wurde. Neben seinem eigenen Quintett gehörte er dem transatlantischen Quartett Conference Call um Gebhard Ullmann an und tritt bis heute immer wieder in Duos unter anderem mit Xu Fengxia und der Pianistin Satoko Fujii auf.

Er wandert durch alle Stile

Das freie Spiel auf der Basis spontaner Improvisation ist eine Form, die Fonda besonders schätzt und intensiv praktiziert. Bei seinen vielen Kooperationen und Kollaborationen, darunter mit Katie Bull, dem Brooklyn Express und dem Mike Musilami Trio, mit der The Nu Band, dem OGJB Quartet mit Oliver Lake und der mitreißenden The J@F Band-with Jaimoe and Joe Fonda, durchwandert er aber auch andere stilistische Formen. Von R’n’B über Mainstream bis zum Blues und genreübergreifende Formen kennt er keine künstlerischen Grenzen. Louis Armstrong steht für ihn auf gleicher Ebene wie die Musik von Mozart, Bela Bartok, Charlie Parker oder Anthony Braxton, sein früherer Mentor. Musik bildet für ihn „ein Kontinuum“, an welcher er insgesamt interessiert ist und „die Traditionen kennt“.

In Zukunft lieber mehr Verantwortung in Frauenhänden

Als mit beiden Beinen im Leben stehender Künstler, der zusammen mit seiner Frau eine Familie zu ernähren hatte (was schwierig genug war), hat noch ein weiterer Aspekt für ihn eine herausragende Bedeutung. Fonda ist überzeugt, dass die Zukunft den Frauen gehört. Den „einzigen Schluss, den ich ziehen kann, wenn ich unsere Geschichte anschaue“ ist der, „dass Männer in der meisten keinen guten Job gemacht haben“, außer „du bist der Meinung, dass Tod und Zerstörung etwas gutes sind“. Für ihn bedeutet die „Hyper-Männlichkeit“ der alten patriarchalischen Welt, dass wir am Ende sind. „Es ist Zeit für einen Wechsel“, findet der Musiker, der davon überzeugt ist, „dass die Menschen vor dem Profit und dem Besitz“ in jeder Form kommen. Musik ist für Fonda „eine Energie für Veränderung und Wandel“ und sie ist politisch.

Info: www.joefonda.com

Beitragsbild: Joe Fonda und Vesna Pisarović, Foto: M. Scheiner

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Ein Kommentar

  1. Ein grossartiger Künstler, und ein Visionär. Drücken wir ihm und der Welt die Daumen, daß er Recht behält… und freuen wir uns auf mehr gute Musik von Frauen!

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