Die Jutta Hipp-Story, nacherzählt von Dietrich Schlegel

[Dieser Text ist in der Printausgabe 4-13 erschienen.] Am 7. April jährte sich zum zehnten Mal der Todestag der Jazzpianistin Jutta Hipp – Anlass für die Saxophonistin Ilona Haberkamp, „Europe’s first lady of Jazz“ und „first white European woman on Blue Note“ mit einer ungewöhnlichen CD zu würdigen. „Cool is Hipp is Cool“, im Februar aufgenommen, von Laika Records produziert und im Mai veröffentlicht, wurde zu einer gelungenen Hommage an eine singuläre Musikerin und Künstlerin, die in der Geschichte des deutschen und europäischen Jazz der Nachkriegszeit einen wichtigen Platz einnahm, nicht zuletzt als für lange Jahre einzige Instrumentalistin in der Männerwelt des Jazz. Unvergessen sind ihre umjubelten Auftritte auf den Frankfurter Jazz-Festivals von 1953 bis 55. Die junge attraktive Frau, in Leipzig geboren und aufgewachsen, 1946 in den Westen geflüchtet, war ein Star. Auch der einflussreiche amerikanische Jazzkritiker Leonard Feather war von ihr beeindruckt, als er sie bei einem Auftritt mit ihrem Quintett in einem Jazzclub in Duisburg ausfindig gemacht hatte. Er lud sie nach New York ein, wo sie Ende 1955 eintraf, monatelang auf ihre Spielerlaubnis warten musste, aber dann ein von Feather vermitteltes …

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Bix? Sagt mir nix!

In der Jazzsendung von WDR3 wird heute einer interessanten Frage nachgegangen: Was wissen Jazz-Studenten an europäischen Hochschulen über die Jazz-Geschichte? Offenbar gar nicht mal so viel. Müssen aber junge Trompeter heutzutage noch wissen, wer Bix Beiderbecke war? Muss ein junger Pianist, der spielen will wie Michael Wollny, auch James P. Johnson kennen? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass an Jazzinstituten die Jazz-Geschichte-Vorlesungen oft genug als Notwendigkeiten angesehen werden, die den Studenten davon abhalten, Achtelketten und Akkordfolgen zu üben. Besonders gilt dies für die frühe Zeit des Jazz. Wenn diese Gleichgültigkeit allerdings auch schon Charlie Parker oder, wie im Infotext zur Sendung genannt, Keith Jarrett betrifft, geht sie wohl schon bis weit in die Moderne hinein. Eine „PISA-Studie“ mit Jazz-Studenten… Samstag, 19.02.2011; 22.00 Uhr „Riesengroße Felder sind unbekannt – Kennen Jazz-Studenten die Jazz-Geschichte?“ Mit Michael Rüsenberg Infos zur Sendung WDR 3 im Livestream WDR Radio Recorder

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Kulturbeutel-Verse

Vom 27. März bis 3. April steigt in München wieder das wunderbare Festival „Jazz Lines“. Weil dort aber nicht einfach nur losgejazzt wird, sondern auch gekammerorchestert, diskutiert, gelesen, gehörspielt und filmgeguckt, sitzen Kulturförderer jeder Form mit im Boot: das Kulturradio Bayern 2, das Kulturreferat der Landeshauptstadt, die Kulturstiftung des Bundes, sogar der Veranstalter heißt Kulturkontor. Also alles Kultur hier, links- und rechtsdrehend, ein ganzer Kulturbeutel voll. Und das hebt den Jazz natürlich gleich auf eine ganz andere Ebene: Im ersten Satz des ersten Abschnitts des Grußworts der Künstlerischen Direktorin der Kulturstiftung des Bundes (genug Genitive?) wird gleich die Brücke geschlagen zwischen Bebop und Lyrik. Frau Völckers zitiert nämlich ein „legendäres Jazz-Gedicht des englischen Schriftstellers Adrian Mitchell“: „He breathed in air / He breathed out light / Charlie Parker was my delight.“ Gegen dieses Bekenntnis ist wenig zu sagen (außer dass der äquivoke Reim nicht schön ist), aber die Stiftungsfrau fällt darüber geradezu in Begeisterung: „Poetisch prägnanter ist selten eine Hymne auf das Saxofonspiel von Charlie Parker ausgefallen.“ Poetisch prägnanter? Oder einfach nichtssagender? Ich frage mich, ob Frau Völckers im Geleitwort einer Kunstausstellung ähnlich mutig vorpreschen …

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Zwei Tipps eines Lesers und Autors

Anbei zwei Anregungen/Tipps unseres Autors und Lesers Dieter Schlegel: „Der Verfolger“ – wieder mal lesen Dass Argentinien in diesem Jahr Partnerland der Frankfurter Buchmesse ist, sollte Anlass sein, die großartige Erzählung „Der Verfolger“ von Julio Cortázar (1914 – 1984), eines der bedeutendsten argentinischen Schriftsteller, wieder zu lesen. Es ist – leicht verschlüsselt und fiktiv geschildert – die Geschichte zuerst der letzten Jahre Charlie Parkers aus der Sicht des Ich-Erzählers, eines in Paris lebenden Jazzkritikers, zugleich einer der wenigen echten Freunde des genialen Saxophonisten „Johnny Carter“. Der schmale Band, 1978 erstmals bei Suhrkamp erschienen, ist als Nr. 21 der Bibliothek der Süddeutschen Zeitung wieder veröffentlicht worden. Den Einband schmückt das Foto eines nachdenklich schauenden, fast abwesenden Charlie Parker gemeinsam mit Billy Bauer, Eddie Safranski und Lennie Tristano. Jazz in Neuseeland? Im Apfelangebot der Supermärkte fand ich vor Tagen eine Sorte mit dem verheißungsvollen Namen „Jazz“. Ein Produkt aus Neuseeland. Warum von dort ausgerechnet Äpfel bis zu uns transportiert werden müssen, erschließt sich mir nicht. Für meinen Geschmack ist die Sorte eh zu sauer. Aber mir drängte sich die Frage auf: Gibt es außer Äpfeln auch Jazz …

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Gegoogelt: Wussten Sie schon…

…, welcher Künstler an oberster Stelle erscheint, wenn man bei YouTube das Suchwort „Jazz“ eingibt? Wer jetzt auf Miles Davis, Louis Armstrong oder Charlie Parker getippt hat, liegt leicht daneben. Die Ehre gebührt dem österreichischen DJ-Zweigespann Kruder & Dorfmeister: „Jazz Master“ Auf Nummer zwei, rechtmäßig durch den Tag „Smooth Jazz“ gekennzeichnet, ein Titel von Fusion-Gitarrist Claudio Spiewak „High Rise“ Auch die Ärzte sind ganz vorne dabei mit einem Track aus ihrem Album „Jazz ist anders“. Immerhin gerade noch unter den ersten zehn  Einträgen ist Altmeister Herbie Hancock mit… na?

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