Gefragte Festival-Chefin: Anastasia Wolkenstein

Anastasia Wolkenstein, seit 14 Jahren Bookerin für Jazzmusiker, überraschte im Januar diesen Jahres mit „Sparks & Visions“, einem Festival an ihrem Wohnort Regensburg. Die zweite Überraschung war, dass sie von Tina Heine die künstlerische Leitung von „Jazz&TheCity“ in Salzburg übernommen hat. Klaus von Seckendorff traf sich mit der gefragten Festivalchefin zum Gespräch.

JazzZeitung: Hattest Du schon länger vor, ein Festival zu machen, oder war es die Gelegenheit, die Dich dazu verführt hat?

Anastasia Wolkenstein: Es hat sich beides getroffen, eine schöne Fügung. Mich hat immer schon die Idee fasziniert, ein Festival zu kuratieren. Anfang 2022 hat sich herausgestellt, dass es in Regensburg Bedarf gab für ein Festival im ersten Jahresquartal, und dass es im Theater am Bismarckplatz stattfinden kann, was durchaus nicht selbstverständlich ist. Die Umstände waren so optimal, dass ich es einfach versuchen musste.

JazzZeitung: Wie ist das angelaufen?

Wolkenstein: Ich habe im Februar 2022 grünes Licht bekommen für eine Erstausgabe im Januar des folgenden Jahres. Vieles musste kurzfristig gestemmt werden: Gründung, Förderstruktur, Homepage, Pressearbeit  und alles, was eben so dazu gehört. Das war schon ein Kraftakt, wobei das finanzielle Risiko komplett bei mir liegt. Das mag nach naivem Idealismus klingen, aber ich hatte eine Grundzuversicht, dass ein Internationales Jazzfestival im Theater funktionieren kann und zum Glück auch ein paar Sponsoren gefunden. Es war mir wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass auch in schwierigen Zeiten Neues und Schönes passieren kann und gerade dann auch muss. Außerdem werde ich von der der Stadt unterstützt, da sie das erste Quartal des Jahres beleben möchte, und vom Bayerischen Kulturfond habe ich ebenfalls Mittel bekommen, denn ich bin mit dem Projekt  gemeinnützig. Sollte es aber mal ein Defizit geben, bleibt das bei mir hängen.

Salzburg Calling

JazzZeitung: Gewagt, gewagt. Du hast diesen Kraftakt bisher so hingekriegt, dass Sparks & Visions bei Publikum, Stadt und Presse bestens ankam. Es sollte in diesem Jahr allerdings nicht der einzige bleiben.

Wolkenstein: Tina Heine hat mich im vergangenen Dezember angerufen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie bei Jazz&TheCity in Salzburg aufhören möchte, und war völlig platt, als sie mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, die künstlerische Leitung zu übernehmen. Ich habe mich natürlich total gefreut und geehrt gefühlt und hatte auch sofort das Gefühl, dass es um eine lohnende Sache geht, die ich schaffen kann.

JazzZeitung: Bei Tina hat eine beruflich wie private Überlastung dazu geführt, dass sie statt 2024 aufzuhören zwar noch Buchungen wie das Eröffnungskonzert oder die Auftritte der Elbphilharmonie Jazz Academy in die Wege geleitet, Dir aber dann schon für 2023 die Programmverantwortung übertragen hat. Sie hatte zudem das Gefühlt, dass gesagt war, was sie mit dem Festival sagen wollte. Wie willst Du ein weiteres Festival in Salzburg schaffen trotz der neuen Herausforderung in Regensburg, dem Alltag Deiner Bookingagentur und nicht zuletzt als Mutter?

Wolkenstein: Tatsächlich bin ich erst noch dabei, für diese neue Konstellation eine richtige Routine zu entwickeln und darum auch aktuell auf der Suche nach Unterstützung in der Agentur. Es kam ja alles auf einmal.

JazzZeitung: Neben den Aufgaben, die Dir als Bookerin vertraut sind, gibt es bei Festivals sicher viele, in die Du reinwachsen musst. Auch in Salzburg geht es schließlich um mehr als die begehrte Rolle als Kuratorin…

Sie hat „Sparks & Visions“ erfunden: die viel gelobte Festivalchefin Anastasia Wolkenstein. Foto: JM Koch

Wolkenstein: In Regensburg ist das mehr oder weniger eine One-Woman-Show. Allerdings habe ich hier das Glück, gut mit dem top organisierten Theater Regensburg zu kooperieren, sodass mir produktionstechnisch schon viel abgenommen wird. Und natürlich wohne ich schon lange in Regensburg und bin dort gut vernetzt. Salzburg ist da komplexer, nicht nur durch die viel höhere Anzahl von Konzerten und Venues und die Tatsache, dass ich die Stadt (noch) nicht wie meine Westentasche kenne. Ich bin ich da zwar „nur“ künstlerische Leiterin, aber natürlich in engem Kontakt mit vielen Beteiligten, sei es von der Produktion oder Presse, mit tatsächlichen und potenziellen Kooperationspartner:innen und natürlich auch politischen Akteur:innen der Stadt. Bei JazzAndTheCity geht es ja in gewisser Weise auch um Stadtentwicklung und -entdeckung und um Kultur- und Musikvermittlung. Da arbeite ich noch konzeptioneller als in Regensburg.

JazzZeitung: Gibt es denn keine Konflikte, wenn man  einerseits als Bookerin eigene Künstler vermitteln will und andererseits als Veranstalterin selber von anderen Agenturen vertretene Künstler bucht?

Wolkenstein: Eigentlich ist das gar kein Perspektivwechsel, weil ich in beiden Positionen dafür sorgen will, dass Musiker:innen auftreten können.

Nachhaltigkeit trotz Festivalbetrieb:  Residenzen für Musiker

JazzZeitung: Manche von Dir als Bookerin betreute Musiker wie Julia Hülsmann oder Nils Wogram haben bisher schon in Salzburg eine wichtige Rolle gespielt.

Wolkenstein: Richtig. Ich vertrete diese Musiker ja, weil ich von dem begeistert bin, was sie machen, darum würde ich sie grundsätzlich jederzeit buchen wollen. Trotzdem bin ich damit eher zurückhaltend, auch wenn ich keine grundsätzliche Scheu habe. So spielt in Salzburg Clara Haberkamp solo und Luise Volkmann mit ihren Formationen Autochrom und Été Large.

JazzZeitung: Es war ja auch Tina Heine wichtig, Musiker:innen von mehreren Seiten mit unterschiedlichen Projekten zu zeigen.

Wolkenstein: Ich halte es für auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sehr zeitgemäß und bei so einem großen Festival auch für umsetzbar, dass man Musiker:innen wenn möglich nicht nur für ein Konzert einfliegt und wieder ausfliegt. Außerdem trägt es natürlich unglaublich zur Atmosphäre von Jazz&The City bei, wenn Musiker:innen länger in der Stadt bleiben und an verschiedenen Orten in unterschiedlichen Besetzungen auftauchen, um Impro-Slots zu gestalten. Es stärkt aber auch das Band zwischen Musiker:innen und Publikum, wenn Musiker:innen mit mehreren Projekten im Konzertprogramm präsentiert werden, wenn man gemeinsam die Stadt entdeckt und mehr Zeit miteinander verbringt: Man kommt zusammen und lernt sich kennen. Das möchte ich unbedingt beibehalten, auch die Hidden Tracks durch Salzburg.

JazzZeitung: Planst Du weiterhin so etwas wie die spontanen Blind Dates?

Wolkenstein:Ja, das ist schließlich auch etwas, das Jazz&TheCity ausmacht. So ganz spontan werden die Blind Dates diesmal nicht sein, aber wir wollen weiterhin Musiker:innen die Gelegenheit geben, sich kennenzulernen und gemeinsam Neues zu kreieren. Gelegentlich macht es bei viel terminlichen Überschneidungen auch Sinn, die gleiche Band zweimal auftreten zu lassen, z.B. einmal im Jazzit als Clubkonzert um 23:00 Uhr und am nächsten Tag dann auf dem Residenzplatz. Man spricht da jeweils ein ganz anderes Publikum an.

JazzZeitung: Welche großen Spielstätten wird es geben?

Wolkenstein: Das Marionettentheater ist dabei, die Szene natürlich, der Residenzplatz, der Stieglkeller, die Kollegienkirche.

JazzZeitung: Fehlt bloß der Markussaal. Hat das Geld nicht gereicht?

Wolkenstein: Eine Budgetreduzierung gibt es, sodass Venues und Konzertanzahl reduziert werden mussten. Aber das Festival hat immerhin noch 38 Konzerte. Mit den ganzen Blind Dates und Impro-Slots kommen wir auf rund 70 Programmpunkte, sodass man immer noch lange nicht alles hören kann. Vielleicht ist durch diese „Gesundschrumpfung“ der Frust aber nicht mehr ganz so groß, weil man sich am Freitag und Samstag nun nur noch zwischen 25 bis 30 Angeboten entscheiden muss und nicht mehr zwischen 50 bis 60.

JazzZeitung: Andererseits kann dann schneller mal ein Venue überfüllt sein, so dass man nicht rein kommt.

Wolkenstein: Richtig, das könnte passieren. Aber das Schöne in Salzburg ist ja, dass es immer spannende Alternativen ganz in der Nähe gibt, für die man ebenfalls keine Tickets braucht.

Das Interview führte Klaus von Seckendorff

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