Digitale Akademie „Insight Out” der Deutschen Jazzunion – ein Interview mit Johanna Schneider und Jakob Fraisse

Unter dem Dach der Digitalen Akademie „Insight Out” bietet die Deutsche Jazzunion seit dem 13. Oktober 2021 digitale Workshops, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu Diversität, Nachhaltigkeit, Bildung und Professionalisierung für professionelle und angehende Jazzmusiker*innen an. Mit Blogbeiträgen und Veranstaltungshinweisen wird die JazzZeitung die beiden ersten Semester bis Mitte 2022 begleiten. Zehn Online-Veranstaltungen fanden inzwischen statt – Andreas Kolb sprach mit den DJU-Vertretern Johanna Schneider und Jakob Fraisse über das Projekt.

JazzZeitung: Was war der Gründungsimpuls für die Digitale Akademie „Insight Out”? Welche Absichten verfolgen Sie mit dem Projekt?

Johanna Schneider ist Vorstandsmitglied der Deutschen Jazzunion. Sie studierte Jazzgesang an der HMT München und an der Folkwang UdK Essen. 2009 gründete sie mit Tizian Jost, Andreas Kurz und Bastian Jütte das Johanna Schneider Quartet, für das sie auch komponiert und mit dem sie unter Mitwirkung von Gastmusikern Ack van Rooyen, Tony Lakatos, Paul Heller & Florian Hoheisel bislang zwei Alben aufnahm. Foto: DJU

Johanna Schneider: Am Anfang stand die Idee, einen für alle und von überall zugänglichen Diskursraum für aktuelle Themen der professionellen Jazz-Szene zu schaffen. Die Verlagerung in den Onlinebereich stellt nicht erst seit Beginn der Pandemie ein zeitgemäßes Angebot dar: In einer digital zugänglichen Infrastruktur können aktuelle Themen wie Gender & Diversität oder Nachhaltigkeit im Jazz wie auch Fragestellungen aus dem Bereich der Professionalisierung für Jazzmusiker*innen barrierefrei verhandelt werden. Uns im Vorstand sind diese Themen wichtig. Als Berufs- und Interessenverband sind wir Teil einer Gesellschaft, die wir mitgestalten und in die wir ausstrahlen möchten. Auch im Jazz bestehen Barrieren und Ausschlüsse für bestimmte Gruppen von Menschen, die wir abbauen möchten.

Jakob Fraisse: Außerdem wird nicht erst in der Corona Krise offensichtlich, dass zum wirtschaftlichen und künstlerischen Erfolg im Jazzmusikerinnenberuf auch eine intensive Auseinandersetzung mit Gesellschaft und ihren Herausforderungen gehört. Die Corona-Krise setzt die wirtschaftliche und soziale Lage vieler Kolleginnen zusätzlich unter Druck. Veränderungs- und Entwicklungsprozesse müssen umso konsequenter und systematischer gestaltet werden. Hier wollen wir uns als Verband einbringen.

JazzZeitung: Wer setzt die Themen fest?

Jakob Fraisse: Die Digitale Akademie ist mit viel Beteiligung unserer Mitgliedschaft entstanden. Das Programm der Veranstaltungsreihe ist Ergebnis eines partizipativen Kurationsprozesses. Unsere Mitglieder haben sich hier in verschiedenen Arbeitsgruppen eingebracht. So war es beispielsweise Wunsch der Arbeitsgruppe Jazzpilotinnen, die sich größtenteils mit Jazzpädagogik und -vermittlung auseinandersetzt, einen Programmbeitrag beizusteuern. Auf diesem Wege ist das hybride Symposium Jazzvermittlung trifft Politische Bildung in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden. Durch ein Streaming konnten wir die Veranstaltung im Rahmen der Digitalen Akademie zugänglich machen. Für die konkrete Umsetzung, Vorbesprechungen mit Referentinnen, das ganze Organisatorische sind wir als Geschäftsstelle zuständig. Aber auch das passiert im Austausch mit Vorstand und Mitgliedern.

JazzZeitung: Bisher haben zehn Veranstaltungen stattgefunden. Kann man schon eine Aussage zur Resonanz machen? Wie viele Teilnehmer*innen haben welche Themen bevorzugt?

Johanna Schneider: Wir freuen uns über viele positive Rückmeldungen zu Referent*innen und Inhalten. In der Online-Veranstaltungsreihe eröffnen wir Diskussionsräume. Hier soll immer auch Platz für individuelle Wünsche, Fragen oder Ängste sein. Der Austausch zu Themen wie Klassismus, Awareness oder Nachhaltigkeit ist oft intensiv und für viele Teilnehmende erkenntnisreich. Gleichzeitig ist es eine große Herausforderung auch diejenigen für unsere Veranstaltungen zu begeistern, die der Themenwahl eher skeptisch gegenüberstehen.

JazzZeitung: Wer sind die Teilnehmerinnen? Instrumentalistinnen? Musikmanagerinnen? Instrumentalpädagogeinnen? Welches Alter, welches Geschlecht dominiert?

Jakob Fraisse ist seit Juni 2021 als Projektmitarbeiter bei der Deutschen Jazzunion für die Themen Digitale Akademie, Jazzpilot*innen und die Neuauflage der Jazzstudie zuständig. Vor und neben seiner Tätigkeit bei der Deutschen Jazzunion war und ist Jakob Fraisse Veranstaltungskaufmann, Sozial- und Kulturwissenschaftler, Musikjournalist und Musiker. Foto: DJU

Jakob Fraisse: Durch die Veranstaltungsreihe werden verschiedenste Akteurinnen miteinander vernetzt. In Kooperationen beteiligen sich diverse Musikhochschulen und -institutionen aus ganz Deutschland. So schafft es die Digitale Akademie, dass verschiedenste Akteurinnen der Szene miteinander ins Gespräch kommen. Dabei gibt es einen leichten Überhang junger FLINTA*-Personen, das lässt sich aber nicht pauschal für alle Veranstaltungen sagen.

JazzZeitung: Kommt zukünftig auch Musik selbst im Curriculum der Digitalen Akademie vor?

Johanna Schneider: Das wollen wir nicht ausschließen. Bei Veranstaltungen wie der Jazz Now! (ehemals Jazzforum) hat die Deutsche Jazzunion inhaltliche Veranstaltungen mit musikalischen kombiniert. Und bei manchen Themen, wie zum Beispiel dem Jazzbegriff, bietet sich eine künstlerische Auseinandersetzung wunderbar an.

JazzZeitung: Wie finden Sie die Referentinnen und Referenten? Wie eruieren Sie die Jazz-Affinität der beauftragten Experten?

Johanna Schneider: Auch hier arbeiten wir eng mit unseren Mitgliedern zusammen. Wir befragen sie nach ihren Themenvorschlägen, ihren Wunschreferent*innen und ihren Erfahrungen. Auf die Empfehlungen der AG-Mitglieder konnten wir uns bisher gut verlassen.

Jakob Fraisse: Mit Johanna und Gabriele Maurer waren außerdem zwei aktive Mitglieder selbst Teil unseres Eröffnungspanels. Und dann bringe natürlich auch ich durch mein kultur- und sozialwissenschaftliches Studium und meine Arbeit für die jazzahead! in den letzten Jahren einen gewissen Überblick über das Feld mit.

JazzZeitung: Was bringt die Qualifikation, die man ja in der Regel neben Studium oder Beruf macht? Kann man für die erfolgreiche Teilnahme Credit-Points an der Hochschule erhalten?

Johanna Schneider: Was die Zusammenarbeit mit den Hochschulen angeht, befinden wir uns noch in der Erprobungsphase. Manche Hochschulen kooperieren nur bei der Durchführung einer einzelnen Veranstaltung. Andere empfehlen ihren Studierenden das komplette Akademieprogramm und vergeben Credit-Points. Da geben wir aber nicht allzu viel vor. Das Angebot soll so niedrigschwellig wie möglich sein und für niemanden einen Zwang oder eine Belastung darstellen.

JazzZeitung: Wie finanziert, wie trägt sich die Digitale Akademie? Welches Budget steht zur Verfügung?

Jakob Fraisse: Die Digitale Akademie wird dankenswerterweise von der Initiative Musik, also der Musikförderinstitution der Bundesregierung unterstützt. Wir haben ein ausreichend hohes Budget, um ein Programm über zwei Semester zu kuratieren. Gleichzeitig werden wir von einigen Hochschulen finanziell unterstützt. Eine Teilnahmegebühr gibt es nicht.

JazzZeitung: Wird die Akademie bleiben, wenn die 4., 5. und hoffentlich bald letzte Welle der aktuellen Pandemie durch ist? Ist Digitalität auch in Zukunft förderungswürdig oder ist zu befürchten, dass das Kriterium in der Fördermottenkiste verschwindet?

Johanna Schneider: Gerade für uns als Bundesverband ist Digitalität ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Sie ermöglicht die flächendeckende Beteiligung unserer Mitglieder und fördert die Vernetzung.

Jakob Fraisse: Auch Ideen für zukünftige Projekte setzen ganz unabhängig von der Pandemie-Situation auf eine Digitalisierung der Jazzszene. Denn nur, wenn sich die Akteur*innen zusammentun, austauschen, vernetzen und an einem Strang ziehen, können wir unsere Gesellschaft und unsere Kulturlandschaft diverser gestalten und Zugänge erleichtern.

 

Die nächste Veranstaltung der Digitalen Akademie ist morgen, Freitag, den 17.12.2021:

Absagen, Absagen, Absagen – und wo bleiben unsere Rechte als Freischaffende?

17.12.2021 | 10–11:30 Uhr

Rechtsfachliche Beratungsstunde für Mitglieder der Deutschen Jazzunion

mit Dr. Kirsten König, Anwältin für Kreative.

Viele Jazzmusiker*innen fühlen sich der Verzweiflung nahe: Mit dem Winter steht auch die nächste Welle von coronabedingten Veranstaltungsabsagen vor der Tür. Doch wer denkt, Staat und Gesellschaft hätten inzwischen gelernt, mit der Situation umzugehen, irrt. Die staatlichen Vorgaben sind unklar, und solange Veranstaltungen nicht auf Basis von entsprechenden Verboten abgesagt werden müssen, greifen oftmals keine Hilfssysteme, die Einnahmeverluste durch Hilfszahlungen kompensieren würden.

Bleiben wir also auf den Verlusten sitzen? Welche Rechte haben wir als Freischaffende? Und wie kann ich mich künftig besser wappnen, um bei Absagen nicht allein die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen zu müssen?

Information: Deutsche Jazzunion | Digitale Akademie „Insight Out“ (digitaleakademie-insightout.de)

 

 

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