CD-Rezension: Brad Mehldau – Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles

Mit zwei Minuten, 18 Sekunden bleibt Brad Mehldau sogar noch unter der Länge des offiziellen „Your Mother Should Know“-Videoclips, der die lächelnden Beatles, in weiße Fräcke gekleidet, in einem kitschigen Filmsetting zeigt. Hemdsärmelig – jedenfalls im Video – folgt der amerikanische Pianist dem leichten Retroswing des Originals, bei dem sich Paul McCartney von einer familiären Szene inspirieren ließ.

Einen swingenden Boogie-Sound verwendet Mehldau auch für „I Saw Her Standing There“, wobei diese feine Interpretation fröhlicher und freier klingt als das eher melancholisch angehauchte Titelstück.

Live in Paris aufgenommen

Mehldaus neues Soloalbum ist während der Coronazeit live vor reduziertem Publikum in der Philharmonie de Paris aufgenommen worden. Verschiedene Titel der einflussreichen Fab Four hatte er schon längere Zeit solo und mit seinem Trio im Programm, bis dahin aber noch kein einziges davon auf Tonträger veröffentlicht. Auf einen Vorschlag seines Labels ließ er sich schließlich ein, beschloss aber, keine der bereits von ihm interpretierten Stücke, sondern eine Auswahl weniger bekannter Songs zusammenzustellen. Eine Ausnahme bildet lediglich David Bowies etwas schwermütig klingendes „Life On Mars?“, das Mehldau allerdings ein wenig aufrichtet und von dem er sagt, es sei ein Beispiel, wie die Beatles nachfolgende Musikergenerationen beeinflusst haben. Das gilt wohl bis heute, schließlich ist der meisterhafte Pianist beileibe nicht der erste Jazzmusiker, der sich Songs der einstigen Pilzköpfen angenommen und sie in ihrem Sinn interpretiert hat.

„Die Songs der Beatles sind von unbestreitbarer Universalität geprägt“, sagt der Musiker, der zu den wichtigsten Jazzpianisten unserer Zeit gehört. „Ihre Musik durchschneidet kulturelle und generationelle Grenzen, während neue Zuhörer sie immer wieder für sich entdecken.“ Bei der Begegnung an zwei Abenden in Paris erfindet er keineswegs die üppige Beatles-Welt neu, die Originale sind leicht zu erkennen, er belässt sie in ihrem Geist, fügt ihnen mit seinen Improvisationen dennoch Neues, Eigenes hinzu. Dabei schöpft er mit leichter Hand und verschmitztem Lächeln ebenso souverän aus der klassischen Klaviergeschichte wie von Großen der Jazzgeschichte. Pure Freude macht der bluesige Einstieg mit dem schon im Original herrlich absurden „I Am The Walrus“. Ist schon „She Said, She Said“ nach innen gerichtet, wird es im nachfolgenden „Here, There And Everywhere“ geradezu seufzend schwer.

Gefühlstiefe und Leichtigkeit

Aus dieser Gefühlstiefe gräbt sich Mehldau mit einer köstlichen Interpretation eines Klassikers für den schrägen Humor der Beatles, „Maxwell’s Silver Hammer“, locker und beschwingt wieder heraus. „Ihre Songs haben eine Unmittelbarkeit und Integrität“, um noch einmal den Meister zu zitieren, „die jeden anzieht. Ihre Musik (…) prägen meine Arbeit (…).“ Insgesamt enthält das wunderschöne Album neun Interpretationen, darunter ein frühes George Harrison und besagtes Bowie-Stück, die übrigen Songs sind alle aus der Feder von Lennon und McCartney. Mit Mehldaus gefühlvollen Bearbeitungen hätten sie sich bestimmt ebenso wohlgefühlt wie das hörbar begeisterte Publikum.

 

Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles, Nonesuch Records (Warner Music)

Beitragsbild: Cover „Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles“

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