„Thelonia“ – Sebastian Sternal zieht auf seinem ersten Soloalbum künstlerisch Bilanz

Von Stefan Pieper. Wenn in einer Band der Pianist besonders gut ist, stellt sich nicht selten der Wunsch ein, diesen auch mal ganz für sich allein in einer Soloperformance zu hören. Sebastian Sternal hat mit so etwas lange genug auf sich warten lassen – sein neues Soloalbum „Thelonia“ stellt klar, dass sich dieses Warten gelohnt hat!

Auf Anhieb ist hier Sternals Markenzeichen zu hören: An seinem kristallklaren Anschlag erkennt man diesen Pianisten sofort. Eine komprimierte Klangstudie gleich zu Beginn legt die Visitenkarte ab. Von da ab zieht der heute in Frankfurt lebende Pianist fantasievoll Bilanz, hält Innenschau und reflektiert über das Hier und Jetzt.

Sebastian Sternal – Sihoo Kim 2020

Jemand, der so wenig wie er irgendeine Geschwätzigkeit auf dem Instrument nötig hätte, der darf sich aufs wesentliche reduzieren und das tut Sternal in den hier verewigten 18 Stücken konsequent, die dadurch manchmal gerade nur etwas länger als eine Minute dauern. Musikalisch passiert immens viel: Gerade noch formt er mit reduzierten Mitteln einen balladesken Bogen, der in Richtung eines Choralmotivs gedehnt und schon im nächsten Moment von spannenden Harmoniewechseln durchkreuzt wird. Neutönerisch wirft er anderswo mit nicht zu vielen Tönen umher, dass man sich fragt, ob das nun eher an Cecil Taylor oder an frisierte Zwölftonmusik erinnert.

Sebastian Sternal – Sihoo Kim 2020

Das Stück „Traum“ empfängt den Hörer mit einem Bachschen Akkordgewoge, das aber sofort anderen, weiter gedachten Horizonten entgegen schwebt. Die europäische Klassik und Romantik, aber Spurenelemente von Impressionismus wirken ohnehin wie eine kreative Triebfeder, aus denen Sebastian Sternal eigene Farbe und Atmosphäre schöpft. In Soloversionen erklingen Kompositionen, die er für seine Combos geschrieben hatte, ganz neu. Ehrensache ist es dabei, es auch mit zwei Standards aufzunehmen: George Gershwins „Embraceable You“ und „The Way You Look Tonight“ von Jerome Kern.

In denen letzten 20 Jahren ist der heute in Frankfurt lebende Pianist gut auf der Profikarriere unterwegs – als Bandleader und universeller Komponist rief er die Sternal Sinfonic Society ins Leben, spielt in diversen Bands mit Frederik Köster, Larry Grenadier oder Jonas Burgwinkel. Das alles färbt auf sein spielerisches Ideal ab, welche auf diesem Album in einem neuen solistischen Konzentrat vorliegt. Nach eigenem Bekunden hat Sebastian Sternal vor allem von John Taylor dessen Haltung übernommen, um in einer Ästhetik der Brüche und Wechsel immer persönlich und ehrlich zu bleiben. Also ist die Handschrift immer klar definiert, um hier die vielen Einflüsse zu vereinen und alleine mit sich auf dem Klavier eine nie enden wollende Erzählung aufzuzeichnen.

Sebastian Sternal: Thelonia

Traumton Records 2022

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