Samaia, ein interkulturelles Musik-Tanz-Projekt erlebte Premiere in Georgien

„Three Minutes To Earth“ hieß 2014 der georgische Beitrag zum ESC, dem Eurovision Song Contest. Es war ein untypischer, ziemlich schräger Song mit ethnisch angehauchtem Jazzrock, mehrstimmigem Gesang und afrikanischer Rhythmik – der es prompt nicht uns Finale schaffte. Geschrieben wurde der komplexe Dreiminüter von  dem georgischen Komponisten, Arrangeur und Gitarristen Zaza Miminoshvili, präsentiert von The Shin und Mariko Ebralidze, einer in Georgien sehr bekannten Sängerin. Dass der in Stuttgart lebende Georgier den Auftrag für den ESC-Beitrag erhielt, hat mit seiner tiefen Verbundenheit zur georgischen Kultur und Musik zu tun. Diese kommt auch in der Musik von „The Shin“ zum Ausdruck, einem Ethnojazz-Ensemble das Miminoshvili Ende der 1990er Jahre zusammen mit Zurab Gagnidze gegründet hat. In der Begegnung des musischen Georgien mit der Musik verschiedener Länder und Kulturen hat es seine Bestimmung gefunden hat.

Kaukasische Begegnung – Mugham trifft auf Schuhplattler

Heuer im Sommer ist Miminoshvili erneut mit einem spektakulären Projekt in Georgien unterwegs gewesen. Der Stuttgarter hat es gemeinsam mit Manfred Bründl, Bassist und Professor an der Musikhochschule Franz List in Weimar, auf die Beine gestellt. Samaia nennt sich dieses einzigartige deutsch-georgische Musik-Tanz-Projekt. Im Coronajahr 2020 erlebte es seine – mehrfach verschobene – Premiere mit zwei Openair-Konzerten beim Musikfest Weimar und einem Auftritt in der Thomaskirche in Erfurt. Die bereits terminierte Georgienpremiere im Dezember 2020 musste abgesagt und auf Juli dieses Jahres verschoben werden.

Es „war eine echte Zitterpartie bis zu unserem ersten öffentlichen Auftritt“, beschreibt Bründl die wechselhaften Umstände. „Im August (2020, Anm.) wußten wir noch nicht, ob die Georgier, also der Tänzer, unser Sänger und der Schlagzeuger, einen Flug bekommen“, damit vor Beginn des Musikfestes überhaupt geprobt werden konnte. Zeitweise waren Flüge zudem extrem teuer, dass es kaum mit dem vorhandene Budget aufzufangen gewesen wäre. Notenmaterial und einfache Videos hatten Miminoshvili und Bründl natürlich vorab ausgetauscht, sodass die anderen Musiker bestens vorbereitet zu den Proben kommen konnten. Dennoch war es eine „riesige Erleichterung“, als es endlich geklappt hatte und die Bandmitglieder sich in Stuttgart erstmals alle zusammen begegneten.

Bereichernder Mix der Kulturen

Die ausverkauften Konzerte in Weimar und Erfurt erlebte die Band als vollen Erfolg. Zwischen ihren unterschiedlichen Kulturen entspann sich wie erhofft ein künstlerischer Dialog, der sich aus dem besonderen Format mit Tanz und Gesang entwickelte. Die archaischen georgischen Männergesänge, die mal sakral aufgeladen wirken, dann wieder von folkloristischer Ausgelassenheit sind, nahmen oft unerwartete Wendungen und verschmolzen mit deutscher Volksmusik. Überraschend komplex und vielseitig verbanden sich in Miminoshvilis Kompositionen der mystische Tbilisi Mugham, eine Form der uralten Maqam-Tradition, mit dem bayerischen Zwiefachen und lösten – vor allem dann bei den diesjährigen Auftritten in Georgien – eine stürmische Begeisterung aus. Verbunden mit quirligem, hochvirtuosem Jazz entstanden einzigartige musikalische Zwiegespräche und neue Klangwelten. „Für mich ist der Mix der Kulturen wahnsinnig bereichernd“, beschreibt Bründl die Zusammenarbeit mit den Georgiern. Über die Musik sei der Zugang zu den Menschen – Musikern ebenso, wie zum Publikum – „super easy“ und Grenzen, auch geografische, würden verschwinden.

Eine exponierte Stellung nahm bei dem Musik-Tanz-Projekt der Tänzer Alexandre „Lexo“ Chumburidze ein. Im aktuellen georgischen Kulturleben nimmt er eine Schlüsselposition ein und ist fast ständig mit bekannten Ensembles weltweit auf Tour. Bei Samaia tanzte er bei traditionellen Mugham-Melodien klar vorgegebene traditionelle Figuren und Formen – begann dann aber zu improvisieren und mit den Musikern zu interagieren, wenn die musikalischen Formen offener und freier wurden. „Whow, erstaunlich“, gerät Bründl jetzt noch ins Schwärmen, wenn er sich an die Auftritte in Tiflis und beim internationalen Festival  in Tsinandali erinnert, „Lexo zu erleben ist ein einzigartiges Erlebnis“.

Tsinandali-Festival lädt Samaia für 2022 ein

Das noch junge Tsinandali-Festival in der georgischen Ostprovinz Kachetien fand heuer zum dritten Mal statt. Dort traten bereits die berühmte Pianistin Martha Argerich und die in Deutschland lebende Geigerin Lisa Batiashvili auf. „Dieses Festival ist unglaublich“, berichtete Batiashvili in einem Interview. „Einige meiner Kollegen kannten Georgien überhaupt nicht. Dass sie jetzt die Schönheit des Landes kennengelernt haben, ist dem Tsinandali-Festival zu verdanken: Es ist ein wichtiger Ort für die georgische Kultur.“ Für Samaia war der Auftritt ein Triumph. Sie sind für 2022 gleich wieder eingeladen worden, um zusammen mit einem großen Orchester und Chor aufzutreten.

Ob sich das realisieren lässt, ist noch nicht ganz klar. Bisher ist das Projekt von der thüringischen Staatskanzlei und vom Ministerium für Inneres und Kommunales gefördert worden. Ein wesentlicher Beitrag zur Finanzierung kam auf Antragstellung hin vom Auswärtigen Amt, dem wesentlich an der Förderung des Kulturaustausches mit dem kaukasischen Land gelegen ist. Das zeigte sich auch bei einem Empfang, zu dem der deutsche Botschafter Hubert Knirsch in Tiflis die Musiker und Ensemblemitglieder eingeladen hatte. Ob es möglich wäre eine Kostprobe des Samaia-Programms zu bekommen, fragte dieser die Bandleader, woraufhin drei Chorsänger, Solosänger Misho Javakhishvil, „Lexo“ und der Trompeter Frederik Köster spontan zu performen begannen. Die Improvisation, die aus einem traditionellen Lied entstand fand Bründl „genauso spannend, als würdest du mit Jazzmusikern Stella By Starlight improvisieren“.

Georgien zählt für den Weimarer Professor seither „zu meinen Favoriten“, begeistert er sich über das Land und die Menschen „Ich habe Blut geleckt“, meint er lachend und erzählt von der großen Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen, die er getroffen hat und den Begegnungen mit der einzigartigen Landschaft der einstigen Sowjetrepublik im Südkaukasus, die sich immer ihre kulturelle Eigenheiten bewahrt haben.

 

Info: Besetzung von Samaia bei der Georgien-Tour im Sommer 2021

Zaza Miminoshvili (g, comp. Arr), Manfred Bründl (bass), Lexo Chumburidze (laed dance), Misho Javakhishvili (lead-vocal), Frederik Köster (tp), George Salagishvil (perc, drums), Special guests: Gaga Abashidze (voc), Lasha bedenashvili (voc)

 

manfredbrundl.com/samaia

Text: Michael Scheiner

Beitragsbild: Samaia – ein einzigartiges deutsch-georgisches Musik-Tanz-Projekt

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