Die Offene Jazz Haus Schule (OJHS) in Köln feiert den 40. Jahrestag ihrer Gründung

Das Reservoir einer Kulturmetropole

Die Offene Jazz Haus Schule (OJHS) in Köln feiert den 40. Jahrestag ihrer Gründung – Rainer Linke übergibt die Schulleitung an Joscha Oetz

Als die  Offene Jazz Haus Schule (OJHS) 1980 in Köln von Mitgliedern der Initiative Kölner Jazz Haus gegründet wurde, reagierte sie auf einen spürbar gewordenen Mangel in der musikpädagogischen Landschaft Deutschlands. Hier und da gab es an Musikschulen zwar ein

Jazz-Angebot, in dem mit Bigband-Arrangements gearbeitet wurde und die und sich in Selbstverständnis und Methodik kaum von ihrem Umfeld unterschied, und an deutschen Musikhochschulen gab es noch keine ernsthafte und praktisch relevante Beschäftigung mit Jazz. Das und manches Andere hat sich seither grundlegend und tiefgreifend geänder. Die Entwicklungen, die in Köln ihren Ausgang genommen beziehungsweise sich dort abgespielt haben, haben daran erheblichen Anteil.

Der Bedarf nach pädagogischer und didaktischer Hinwendung zum Jazz wurde in Köln zunächst manifest anhand von Workshop-Angeboten, die unter maßgeblicher Initiative von Rainer Linke – damals auch Bassist in Formationen wie Riot oder Blau Frontal – angeboten wurden. Die Zahl der Workshop-Interessenten sowie der Unwille etwa in der Rheinischen Musikschule, darauf einzugehen, verwies auf eine neu entstehende Öffentlichkeit. Und die noch weitgehend oral-auralen Wege, auf denen sich die seinerzeit prägenden Musiker des deutschen Jazz ihrer Musik angenähert hatten, verwies auf die Notwendigkeit, neu über Musikpädagogik nachzudenken und die an den Musikschulen bewährten Ideen von Notentextlesen, Intonationsübungen und regelmäßigen Leistungsnachweisen nicht mehr im alleinigen Zentrum der pädagogischen Arbeit zu belassen.

Das waren allerdings nicht die einzigen Probleme, denen sich die Jazz Haus Schule ab 1980 gegenüber sah. Die praktische Arbeit war von Anfang an geprägt durch Finanzierungsfragen und Raumprobleme; beide bilden gewissermaßen ein Kontinuum der Arbeit seit 1980.

Die Anfänge im baulich nicht sonderlich geeigneten Bayenturm, dessen Vergabe an das Feministische Archiv nach 1988, der Umzug in die baulich auch nicht ideale mittelalterliche Eigelstein-Torburg 1990 sowie eine mählich beginnende finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand  brachten Verbesserungen, aber meist nur vorübergehend und lösten keines der Probleme dauerhaft und zufriedenstellend.

Ab 1983 begann die Jazz-Arbeit mit Kindern an der OJHS. Ab 1984 gab es jährliche Tagungen zu musikpädagogischen Themen in Hamburg (1984), Remscheid (1985) und Hannover (1986), und 1985 erschien unter Verantwortung der OJHS als Signal für den Beginn einer neuen Ära der Musikpädagogik die Publikation „Materialien für die Arbeit mit Jazzgruppen“. Die OJHS zählte 250 Kurs-Teilnehmer, die Dozenten rekrutierten sich aus der Kölner Jazz-Szene und arbeiteten – wie bis heute – auf Honorar-Basis. An der Hochschule für Musik und Tanz zeichneten sich erste Veränderungen ab

Ab Mitte der 1990-er Jahre konsolidierte und professionalisierte sich die Arbeit an der OJHS zunehmend. Die Eigelstein-Torburg wurde aus Eigenmitteln und mit finanzieller Hilfe der Stadt Köln und des Landes NRW sowie der Stiftung Deutsche Jugendmarke renoviert, die OJHS wurde in den Jugendkulturbericht des Landes als modellhafte musik- und kulturpädagogische Einrichtung übernommen, und die Schule erweiterte inhaltlich und in der Fläche ihren Einzugsbereich. Sie legte neue Schwerpunkte auf soziokulturelle Arbeit und war die erste musikpädagogische Einrichtung in Deutschland, die systematisch und mit authentischem Personal den HipHop in ihr pädagogisches und kulturelles Programm aufnahm. In Kooperation mit Kölner Schulen wurde die Arbeit schon seit dem Ende der 1980-er Jahre  zunehmend dezentral geordnet, was aber die räumlichen Probleme nur zum Teil löste und die organisatorischen vervielfachte.

Die Chronik der Erfolgsgeschichte reißt hier keineswegs ab, im Gegenteil, sie intensivierte sich seit Beginn des neues Jahrhunderts. Die OJHS schöpft aus dem riesigen kulturellen Reservoir einer Kulturmetropole, das durch die Präsenz von Rundfunksendern (Deutschlandfunk, WDR) und die Hochschule für Musik und Tanz ein tief greifendes Netzwerk in der Stadt und über sie hinaus gebildet hat.

Heute ist die Kölner Jazzhaus Schule eine weithin angesehene und sogar ökonomisch im Vergleich zur Gründerphase gut konsolidierte Einrichtung sowie ein relevanter Arbeitgeber im pädagogisch kulturellen Bereich. Gleichwohl ist sie bisher nicht in der Lage, pädagogische Kräfte anzustellen; nach wie vor werden Dozenten ausschließlich aus den Gebühren finanziert. Allerdings gibt es mittlerweile an die 5000 Teilnehmer an den Angeboten der OJHS. Dass die Verwaltung und Organisation nach wie vor nur einen kleinen Apparat gebildet hat, liegt auf der Hand.

Einen wichtigen Teil der Arbeit nimmt die Reflexion der musikpädagogischen Arbeit ein sowie die Weiterbildungsinitiativen für Dozenten. Darüber gibt eine stattliche Publikationsliste, die auf der Website der Schule unter „JazzHaus-Einblicke“ rubriziert sind. Und die neueren Entwicklungen der städtischen Haushaltspolitik verweisen auch auf eine verstärkte Anerkennung der Arbeit der OJHS, wenngleich die Corona-Lockdown-Folgen noch nicht absehbar sind.

Rainer Linke, der an der Gründung der OJHS maßgeblich beteiligt war und die Schule seit ihren Anfängen aufgebaut und verantwortlich geleitet hat, gibt in diesem Sommer die Leitungsfunktion weiter – wieder an einen Kontrabassisten: Joscha Oetz, der selbst der OJHS manches verdankt, wird ab August hier die Funktion des geschäftsführenden Schuldirektors innehaben. Er leitet dann eine kulturpädagogische Institution, die renommiert und bestens vernetzt ist und immer noch voller Innovations-Potential steckt.

Text: Hans-Jürgen Linke

Foto: Ute Linke

 

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