Die Wüste lebt – Das Bahrain Jazz Fest

Selbst in Bahrain gibt es jetzt ein Jazzfestival. Expansion ist Programm

Die Liste der Länder, die auf der – wegen COVID-19 auf 29. April bis 2.Mai 2021 verschobenen – Messe Jazzahead in Bremen vertreten gewesen wären, ist auf der Jazzahead-Homepage alphabetisch sortiert. 23 Nationen sind es inzwischen, was – ebenso wie Kanada als Gastland – die wachsende internationale Bedeutung der deutschen Jazz-Fachmesse unterstreicht, zumal andere Szene-Meetings wie auf der MIDEM weggebrochen sind. An erster Stelle taucht ein Land auf, an das man beim Stichwort Jazz wohl bisher kaum gedacht hat: Bahrain.

Musik für die ganze Familie: Das Jazz Fest im Inselstaat Bahrain. Foto: Oliver Hochkeppel

Auch das Königtum in der Golfregion hat nämlich seit drei Jahren sein Jazzfestival. Und nicht nur das, das Bahrain Jazz Fest ist in dieser kurzen Zeit schon zum „größten nationalen Musik-Festival und authentischsten Jazz-Festival der Region“ geworden, wie die Veranstalter stolz auf der Homepage verkünden. Dass dieses Ereignis natürlich nicht aus dem eigenen Kulturleben erwachsen, ja vielleicht generell weniger einem kulturellen als vielmehr einem touristischen Ansatz zu verdanken ist, macht schon das Gründer-Triumvirat klar: Der künstlerische Direktor Michael Goodger ist ein amerikanischer Ex-Pat, der im Hauptberuf als Wein-Manager beim bahrainischen Lebensmittel-Vertriebs-Konzern BMMI arbeitet; der südafrikanische Mit-Initiator Paul Gindra, zuvor Chefkoch an großen internationalen Hotels, kam als Gastro-Manager zum Golf Club Bahrain, wo das Jazz Fest ausgerichtet wird; der aus Indien stammende Jude D’Souza schließlich ist ein „Business Development Manager“, der von Sportmarketing über Filmproduktion bis zur Luxusgüter-Import-Firma schon einiges gemacht hat; inzwischen ist die beiden letzteren als Gründer und Chefs der Eventfirma „Clockwise“ ganz unter die Veranstalter gegangen.

Alle drei aber lieben Jazz, und aus ihrer kleinen Chat-Gruppe, die eine Jazz-Initiative anregen wollte, erwuchs 2017 in kürzester Zeit ein Festival – Wachstum liegt in Bahrain grundsätzlich im Trend und wird aktuell bei Tourismus-Projekten, die das Land bekannter und von der Öl- und Gas-Industrie unabhängiger machen, uneingeschränkt gefördert. Dank ihrer guten Wirtschaftskontakte fanden die drei auch problemlos Sponsoren. Über 20 sind es, unter anderem konnte man bei der jüngsten Jazz-Fest-Ausgabe im November 2019 im Service- und Cateringbereich auch den neuesten Porsche besichtigen. Es ist dem Autor nicht bekannt, dass Porsche auch in Deutschland ein Jazzfestival fördern würde.

Was aber wird dort gefördert? Das Bahrain Jazz Fest – eintägig, aber mit immerhin 13 Bands plus Aufwärmkonzerten vorab – ist in der Tat ein Jazzfestival der besonderen Art. Das Programm ist verständlicherweise weniger an den Erwartungen von Jazzkennern ausgerichtet, vielmehr stützt es sich auf Bands mit hohem Pop-, Rock- oder Weltmusik-Anteil, um das alles andere als mit Jazz sozialisierte Publikum behutsam ans Genre heranzuführen. Dabei hat man durchaus die – auch vom hohen Ausländeranteil der Bevölkerung angeregten – Entwicklung der eigenen Szene im Kopf. Mittags durften „eigene“ Bands – meist mehrheitlich mit in Bahrain lebenden westlichen Musikern besetzt – wie The Relocators, Jack Rabbit Slims and This Might Be Jazz anheizen.

Danach kamen Party-Jazzbands an die Reihe, die britischen Flash Mob Jazz, die alte Standards, aber auch moderne Pop-Hits ins klassische Swing-Gewand kleiden, oder das erdige amerikanisch-spanische Quartett Lone Star Blues, das sich nicht ohne Grund nach einem Delbert McClinton-Song benannt hat. Als Headliner traten Spyro Gyra an, Jay Beckensteins seit über 40 Jahren bewährte, zehn Mal für den Grammy nominierte Fusion-Truppe, die wenige Tage später dann zum Beispiel auch bei den Jazztagen Ingolstadt zu sehen war. Eine sichere Sache, auf die zum Ausklang schließlich noch der mutigste Programmpunkt folgte: Die vielköpfige Londoner Afro-Fusionband Nubiyan Twist, die sich als Incognito für das 21. Jahrhundert präsentierte: druckvoll, eingängig, aber auch mit dem aktuellen, speziell in den arabisch-afrikanischen Raum ausgreifenden Elementen.

Interessanter als das Programm war aber das Setting: Ein richtiges Multi-Kulti-Volksfest für die ganze Familie entspann sich da auf dem Golfplatz-Gelände. Alles in allem 5000 Menschen, Einheimische, indische Gastarbeiter, Amerikaner – vor allem vom Marinestützpunkt in Manama -, Briten (bis 1959 war das Land bekanntlich Kronkolonie) und viele andere ließen es sich gut gehen, ohne sich allzusehr auf die Musik zu fokussieren.

Was, vom mit Teppichen, Strohballen und diversen Getränke- und Food-Stationen Platz vor der riesigen Bühne über das alle abholende Programm bis zur perfekten Organisation durchaus mal ein Vorbild für hiesige Jazz Open-Airs sein könnte. In jedem Fall ist das Bahrain Jazz Fest ein weiterer Beleg, dass sich auch die kulturelle Globalisierung nicht aufhalten lässt. Und vielleicht führt eine Jazzahead-Präsenz in 2021 ja dazu, dass bald auch eine deutsche Jazzband einmal in Bahrain auftritt.

Text und Fotos: Oliver Hochkeppel

 

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2 Kommentare

  1. Kann man irgendwo überm, im oder unterm Text darauf hinweisen, dass es in diesem Jahr keine jazzahead! geben und sich somit auch Bahrain mit seinem Jazzfestival erst womöglich im kommenden Jahr in Bremen präsentieren wird? Just saying …

Kommentare sind geschlossen.