Jazz Prekär? Zu einer Tagung

Aus der aktuellen Printausgabe der JazzZeitung (auch digital erhältlich unter diesem Link): ein Artikel von Jonas Pirzer (UDJ) – Zur Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Evangelischen Akademie Loccum war die Union Deutscher Jazzmusiker eingeladen, um über Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker zu berichten. Das etwas provokante Motto der Tagung lautete: Kreatives Prekariat – Wie lebt es sich von und mit der Kunst. Prekariat, heute Teil des Alltagsvokabulars und so selbstverständlich leicht von den Lippen gehend wie Mittelstandsbauch, Pendlerpauschale oder Krimkrise bietet eine politisch korrekte Begriffsalternative zur hochwertenden „Unterschicht“. Ihm zugerechnet werden Menschen, deren sämtliche Lebensumstände als schlecht bezeichnet werden können; charakterisiert durch Armut, Arbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau, Krankheit und/oder schlechte Zukunftsaussichten. Was ist also Kreatives Prekariat? Die meisten Künstlerinnen und Künstler sind hochgebildet, hochproduktiv und hochmotiviert! Prekär sind hier in erster Linie die ökonomischen Umstände. Unterdurchschnittliche Vergütung, lockere, Konjunkturschwankungen unterliegende Arbeitsverhältnisse und damit verbundene Unsicherheiten kennzeichnen die soziale Lage im Jazz wie in allen überwiegend freien Künstlerberufen. Feste künstlerische Stellen gibt es nur sehr wenige. Das Berufsbild Jazzmusiker ist heute extrem vielschichtig, die Anforderungen vielfältig. Einkünfte werden in der Regel in vier großen …

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Wechsel an der Spitze: ein Interview mit Gebhard Ullmann, dem neuen UDJ-Vorsitzenden

Als einen emotionalen Menschen, der „auch und gerne aneckt, stets aber das Machbare im Blick hat“, bezeichnet sich Gebhard Ullmann selbst. Der 56-Jährige ist vielfach ausgezeichneter, international renommierter Saxophonist, Bassklarinettist, Flötist, Komponist und seit November 2013 neuer Vorsitzender der Union Deutscher Jazzmusiker. JazzZeitung: „Jazz ist, was wir draus machen – musikalisch aber auch politisch und gesellschaftlich!“ Dieser Satz stammt von dir. Engagierst Du Dich deshalb jetzt in der UDJ in erster Reihe? Gebhard Ullmann: Ich bin früh in die UDJ eingetreten, weil ich das wichtig fand. Dann habe ich mich in der sich neu organisierenden Berliner Szene der 80er sehr engagiert. Angesichts der aktuellen Entwicklungen finde ich die UDJ noch viel wichtiger. Ich will mitgestalten und möchte dies allen anderen auch ans Herz legen: Jammern hilft nicht! JazzZeitung: Zunächst warst Du also politisch sehr aktiv, hast Dich aber dann auf die Musik konzentriert, nun „back to politics“ – wie kommts? Ullmann: Ich wollte mich um meine Musik kümmern, „das kann ich auch alleine“ war für eine Weile das Credo. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben. Sicher war ich nach dem Engagement der 80er auch enttäuscht, interessanterweise …

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Beruf: Jazzmusiker (5) – Zusammen ist man weniger allein

Jazzmusiker sind oft als Einzelkämpfer unterwegs in einem Arbeitsfeld, das sehr auf den „ganz eigenen, persönlichen Stil“ fixiert ist. Jeder sucht für sich nach einer Nische, einer Marktlücke, in der er sich sein Auskommen sichern kann. Und die Kollegen sind immer auch ein Stück weit Konkurrenten. Wollen wir unser Werk einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen, ist es fast unumgänglich, dass wir uns in Abhängigkeiten begeben – zu Konzertveranstaltern, Booking-Agenturen, Labels oder Musikverlagen. Solange es dem Marktsegment, in dem wir Einzelkämpfer uns bewegen, einigermaßen gut geht – und das war im 20. Jahrhundert recht lange so –, funktioniert diese „Infrastruktur“ und wir können wir es uns leisten, unseren individualistischen Ansatz konsequent zu verfolgen. In schwierigen Zeiten aber – und momentan sind sie etwas schwierig – wird schnell deutlich, dass der einzelne Musiker das schwächste Glied der Kette ist. Gehen die Einnahmen aus Konzertkarten- und Tonträgerverkauf zurück, reichen Veranstalter, Agenturen und Labels das wirtschaftliche Risiko stets an den Musiker weiter, um ihr eigenes wirtschaftliches Überleben zu sichern. Da wir Musiker aber niemanden haben, auf den wir das Risiko abwälzen könnten, stehen wir plötzlich vor der Frage, für …

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Gebhard Ullmann übernimmt Vorsitz der Union Deutscher Jazzmusiker

Der Berliner Multiinstrumentalist und Komponist Gebhard Ullmann ist neuer Vorsitzender der Union Deutscher Jazzmusiker. „Nach zwei sehr intensiven und fruchtbaren Jahren freue ich mich über einen so renommierten und hochgeschätzten Kollegen als Nachfolger“, so Julia Hülsmann, die der Union Deutscher Jazzmusiker seit Februar 2012 vorgestanden hatte und auf eigenen Wunsch nicht mehr kandidiert hatte. Gleichzeitig löst der Kölner Pianist Benjamin Schaefer den Berliner Schlagzeuger Christian Lillinger im Vorstand ab. „Ich freue mich auf die kommenden Aufgaben und über das Vertrauen der Mitglieder“, so Gebhard Ullmann nach der Wahl auf der Mitgliederversammlung. „Dabei kann ich an die hervorragende Arbeit meiner Vorgängerin und des Vorstands anknüpfen und für den Jazz aus Deutschland eine starke Stimme sein. Ich habe keine Angst auch mal anzuecken, ohne dabei das Machbare aus den Augen zu verlieren“. Mehrere Schwerpunkte stehen für die Arbeit der Union Deutscher Jazzmusiker in den kommenden Monaten an. Zunächst geht es nach wie vor um die weitere Professionalisierung des Berufsverbandes, der sich erst Anfang 2012 neu aufgestellt und runderneuert hatte. Gleichzeitig sollen die guten politischen Kontakte auf Bundesebene nach der Bundestagswahl erneuert und ausgebaut werden, um das in …

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„Jahre und Jahre Jazz-Lobby“: Der lange Weg zum Spielstättenprogrammpreis

Felix Falk, Saxophonist, stellvertretender Vorsitzender der Union Deutscher Jazzmusiker, Sprecher der Bundeskonferenz Jazz und Jurymitglied des Spielstättenprogrammpreises im Gespräch. – Der neu eingerichtete Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop und Jazz wurde in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. Vom Bundestag mit einer Million Euro finanziert, durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Hamburg am 25. September überreicht, von der Initiative Musik gGmbH organisiert. Über die Hälfte der Preise und mehr als 400.000 Euro der Prämien gingen an Jazzclubs. Wie kam das zustande? Wir sprachen mit Felix Falk, einem der Väter des Preises und Mitglied der Preisjury.

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Nils Wogram erhält Albert Mangelsdorff-Preis 2013

Bisher wurde der Albert-Mangelsdorff-Preis (Deutscher Jazzpreis) der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) für das Lebenswerk verliehen. Die personell völlig neu aufgestellte UDJ hat sich in diesem Jahr für eine Öffnung der Auswahlkriterien des Preises entschieden. Somit konnte die Jury den Posaunisten und Komponisten Nils Wogram gestern im Rahmen des Jazzfests Berlin als bis dato jüngsten Preisträger ehren. Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der GEMA-Stiftung, dem Förderungs- und Hilfsfonds des Deutschen Komponistenverbandes und der GVL gestiftet. Überreicht wurde der Preis erstmalig in Form einer Trophäe des Berliner Metallbaukünstlers Wolfgang Seidel von Julia Hülsmann, Vorsitzende der Union Deutscher Jazzmusiker. Die Laudatio hielt der Publizist Hans-Jürgen Linke, der die Arbeit des Preisträgers seit Jahren verfolgt:  „Nils Wogram steht mit beiden Beinen in der Jazzgeschichte, aber wie alle Posaunisten hat er seine Beine nicht nur zum Stehen und Geerdetsein. Er bewegt sich, und Jazzgeschichte ist für ihn immer eine Herausforderung zur Aneignung, die durchaus kompliziert ausfallen kann. In Root70 hat er gemeinsam mit Hayden Chisholm mikrotonale Spielweisen entwickelt, mit denen er sein eigenes Verständnis von Jazz auflädt. Vor einigen Jahren gab es zum Beispiel ein Album, das …

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Freier Jazz – arme Kunst

Zum Interview von Karl Lippegaus mit Peter Brötzmann – Peter Brötzmann hat vor kurzem Karl Lippegaus ein Interview gegeben, das sich insbesondere mit dem Verhältnis von künstlerischer Freiheit und finanziellem Auskommen beschäftigt und sinnigerweise mit „Freiheit macht arm“ überschrieben ist. Vorweg: In den Aussagen von Brötzmann findet der schon seit Jahrhunderten geäußerte Widerspruch Ausdruck, dass die Kunst frei sein soll, dass sie andererseits bezahlt werden will oder anders: Der Künstler will keine Beschränkung in seinem Schaffen erfahren, aber trotzdem oder gerade deshalb soll er davon leben können. Die Frage ist: Wer zahlt? Brötzmann möchte – das ist noch einigermaßen verständlich – nicht dem Staat auf der Tasche liegen, und der Veranstalter soll eine angemessene Gage zahlen. Kurios ist hier nur, dass der Veranstalter ohne öffentliche Förderung (gespeist aus unseren Steuergeldern) meist gar nicht zahlen könnte, auf keinen Fall angemessen und erst recht nicht für eine Musik, die Brötzmann spielt – mit Verlaub. Da dieser Widerspruch rein subjektiv nicht aufzulösen ist, bleibt es – geliebt oder nicht – der Lobby – beispielsweise der Union Deutscher Jazzmusiker und der Bundeskonferenz Jazz- überlassen, Möglichkeiten der Förderung mit dem …

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Der Innovator – Albert-Mangelsdorff-Preis 2013 geht an Nils Wogram

Der Posaunist und Komponist Nils Wogram erhält den Albert-Mangelsdorff-Preis 2013 (Deutscher Jazzpreis). Der von GEMA-Stiftung, Deutschem Komponistenverbandes und GVL mit 15.000 Euro dotierte Preis wird von der Union Deutscher Jazzmusiker seit 1994 alle zwei Jahre an herausragende Persönlichkeiten der deutschen Jazzszene verliehen. Die Verleihung findet am 3. November 2013 im Rahmen des Jazzfests Berlin statt, bei der die UDJ gleichzeitig ihr 40-jähriges Jubiläum feiert. Nils Wogram ist nicht nur der erste Posaunist der den Preis erhält, sondern auch der bisher jüngste Preisträger. Die Union Deutscher Jazzmusiker hatte die Kriterien der Preisverleihung erweitert, um „die hochspannenden aktuellen Entwicklungen des Jazz aus Deutschland“ noch besser berücksichtigen zu können. Die hochkarätige Jury hatte sich für Wogram, der heute als einer der wichtigsten Jazzmusiker Europas gilt, entschieden, weil er neben seiner technischen Brillanz und seiner großen Innovativität tief in der Jazzgeschichte verwurzelt sei. Er sei als Solist, Bandleader und Komponist ungemein produktiv, betreibt sein eigenes Plattenlabel und unterrichtet an der Hochschule Luzern. Auch über sein künstlerisches und pädagogisches Engagement hinaus, setze sich Nils Wogram für die Belange der Jazzszene ein. Wir werden bei der Verleihung live dabei sein und …

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Der Jazz in Baden-Württemberg

Nach einigen – zumindest von außen so wahrnehmbaren – aufregenden Wochen scheint zunächst im Ländle wieder eine gewisse Beruhigung eingetreten zu sein – vielleicht so konkret, dass z.B. die Schließung des Jazz-Studiengangs in Stuttgart vom Tisch ist. Wolfgang Dauner, einer der Aktivisten gegen die Hochschulpläne wird anlässlich der Verleihung des Albert-Mangelsdorff-Preises am 3.11. in Berlin und im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum 40jährigen Bestehen der Union Deutscher Jazzmusiker die Gelegenheit haben, über den aktuellen Stand zu berichten und seine Einschätzung dazu abzugeben. Von 27 Musikhochschulen in Deutschland bieten allein 17 komplette Jazz-Studiengänge an; und auch an den anderen wird Jazz unterrichtet. Dass ist ein Erfolg dieser Musik schlechthin. Konsequenz ist natürlich, dass es einen regelmäßigen „Output“ von hochqualifizierten jungen Jazzmusikern gibt, die auf dem Musikermarkt ihre Position finden wollen – und dies zu einem finanziellen Auskommen, das unter der Voraussetzung ständigen Übens und Kreativ-Seins mindestens bis zum Rentenalter anhalten muss. Nachdem Deutschland zu einem Land mit der wohl weltweit einmalig besten Förderung von Jazzmusikern geworden ist, muss es sich dem Anspruch stellen, dass dieses Potential unserer Gesellschaft zur Verfügung steht – zu Gagen, die dieses Potential …

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