Traumzitate fließen in Musik – die Schweizer Sängerin, Vokalkünstlerin und Stimmcoach Saadet Türköz

Zürich. Sie sieht sie „eigentlich nicht als typische Musikerin“. „Ich kenne keine Noten“, erklärt Saadet Türköz und will das auch nicht als Koketterie verstanden wissen. „Ich bin keine Volkssängerin, keine Jazzsängerin“, formuliert die 60-jährige Züricherin, die seit rund drei Jahrzehnten als Sängerin, Vokalkünstlerin und Improvisationsmusikerin tätig ist. Seit Anfang der 1990er Jahre hat sie mit zahlreichen Musikerinnen und Künstlerinnen zusammengearbeitet, darunter Elliott Sharp, Nils Wogram, Hans Hassler, Fritz Hauser, Lionel Friedli, Julian Sartorius und Koch-Schütz-Studer aka Hans Koch, Martin Schütz und Fredy Studer, Paul Lovens, Bertl Mütter und andere. In den Bereichen Video, Theater, Film, Tanz und Literatur arbeitete sie unter anderem mit Pipilotti Rist, Sven Holm und Nikola Weisse. Aufzählungen, die sich scheinbar beliebig verlängern lassen und doch nur schlaglichtartig das vielfältige Schaffen Türköz‘ beleuchten. Das hat mit ihrer eigenständigen künstlerischen Persönlichkeit, aber auch den Genres zu tun, in welchen die Schweizerin aktiv ist. Es ermöglicht ihr mit südafrikanischen Musikern wie ZIM Ngqawana ebenso intensiv zu interagieren, wie mit der Wuppertaler Geigerin Gunda Gottschalk oder traditionellen kasachischen Musikern. Werbung Im Bereich freier, improvisierter Musik kommt es häufig zur Zusammenarbeit von Künstlern,  die dann oft …

Weiterlesen

Tobias Meinhart und seine Band im Regensburger Jazzclub Leerer Beutel

Einhellig begrüßten Vorstandsmitglied beim Jazzclub Alfred Merkel, die Musiker um Tobias Meinhart und das Publikum mit lautem Beifall das erste Konzert ohne die Pflicht zum Tragen einer Maske. „Endlich schaue ich wieder in Gesichter“, freute sich Merkel bei der Begrüßung und Meinhart gestand, dass „wir glücklich sind nach langer Zeit vor so vielen Leuten spielen und euch sehen zu können!“ Im voll besetzten Leeren Beutel genossen die 3G-Besucher aber nicht nur ihre neu gewonnene Gesichtsfreiheit. Vom ruhigen Beginn an wurde der gebürtige Regensburger, der mit seiner Band das neue Album „The Painter“ – der Maler – vorstellte, nachdrücklich gefeiert. Quer durch alle Altersgruppen waren die Menschen spürbar dankbar, die Begegnung mit anderen während eines lang erwarteten Konzertes in vollen Zügen genießen zu können. Werbung Das musikalische Futter lieferten die vier Musiker mit einer Energie, Spielfreude und einem Feuerwerk an Ideen, die die Aufmerksamkeit bis zur letzten Sekunde fesselten. Das gilt sicher auch für die zwei älteren Frauen, die der Veranstaltung schon zur Pause den Rücken kehrten. Im Brustton der Überzeugung meinte eine zu ihrer Begleiterin: „Geh, so schlecht san`s doch garnet!“ Bereits beim ersten Stück …

Weiterlesen

Samaia, ein interkulturelles Musik-Tanz-Projekt erlebte Premiere in Georgien

„Three Minutes To Earth“ hieß 2014 der georgische Beitrag zum ESC, dem Eurovision Song Contest. Es war ein untypischer, ziemlich schräger Song mit ethnisch angehauchtem Jazzrock, mehrstimmigem Gesang und afrikanischer Rhythmik – der es prompt nicht uns Finale schaffte. Geschrieben wurde der komplexe Dreiminüter von  dem georgischen Komponisten, Arrangeur und Gitarristen Zaza Miminoshvili, präsentiert von The Shin und Mariko Ebralidze, einer in Georgien sehr bekannten Sängerin. Dass der in Stuttgart lebende Georgier den Auftrag für den ESC-Beitrag erhielt, hat mit seiner tiefen Verbundenheit zur georgischen Kultur und Musik zu tun. Diese kommt auch in der Musik von „The Shin“ zum Ausdruck, einem Ethnojazz-Ensemble das Miminoshvili Ende der 1990er Jahre zusammen mit Zurab Gagnidze gegründet hat. In der Begegnung des musischen Georgien mit der Musik verschiedener Länder und Kulturen hat es seine Bestimmung gefunden hat. Kaukasische Begegnung – Mugham trifft auf Schuhplattler Heuer im Sommer ist Miminoshvili erneut mit einem spektakulären Projekt in Georgien unterwegs gewesen. Der Stuttgarter hat es gemeinsam mit Manfred Bründl, Bassist und Professor an der Musikhochschule Franz List in Weimar, auf die Beine gestellt. Samaia nennt sich dieses einzigartige deutsch-georgische Musik-Tanz-Projekt. Im …

Weiterlesen
Werbung

Facetten eines ausgewanderten Oberpfälzers – David Plates neues Album

Die vermaledeite Zeit der Lockdowns hat auch der Kölner Gitarrist mit Oberpfälzer Wurzeln David Plate genutzt und Musik für ein neues Album geschrieben. Modern Jazz und Fusion, Funk und sogar Flamenco, sowie Rockmusik in mehr oder weniger deutlichen Dosen sind die stilistischen Säulen von „Bull’s Eye“. Eingespielt in einer Septettbesetzung mit drei Bläsern, klingt das Album wie im suiteartig angelegten „Caraway Seed“ manchmal wie kleine Bigband, einem Format für welches Plate tatsächlich öfter Arrangements schreibt. Erschienen ist es, wie auch Plates Solo- und andere Alben, auf dem künstlereigenen Label mit dem wunderbaren Namen Coffee Break Records. Komplexe Strukturen Die Kompositionen vereinen komplexe Strukturen mit eingängigen Themen. Die Musik ist groovy, dabei durchaus von einer sinnlichen Eleganz und reich an Nuancen und Klangfarben. Und sie kann auch mitreißen, wenn etwa in „Chasing“ über einem markanten Groove, den Alex Morsey mit seinem E-Bass vorantreibt, Plate und Hubert Winter auf dem Sopransaxofon mit schwindelerregenden Soli ihre DNA in den Song einschreiben. Werbung   Poetisch-zauberhaft Nach diesem funky Feuerwerk vollführen Stimmung und musikalische Form in „Kokopelli“ eine radikale Wendung hin zu einer poetisch-zauberhaften Stimmung, in die man von einem …

Weiterlesen

Wenn Kaa auf der Duduk gleitet – Hörbuch mit Musik von Martin Auer

Grimmig widersetzt sich Mutter Wolf dem Herr des Dschungels, Shir-Khan: „Das Menschenjungen gehört uns. Es bleibt hier!“ Verärgert wendet sich der hungrige Tiger, nachdem er seine Chancen auf einen Kampf abgewogen hat, und zieht davon. Begleitet vom Geheul des Wolfsrudels und drohendem Geklöppel auf dem Marimbafon, welches sich im Zusammenspiel mit Blech- und Holzbläsern, Perkussion und Streichern zu einem majestätisch-stolzem Orchesterklang entwickelt. (Beitragsbild Martin Auer von Michael Scheiner) Klassiker im Kinderzimmer Martin Auer, Trompeter und vielbeschäftigter Arrangeur, hat im Auftrag der Deutschen Oper Berlin die Musik für eine musikalisches Erzählkonzert geschrieben, dessen Thema in fast jeder Familie präsent ist. Die Story um das Findelkind Mowgli, das von Wölfen aufgezogen wird, gehört zu den Klassikern in Kinderzimmern. Meist in der fröhlich-bunten  Fassung des gleichnamigen Disney-Animationsfilms von 1967. Für das Liveprojekt mit der Bigband der Deutschen Oper ist die Abenteuergeschichte von Rudyard Kipling von Rüdiger Ruppert bearbeitet worden. Verknüpft mit der Musik von Auer ist eine spannende, reduzierte Fassung des Originaltextes entstanden. Gesprochen mit der unverwechselbaren Stimme von „The Voice“ Christian Brückner kann diese regelrecht Gänsehaut erzeugen und so tief hineinziehen, dass eine ganze schaurig-schöne Welt entsteht. …

Weiterlesen
Werbung

Im Dada-Marsch Berge bezwingen  – neue CD von Pago Libre

Wenn der Berg ruft ist der Jodler nicht weit. Komplettieren Jazz und Schweiz das klangsensible Duett, ist es meist eine erfrischend uncoole Jodlerin, die in diversen Suchmaschinen aufploppt. Bei den Mountain Songlines des in der Schweiz angesiedelten europäischen Quartetts Pago Libre ist es eher umgekehrt: Nicht der Berg ruft hier, sondern die vier Musiker um Pianist John Wolf Brennan und Gastjodlerin Sonja Morgenegg huldigen den Bergen um sie herum. Das beginnt mit der stimmungsvoll-getragenen „Hornborn Hymn“ und endet mit der etwas pathischen „The Melody of the Earth“, einer ruhigen Komposition des Alphornbläsers Arkady Shilkloper. Den melancholisch-feierlichen Klang von Klavier und Geige (Florian Mayer) erweitert Morgenegg mit ihren wortlosen Vokalisen. Klanglich fein ausgewogen Fast ist man erleichtert, dass ein angehängter Bonus Track mit einem Exzerpt aus verschiedenen Stücken noch einmal zu grooven beginnt und das Stimmungsruder  herumreißt. Insgesamt wirkt das klanglich fein ausgewogene und exzellent produzierte Album sehr verhalten und emotional ausgeglichen. Genremäßig und stilistisch ist es weit offen, lässt sich weder auf Jazz, Klassik/neue Musik noch Heimatsound festlegen, sondern mäandert durch alle Stilebenen. Repetitive Motive am Piano geben die jazzdominierte Basis für ausgiebige Horn- und Violinsoli. …

Weiterlesen

Bluesige Songs mit Bitternote: Stefanie Boltz und Christian Wegscheider – Jazzbaby!

Ein voller Terminkalender: Schon vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin im August können Zuhörerinnen (inkl. -hörer) dem Tiger ins Maul schauen und zuhören wenn er knurrt, brüllt oder tobt. Das „Gebrüll eines gezähmten Tigers“ ist Stefanie Boltz’ und Christian Wegscheiders erste gemeinsame Produktion. Sie entwickelten diese gemeinsam während des gleichermaßen zermürbenden, wie begünstigenden Lockdowns. Heuer nahmen sie die dabei entstandenen Songs zusammen mit einigen Gastmusikern auf. Vieles lief lange Zeit über Fernkontakte, digital, bis sich die Münchnerin Boltz „mit einem ganzen Stapel Unterlagen unterm Arm, erstmals nervös der (österreichischen, Anm.) Grenze näherte, und dann tatsächlich passieren durfte.“ Beide erlebten diesen Moment als „unglaubliches Freiheitsgefühl“. Sie hätten immer wieder gewitzelt, erzählt Boltz in einem Interview, „dass wir uns einfach auf einem Berg treffen. Da wiederum kursierten Gerüchte, dass die Feldjäger patrouillierten und Grenzgänger ‚jagten‘. Außerdem brauchten wir ja auch sein Studio und einen Flügel.“ Werbung Blues, Jazz und Chanson Das Warten, bis Grenzen wieder offen und Begegnungen wie Arbeitstreffen von Künstlern wieder möglich waren, hat sich gelohnt. „A Tamed Tiger’s Roar“ lässt allzu eindeutige und manchmal enge Stilgrenzen hinter sich und verbindet mit emotionaler Nachdenklichkeit und feiner Poesie …

Weiterlesen
Tobias Meinhart Quartet. Foto: Mariana Meraz

Jazzige Erinnerung: Album gemahnt an Tod von George Floyd

Während des Lockdowns hat Saxofonist Tobias Meinhart die Musik für ein neues Album geschrieben und mit seinem New Yorker Quartett aufgenommen. Im dritten Anlauf, da ist Tobias Meinhart ganz zuversichtlich, wird es diesen Herbst mit dem Auftritt im Theater Regensburg klappen. Das für Frühjahr letzten Jahres geplante Konzert musste der in New York lebende Saxofonist bereits zweimal absagen. Eine ganze Europatour ging vor über einem Jahr den Bach runter: „Ich saß in einem kleinen Cafe“, erzählt der aus Wörth (Donau) stammende Musiker, „als im Radio die Nachricht kam, dass die USA die Grenzen dicht macht. Ein Tiefschlag!“ Flüge, Hotels, Mietwagen – alles musste gecancelt werden. Werbung Da ahnte der 38-jährige Bandleader und Komponist, der schon einige künstlerische Erfolge vorzuweisen hat, noch nicht, was in den kommenden Monaten in der Stadt die niemals schläft, wie ein abgenudelter Slogan über New York City lautet, noch bevorstand. „Wir haben zwei Monate fast keinen Fuss vors Haus gesetzt“, beschreibt er die Situation mit seiner Freundin in ihrem Appartement. „Unten sind täglich die Kühlwägen mit den Toten vorbeigefahren, wir haben uns nicht mehr rausgetraut.“ Später hörte er von älteren Musikern, …

Weiterlesen

Lodernder Fusionsound – Trio Hovercraft mit „Midwife Crisis“

Bekommt jetzt auch die Jazzszene ihr -ismus–Skandälchen? Beim Titel „Midwife Crisis“ des Trios Hovercraft um den israelischen Saxophonisten Omri Abramov könnte die pc-Gemeinde immerhin auf die Idee kommen, eine verdächtige Portion Sexismus dahinter zu erkennen. Wer es bei der Musik belassen will, wird auf dem ersten Album der Band mit einem dichten, vorwärts drängenden Sound konfrontiert. Miami Vice lässt grüßen Der erinnert an die ausladenden Fusioneskapaden vorwiegend amerikanischer Prägung der 80er- und 90er-Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts. Erweitert um Effekte (mit dem Sax) und das selten gespielte elektronische EWI (Electric Woodwind Instrument), auf deutsch auch als Blaswandler bezeichnet, ziehen vor dem inneren Auge/Ohr älterer Jazzfans us-amerikanische Serien wie Miami Vice und deren akustische Erkennungsmelodien auf. Nun darf man den drei noch jungen Musikern keineswegs ein kraftvolles Segeln unter fremden Flaggen unterschieben. Immerhin sind sie teils sogar jünger als die alten Quotenbringer, dennoch gibt es eine gewisse Affinität zu konstatieren. Ein ausgiebiges malerisches Schlagzeugsolo – auch ein wenig ein Relikt – mit Stolperfallen und verwinkelten Rhythmen prägen das mehr als siebenminütige „Depredation“, das harmloser rüberkommt, als der Titel suggeriert. Beinahe sanft kommt das aus einem einfachen Motiv …

Weiterlesen

Wilder Energiestoß und Zärtlichkeit   – Trio Benares mit neuer CD

Es klingt vielleicht etwas despektierlich oder proletenhaft – aber bei gemeinsamen Unisonoläufen von Roger Hanschel und Prashant Mishra taucht manchmal das Bild als, als würden zwei gleichstarke Jungs um die Wette flitzen. Dabei geht es bei den Jungs, um bei dem Bild zu bleiben, gar nicht um ein Kräfte messen, wobei die beiden vom Dritten in der Runde, dem Tablaspieler Prashant Mishra, beherzt angefeuert werden würden. Vielmehr ist ihr mittlerweile mehr als sechsjähriges Zusammenspiel im Trio Benares ein Aufeinander einlassen, ein tiefes Eintauchen und sich  Öffnen gegenüber der Kultur und Musik des jeweils anderen. Das Liebäugeln zwischen Jazz und indischer Musik hat bereits eine längere Tradition, die von John Coltranes Spiritualität über Gabor Szabos „Jazz Raga“ und Irene Schweizer bis zum Trio Shakti mit John McLaughlin und natürlich Charlie Mariano reicht, der Galionsfigur für Weltmusik mit östlicher Prägung. Während in der Popmusik oft eine Aneignung ferner/fremder Einflüsse stattfindet, die heute als postkolonialer Kulturklau zu teils heftigen Auseinandersetzungen führt, standen sich indische Musik und Jazz meist neugierig und offen gegenüber. Verbindendes Element ist dabei die Improvisation, die in beiden Genres tief verwurzelt und unerlässlicher Baustein ist. …

Weiterlesen