Im Rausch der Roscher-Band   

Nach Jahren der Weihnachts-Zwangspause brachte die Bigband von Monika Roscher den Jazzclub Regensburg zum Kochen. Ob heute viele Musikerinnen derart selbstbewusst und energisch zupackend aufträten, wollte eine Zuhörerin nach dem gefeierten Auftritt der Monika Roscher Bigband wissen. Es seien heute deutlich mehr als vor drei oder vier Jahrzehnten und sie seien in allen Instrumentengruppen vertreten, lautete ein Teil der Antwort. Die Münchner Musikerin allerdings ist auch in der femininer gewordenen Jazzszene ein rares Talent. Außerhalb des Sichtkreises der Bühne schreibt, arrangiert und textet Roscher Musik für Streichquartett, ebenso wie für ihre Bigband, für Orchester und Bühneninszenierungen. Auf der Bühne agiert sie als Multitalent. Sie dirigiert, spielt mitreißend Gitarre, singt und übernimmt die Moderation. Dabei unterhält sie das begeisterte Publikum mit ihrer authentischen Mischung aus Charme und Leidenschaft. Bei aller Professionalität hat man bei der sympathischen Fränkin immer den Eindruck, dass sie ganz bei sich ist, wenn sie über die Entstehung ihrer Songs und Kompositionen erzählt. Ein solcher Song dreht sich um „8 Princesses“, die das Nordlicht stehlen wollen. Heftige Ausbrüche auf der Gitarre sind eingebunden in einen zwiespältig-gruseligen Groove über welchen düstere Bläserstaccatos laufen. Sie …

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Wuchtige Grooves, stille Momente: Kultband OM im Jazzclub Leerer Beutel

P-M-F/B, der Titel ist so rätselhaft, wie vieldeutig. Mit diesem mächtig groovenden Stück aus ihrem neuen Album „OM 50“ fallen die vier Musiker der schweizerischen Kultband beim Jazzclub in Regensburg mit der Tür ins Haus. Unnachgiebig jagt Bobby Burri mit dem Plektron über die Saiten des Kontrabasses, nicht weniger straff vorwärts getrieben von Gerry Hemingway am Schlagzeug. Dieser ersetzte Fredy Studer, der im Sommer plötzlich verstorben ist, aber das Album noch mit eingespielt hat. Mit dem Video eines typischen Suder-Solos vom Jazzfestival Schaffhausen, welches auf Leinwand projiziert wurde, erinnerte die Band an ihn. Gitarrist Christy Doran, Urs Leimgruber (ss), Burri und Hemingway gestalteten und begleiteten dieses anrührende Gedenken an ihren Freund mit leisen, intimen Klängen und geräuschhaften Sounds, die schließlich langsam verhallten. Danach setzten sie mit einer wuchtigen, energisch treibenden Improvisation erneut eine Duftmarke, bei der das spärliche Publikum im Leeren Beutel die Ohren anlegen musste. Leimgruber ließ sein Sopransax schrill aufheulen, fiepte, schmatzte und zog die Luft scharf ein, statt ins Mundstück zu blasen, während Doran zwischen brodelnden Eruptionen und geräumigm Slidespiel eine Fülle an Klängen mit seinen Effektgeräten generierte. Der Bayerische Runfunk hat …

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Fisch und Fischer schuhplatteln – Christian Kühn vertont Grimm’sche Märchen

„Manntje, Manntje, Timpe Te / Buttje, Buttje inne See…“ grummelt Christian Kühn zwischen leicht tänzelnder Gitarre und schweren Bassschritten. Der einfallsreiche Komponist und Gitarrist hat mit seiner Band Kuhn Fu das alte Grimm‘sche Märchen vom „Fischermann und syner Frau“ vertont und interpretiert es auf dem siebten Album mit dadaistischer Lust völlig neu.   Um es vorneweg zu sagen: Es ist ein kolossales Vergnügen, ein köstlicher exzentrischer Spaß mit manchmal heftiger Sturmgitarre und entsetzt jaulenden Klarinetten, tanzendem Bass und raunender Erzählstimme. An jeder Ecke springt ein neues musikalisches Ballett aus dem Wasser, tanzt mit dem Fischer Marcel De Champignon, einem Hornspieler, und dem Fisch „Bruno the Architect“ einen Schuhplattler, Blues oder punkgesättigten Reigen.   Mit improvisatorischer Spielfreude Mit forciertem deutschem Akzent wird die Geschichte auf Englisch zu einem modernen Märchen umgeformt. Hauptfigur ist der Fischer, der auf der Suche nach der perfekten Melodie ist – nach „the melody that makes millions“. Diesen Wunsch soll ihm der Fisch erfüllen. Dabei entstehen – auf dem gleichzeitig veröffentlichten Live-Album (Vinyl) aus Saalfelden zu hören – die Texte immer wieder spontan auf der Bühne. Neben zwei Klassikern der wunderbar abgedrehten …

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Stumme Schreie und zirpende Frösche – Das Jubiläumsalbum von OM 50

Im trüben Schneeregen sitzen drei auf einer Leitplanke, der vierte steht daneben und streckt einen alten Schirm hoch. Das Bild auf der Homepage vom OM ist ein Signal, ein „OMen“ für die Beständigkeit und gemeinsame Energie, die es der Band ermöglicht, heuer das 50-jährige Bestehen mit einem neuen Album zu feiern, beziehungsweise das Feiern ermöglichen würde, muss man sagen, denn Schlagzeuger Fredy Studer ist kurz vor Veröffentlichung des Jubiläumsalbums überraschend verstorben.   „Wir haben natürlich von seiner Krankheit gewusst“, seufzt Christy Doran, „dass es aber so plötzlich passiert, hat uns alle überrascht und überrumpelt“, bekennt der Luzerner Gitarrist hörbar betroffen. Auf Tour werden die drei ergrauten Musiker Urs Leimgruber, Christy Doran und Bobby Burri nunmehr mit einem jungen Schweizer Schlagzeuger aus der Enkelgeneration unterwegs sein.   50 Jahre Stammbesetzung Auf dem quietschbunten Cover steht OM 50 in einem stilisierten, leuchtenden Konfettiregen, unverkennbar designed vom selbst legendären Nikolaus Troxler. Gegründet wurde die Band 1972 unter dem Eindruck (und Einfluss) von John Coltrane und Jimi Hendrix. Bald darauf traten sie am von Troxler gegründeten Willisau-Festival auf. Als Pioniere einer europäischen Electric-Free-Music schrieben sie damit an der europäischen …

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Ex-Popstar in freien Jazzgefilden – Vesna Pisarović in Regensburg

Die kroatische Sängerin Vesna Pisarović fasziniert bei ihrem Trioauftritt im Leeren Beutel, Regensburg, mit freiem Jazz und Scatgesang. Musik zu machen und übliche Einteilungen in Stile und Genres dabei links liegen zu lassen, ist heute beinahe eine Selbstverständlichkeit.   Skifflemusiker spielen mit Jazz-, Blues- oder anderen musikalischen Formen. Popmusiker greifen auf ethnische Formen zurück, Hip-Hopper nutzen völlig selbstverständlich Jazz, Grunge oder Punk. Dass aber eine erfolgreiche Popsängerin das Genre wechselt und beginnt modernen Jazz zu singen, ist auch heute noch eher selten. Noch dazu, wenn sich diese Sängerin, wie die in Berlin lebende kroatische Musikerin Vesna Pisarović gänzlich außerhalb des Mainstreams und des populären Swing bewegt. Was vor über einem halben Jahrhundert die englische Popsängerin Juli Driscoll und eingeschränkt später auch Nina Hagen vorgemacht haben, setzt die aus Bosnien-Herzegowina stammende Pisarović seit 2006 fort. Nach großen Hits, mehreren vergoldeten Alben und einer erfolgreichen Teilnahme am Eurovision Song Contest, nahm sie das experimentelle, von Elvis Presley inspirierte Album „With Suspicious Minds“ mit Gerhard Gschlößl, Clayton Thomas und  Steve Heather auf. Es war ein tiefgreifender Wandel, den Pisarović vollzog und den sie seither ständig für sich weiterentwickelt …

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Heimspiel mit universellem „Heimatjazz

Mit Heimatsound der anderen Art wird der Kölner Komponist und Gitarrist David Plate beim Jazzclub Regensburg gefeiert. Wie die so unsinnigen wie nervigen Plastikpapperl auf jedem einzelnen Obststück, wird seit einiger Zeit in Bayern auf jedes Musikstück, welches nur im entferntesten etwas mit der alpenländisch-bajuwarischen Region zu tun hat das Papperl „Heimatsound“ draufgeklebt.   Demzufolge macht auch David Plate Heimatsound, denn der Kölner Gitarrist und Komponist ist gebürtiger Regensburger. Etwas tiefer eingestiegen, könnte man nach rheinländischem oder bayerischem Heimatsound unterscheiden. Und richtig tief gegraben kommt man darauf, dass der Jazz bereits in seinen Anfängen kosmopolitische Stränge hatte. Diese katapultieren das Genre, wie letztlich auch jede Popmusik, in die Stratosphäre eines globalen Heimatsounds.  Beim Jazzclub im Leeren Beutel stellte Plate sein während der Coronazeit entstandenes Album „Bull`s Eye“ mit einem Septett erfahrener Musiker einem begeisterten Publikum vor. Seine Kompositionen, oft für Bigband geschrieben und arrangiert, verbinden nicht selten komplexe Strukturen mit rhythmischer Raffinesse und eingängigen Themen.   Stilistisch ist er dabei nach vielen Seiten offen. Seinem Faible für lateinamerikanische Formen lässt er ebenso Raum, wie Funk- und Souleinflüssen, einem geschmeidigen Mainstreamjazz, Fusion und Blues. Seine Soli …

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Klangabenteuer von Jazz bis Klassik – „Zwischentöne“ in Regensburg

Zwei Tage Openair in der tollen Akustik des Thon-Dittmer-Hofs in Regensburg: Das Minifestival  „Zwischentöne“ fütterte die emotionalen Speicher der Zuhörer auf. Als „Pflichttermin“ hatte Regensburgs Trommel-Koryphäe Gerwin Eisenhauer vom Strandurlaub aus das Konzert des „unglaublichen Joey Baron“ im Thon-Dittmer-Palais auf Facebook plakativ beworben. Allzu viele haben den Post dann scheinbar nicht gelesen, Jazzclub-Vorstand Bernhard Lindner zeigte sich bei der Anmoderation des Konzerts ein wenig enttäuscht über den Besuch. Nach einem berauschenden musikalischen Erlebnis zwischen zartesten Klangtupfern und brachialem Drumgewitter teilte allerdings ein gänzlich hingerissenes Auditorium Eisenhauers Bewunderung für den US-amerikanischen Schlagzeuger. Dabei war der international beschäftigte Musiker gar nicht als Bandleader oder gar Solist – diese musikalische Form bedient er auch – gekommen. Baron spielte im Trio des eine Generation jüngeren dänischen Gitarristen Jakob Bro, zusammen mit dem hippiebunt gekleideten Bassspieler Anders Christensen.   Demonstration musikalischer Meisterschaft und Klangmagie Geriet der Einstieg noch sehr ruhig, mit suchenden Tönen aus Bros E-Gitarre, die leicht wie Federn durch den Raum zu schweben schienen, verdichtete sich der Sound unter Barons Ansturm zu einem brodelnden Vulkanausbruch. Fast schien es zu einem Joey-Baron-Konzert zu werden, bei dem die beiden Gitarristen …

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„Wilden Saiten“ täte Auffrischung gut: Cordes Sauvages‘ Tribute für Django Reinhardt

Regensburg. Die „wilden Saiten“, als Cordes Sauvages seit langem ein fester Begriff der hiesigen Musikszene, sind in letzter Zeit schwer gebeutelt worden. Vor über zwei Jahren ist ihr musikalischer Mastermind, der Gitarrist, Arrangeur und Komponist Helmut Nieberle, mit gerade mal 63 Jahren verstorben. Beim diesjährigen Palazzo-Auftritt fehlte unerwartet Gitarrist Ferry Baierl, seit Jahrzehnten die unerschütterliche Rhythmusstütze der Band. Festivalimpresario Alex Bolland wies in seiner Anmoderation darauf hin, dass Baierl einen Herzinfarkt erlitten habe, auf dem Weg der Besserung sei und im Konzert durch den jungen Nieberle-Schüler Patrick Schichtl ersetzt würde.   Mit neuen Köpfen Der Neuzugang fügte sich in dieser Rolle, als steter Rhythmusgeber, mit Gespür und Passion wunderbar ein und ließ in einigen kurzen Soli durchblicken, dass von ihm noch weit mehr zu erwarten ist. Seit jeher hat sich Cordes Sauvages vorrangig der Musik Django Reinhardts, des Swing und Bebop verschrieben und widmete dem Franzosen und dem Bebop-Pionier Charlie Parker mit dem Tribute-Konzert in lauschiger Arkadenhof-Atmosphäre auch den Abend. Als Gast stellte Klarinettist Stefan Holstein, der seit vielen Jahren zusammen mit Schlagzeuger Michael Scotty Gottwald und Bassist Wolfgang Kriener das swingende Klangbild des Ensembles …

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Gypsy-Klassiker und Manouche-Feeling im Regensburger Leeren Beutel

Gelegentlich erlebe er es heute noch, erzählt Pianist Jermaine Landsberger nach seinem Konzert im Jazzclub Leerer Beutel, dass Besucher begeistert klatschen, ihn außerhalb des Clubs aber keines Blickes mehr würdigen. Der in der Oberpfalz aufgewachsene Musiker ist ein Sinto und hat als Schulkind einiges an Diskriminierung und Herabwürdigung bis hin zu Schlägen erleben müssen. Die Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegenüber den Sinti und Roma für die anhaltende Stigmatisierung im Nachkriegsdeutschland hat bei Landsberger eine Fülle von Erinnerungen ausgelöst. Zuvörderst die an seine Groß- und Urgroßeltern, die mit einem großen Teil der Familien in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet worden sind. Einem Großvater gelang zweimal die Flucht aus einem Todeslager. Ihm verdankt er sein Dasein als untypischer Musiker. Untypisch deshalb, weil sich Landsberger im Unterschied zu vielen Kollegen und Musikerinnen wie Dotschy Reinhardt immer mit dem Modernjazz identifiziert und keine Gypsy- oder Swingmusik gemacht hat. Dennoch hat er auch die Verbindung zu anderen Sintimusikern wie den Gitarristen Bireli Lagrene gesucht, mit dem „ich 1995 oder `96 einen meiner ersten Auftritte hier beim Jazzclub gespielt habe“, erzählt Landsberger mit spürbarer Begeisterung. Bereits damals war der Münchner Schlagzeuger …

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Mit Loops und Grooves zum Bassolymp

Adam Ben Ezra  im Jazzclub Leerer Beutel in Regensburg In der Geschichte des Jazz gibt es eine ganze Reihe von Bassspielern, die die Grenzen ihres Instrumentes erweitert und neu definiert haben. Charles Mingus, Scott LaFaro und Oscar Pettiford, OP genannt, zählen ganz sicher dazu, der jung verstorbene E-Bassist Jaco Pastorius, der große Ray Brown und der Stuttgarter Eberhard Weber. Er hat als einer der ersten mit elektronischen Klangvervielfältigern bei seinen Solokonzerten gearbeitet. Eine Bassistin findet sich bislang nicht darunter, auch wenn die Professorin Esperanza Spalding eine Top-Anwärterin dafür wäre. Ob auch der aus Tel Aviv stammende Musiker Adam Ben Ezra, der neben Kontrabass auch Klavier, Keyboard und Querflöte spielt, zu diesem illustren Kreis gezählt werden kann, wird sich in späteren Jahren herausstellen. Konzertveranstalter, die es bereits jetzt in ihren Ankündigungen heraus posaunen, tun es vielleicht etwas übereilt. Das hat Ben Ezras allerdings durchaus gefeierter Auftritt beim Jazzclub im Leeren Beutel gezeigt. Was den 39-Jährigen tatsächlich gegenüber vielen seiner Kollegen auszeichnet, ist ein signifikanter und musikalisch geschickter Einsatz von Loops und weiteren elektronischen Effekten. Diese fügt er mit seinem hervorragenden akustischen Spiel, Gesang und perkussiven Elementen …

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