Bluesige Songs mit Bitternote: Stefanie Boltz und Christian Wegscheider – Jazzbaby!

Ein voller Terminkalender: Schon vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin im August können Zuhörerinnen (inkl. -hörer) dem Tiger ins Maul schauen und zuhören wenn er knurrt, brüllt oder tobt. Das „Gebrüll eines gezähmten Tigers“ ist Stefanie Boltz’ und Christian Wegscheiders erste gemeinsame Produktion. Sie entwickelten diese gemeinsam während des gleichermaßen zermürbenden, wie begünstigenden Lockdowns. Heuer nahmen sie die dabei entstandenen Songs zusammen mit einigen Gastmusikern auf.

Vieles lief lange Zeit über Fernkontakte, digital, bis sich die Münchnerin Boltz „mit einem ganzen Stapel Unterlagen unterm Arm, erstmals nervös der (österreichischen, Anm.) Grenze näherte, und dann tatsächlich passieren durfte.“ Beide erlebten diesen Moment als „unglaubliches Freiheitsgefühl“. Sie hätten immer wieder gewitzelt, erzählt Boltz in einem Interview, „dass wir uns einfach auf einem Berg treffen. Da wiederum kursierten Gerüchte, dass die Feldjäger patrouillierten und Grenzgänger ‚jagten‘. Außerdem brauchten wir ja auch sein Studio und einen Flügel.“

Blues, Jazz und Chanson

Das Warten, bis Grenzen wieder offen und Begegnungen wie Arbeitstreffen von Künstlern wieder möglich waren, hat sich gelohnt. „A Tamed Tiger’s Roar“ lässt allzu eindeutige und manchmal enge Stilgrenzen hinter sich und verbindet mit emotionaler Nachdenklichkeit und feiner Poesie Singer-Songwritertum mit der Kraft des Blues, des Jazz und der subtilen Leichtigkeit des Chanson. Boltz und Wegscheider wagen Ungewöhnliches. Beeindruckend selbstverständlich entsteht hier eine lebendige Spielart zwischen den Stilen, sowie einem großen Teil Kammer- und Filmmusik. Die Arrangements arbeiten mit vermeintlichen Gegensätzen, mit Witz und Harmoniewechseln, lassen Gesang und Klavier sich mal aneinander schmiegen, mal aneinander reiben.

 

Projekt Jazzbaby!

Bereits beim ersten Liveauftritt, praktisch dem Lackmustest vor Publikum, in den wenigen offenen Tagen des letzten Sommers in Tirol wurde der Name Jazzbaby! für das junge Projekt geboren. Der eigenwillige Sound geht an die afro-amerikanischen Wurzeln des Jazz, klingt aber auch nach Chanson und Art Pop klingen und umhüllt alles mit ungewöhnlichen Klangfarben, die von Nenad Uskokovic am Cello, Jakob Lakner an Klarinetten und von Herbert Berger an Querflöte und Mundharmonikas geliefert werden. So entsteht eine groovende Kammermusik, die durch die klare Artikulation und sinnliche Stimmführung von Boltz besonders erzählerisch wirkt.

Die Zwischentöne des Lebens

Sie singt von Begebenheiten – meist Liebesgeschichten – ohne Auflösung, in denen die Protagonisten auch scheitern dürfen. Über diese sagt sie: „Das Leben spielt sich ja (glücklicherweise) nicht nur in den Kategorien gut/mittel/schlecht ab oder Daumen hoch/runter oder best case/worst case – happy end oder bad/bitter end. Es gibt so viel dazwischen! Wir sind in unserem Zeitgeist so am Optimieren und am Hochhalten von idealen maßgestrickten Werten, der Held der auch scheitert, ist fast aus der Mode gekommen.“

Nicht aus der Mode gekommen ist der bluesige Groove von „Never loved before“ mit der titelgebenden Zeile ”a tamed tigers roar, longing for more, a fool to adore, I never loved before”. Eine neue Art von Liebe erfahren, nicht immer eine Wellness-Liebe. Aber stark.

Raue Akzente

Bob Dylans „Don’t think twice“, einziger Coversong auf dem vibrierenden, wendungsreichen Album wird von Martin Kursawe auf der Dobro luftig weich grundiert. Raue Akzente setzt er mit der E-Gitarre auf „You don´t care“. Dagegen wähnt man sich im nächsten Song (Undream a dream) in eine schnulzig Romanze mit Bitternote versetzt.

Fotos:  Gabriele Roithner

Jazzbaby! – A tamed tiger’s roar

Enja Yellowbird 2021, Download: Bandcamp und einschlägige Plattformen

Besetzung:

Stefanie Boltz – Gesang & Komposition

Christian Wegscheider – Piano & Komposition

Herbert Berger – Flöte & Mundharmonika

Jakob Lakner – Klarinetten

Nenad Uskokovic – Violoncello

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