Schatten im Wechsel der Gezeiten  – Twirls-Duo-Album „Tides“

Entspannt ist vermutlich das falsche Wort für das Twirls-Duo-Album „Tides“. Konzentriert und scheinbar mühelos trifft die Stimmung der „Gezeiten“- Aufnahmen von Pianist Nicolas Schulze und Alexander Beierbach am Saxofon um einiges besser. Erfasst ist die poetisch-dunkle Musik der zwei Improvisatoren als Ganzes damit lange noch nicht. Mal stupst Beierbach den Pianisten aufmunternd an, mal laufen die beiden nebeneinander her und versuchen jeder dem anderen einen Schritt voraus zu sein.

Tastend, leise, aufmerksam

Das Verspielte darin versteckt sich eher, kommt nur selten und dann subtil zum Vorschein. Vorwiegend wirkt das Zusammenspiel der Musiker tastend, leise, aufmerksam, jeden Ton aufnehmend und nachhörend. Die Antworten klingen unvorhersehbar, hellhörig, getragen von einer aufmerksamen Freundlichkeit und respektvollen Zugewandtheit. In acht Stücken erkunden die beiden in ihren Improvisationen und Dialogen die Resonanzen, welche die Gezeiten in ihnen auslösen.

Dem Rhythmus und den Klängen dieses Naturphänomens gehen sie mit einem unglaublich feinen Gespür für das Zusammenspiel verschiedener Kräfte nach. Es rauscht, reibt, tüpfelt pointilistisch, raue Bluesrufe rollen über einen leise knisternden Sandboden aus Klavierbegleitung, die Bezüge zur klassischen Musik aufweist. Vereinzelt lenken Vogelrufe vom Saxofon das Ohr in eine anschauliche Bildhaftigkeit, um sich gleich wieder in eine klangmächtig schöne abstrakte Soundmalerei zu verdünnisieren. Zusammenspiel und Ausdruckskraft der beiden Musiker ist einzigartig und berührend.

Zweites Album „Schatten“

Und diese setzen sich in der Quartettbesetzung des zweiten Albums – Schatten – fort. Mit Meinrad Kneer (bass) aus den Niederlanden und dem Drummer Yorgos Dimitriadis aus Griechenland ist es europäisch besetzt, wobei die Musiker verschiedene Ebenen verweben. Ihr melodisch-harmonisches Wechselspiel überlagert sich vielfach mit kontrastreichen Klangfolgen. Dabei folgt die Musik einem Fluss aus repetitiven Themen und Motiven, die erklingen, verworfen und an unerwarteter Stelle wieder aufgenommen werden.

Persönliche Hintergründe

Natürlich spielen in diesem freien Zusammenspiel auch die unterschiedlichen persönlichen Hintergründe musikalisch und emotional eine Rolle, wobei vor allem Bassist Kneer durch starke Impulse und originelle Ideen auffällt. Der in Berlin lebende Improvisator und Komponist Dimitriadis geht mit feinem Gespür und großem Nuancenreichtum dabei mit gibt eigene Stimuli mit Bogen und Sticks auf Becken und Toms. Das Shadows-Album insgesamt entwickelt eine, wie im Titel bereits angelegte, dunkle, tastende Stimmung, die in „Hym“, dem gemeinschaftlich entwickelten Stück Nr. fünf, durch eine vehement aufbrandende Emotionswelle fast weggespült wird. Mit “Shadows“ klingt das großartige Album aus und ewig lange nach.

CD-Tipp:

Twirls Duo/Quartet, Tides & Shadows, Tiger Moon Records TMR 013/Vertrieb: www.tigermoonrecords.de, Double-CD; aufgenommen im Mai 2022 mit Unterstützung des Berliner Senats im Emil Berliner Studio

CD1 – Tides

Alexander Beierbach – tenor-, sopranosax,

Nicolas Schulze – piano

CD2 – Shadows

Alexander Beierbach – tenor-, sopranosax,

Nicolas Schulze – piano

Meinrad Kneer – bass

Yorgos Dimitriadis – drums

 

Fotos: Michael Scheiner

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