Auf eine „Unexpected Journey“ mit Beta con Brio

Seit vier Jahren treffen sich die drei jungen Künstler aus der hannoverschen Musikszene im Proberaum, um neue Klänge zu finden, zu improvisieren und zuletzt auch eine „Video-Livesession“ aufzunehmen. Mit Jakob Bereznai am Klavier, Benjamin Brückmann am Cello und Matthias Bodensteiner am Schlagzeug hat sich in „Beta con Brio“ ein Trio gefunden, das sich nicht zuletzt wegen der eher untypischen Besetzung in kein bestimmtes Genre einordnet, sondern lieber die Musik für sich sprechen lässt. Songs wie „Unexpected journey“, „Zwiefacher“ oder „Otthon az Itthon“ zeichnen sich durch Patternvariationen, virtuose Improvisationen und raffinierte Taktwechsel aus. Dabei wird der lyrische Cellopart auch mal unvermittelt von groovigen Rhythmen abgelöst. Im Interview mit Valerie Probst:

jazzzeitung: Beta con Brio, wie habt ihr euch als Trio kennengelernt?

Matthias Bodensteiner: Im Rahmen der Hochschule, wir haben gemeinsam angefangen zu studieren – Jakob ein Jahr früher als ich. Wir hatten den gleichen Schlagzeuglehrer und da hat man hier und da gequatscht. Die Initiative hat Jakob ergriffen, daraufhin haben wir uns im Proberaum getroffen und Ideen ausgetauscht.

jazzzeitung: Und welchen Studiengang habt ihr studiert?

Jakob Bereznai: Das ist ein sogenanntes fächerübergreifendes Bachelorstudium mit unseren jeweiligen Instrumenten als Hauptfach.

Benjamin Brückmann: Bei Matthias und Jakob ist die Ausrichtung Jazz/Populäre Musik und bei mir klassisch.

jazzzeitung: „Alpha sessions” heißt eure Studioproduktion, was hat es denn mit den griechischen Buchstaben auf sich?

Bereznai: Ja, erstmal ist das relativ platt, würde ich fast sagen. Dieses Beta ist aus der Idee heraus entstanden, dass wir alle zufälligerweise denselben Anfangsbuchstaben im Nachnamen haben: Bereznai, Brückmann, Bodensteiner. Diesen Zufall wollten wir nutzen und haben ihn in unserem Bandnamen untergebracht.  Und daraus hat sich ergeben, dieses Konzept auch im Namen unserer Videoreihe weiter zu fahren. Das alpha steht in dem Fall nicht für Anfangsbuchstaben, sondern für den Anfang, weil es auch unsere erste Studioproduktion ist.

jazzzeitung: Jazztrio oder Band?

Collage: beta con brio

Bodensteiner: Also vom Klang, wie wir auftreten und wie wir uns beschreiben, das spricht eher für Jazztrio. Wir haben uns aber einen Bandnamen gegeben, weil bei uns nicht eine Person die Songs für die Band schreibt, sondern Jakob und ich, damit sind wir nicht das „Bodensteiner Trio“ oder so ähnlich, bei uns ist das hybrid: Wir sind offen für alle Ideen der Mitspielenden, deswegen fanden wir den Bandnamen eine gelungenere Bezeichnung.

 

jazzzeitung: „Unexpected journey“ heißt einer eurer Songs. Hattet ihr bei der Gründung eurer Band schon einen genauen Plan oder war das auch eine „unexpected journey“?

Brückmann: Ja also einen Plan gab es nicht, sondern das Ganze ist mehr aus den Ideen entstanden, die wir hatten. Wir haben uns stilistisch gar nicht festgelegt, haben uns offen gehalten, wie es sich entwickelt. Aber Matthias und Jakob schreiben ja die meisten Sachen und kommen aus der Jazzrichtung, haben sich aber anderer Stilistiken bedient und da ist das mit der Zeit entstanden. Wir haben uns, wie der Name auch verrät, als „unexpected journey“ gesehen. Unerwartbar, in welche Richtung das ging.

jazzzeitung: Ihr habt also von vornherein eigene Musik gemacht?

Bodensteiner: Ja. Der Fokus war auf der eigenen Musik, das ist für mich etwas viel persönlicheres und emotionaleres. Ich finde auch, dass es eine sehr unerwartete Reise war – auch, dass Benny mitspielt ergab sich aus einer spontanen Begegnung. Man trifft jemanden und dann fragt man, ob er Lust hat, mit Cello in einem Trio im Jazzkontext zu spielen. Begegnungen kann man ja auch nicht planen, das ist ja auch das Schöne daran.

jazzzeitung: Jazz, Pop und Klassik. Vertritt jeder von euch einen Stil? Und wenn ja, wer welchen?

Bereznai: Naja, es gibt natürlich Schwerpunkte, wir kommen ja schon auch aus verschiedenen Richtungen. Das ist eine Art Fahrwasser, in dem man unterwegs ist, aber ich würde nicht sagen, dass jeder von uns explizit für ein Genre steht. Das ist nicht schwarz-weiß zu sehen. Wir bringen alle unterschiedliche Ideen und Klangideale innerhalb einer Person mit. Das hört man auch in unseren Stücken. Die beiden, die Matthias komponiert hat: „Zwiefacher“ und „Zweifeln“, vereint stilistisch nicht viel.

jazzzeitung: Habt ihr musikalische Vorbilder?

Bodensteiner: Ich denke, jeder hat eine ganze Reihe an Vorbildern, die alle aufzuzählen würde jetzt bestimmt den Rahmen sprengen. Ich denke, jeder Musiker braucht das auch; bei mir ändern sich die Vorbilder auch wöchentlich, weil man neue Dinge hört und sucht. Eine Person, wegen der alles klingt wie es klingt, gibt es nicht. Das ist auch ein Prozess: Die Künstler und Personen, die einen beeinflussen, sind immer wieder andere.

Brückmann: Sehe ich ähnlich. Wir haben uns auch im Vorhinein auch kein Ideal oder Vorbild gesetzt, das wir verfolgen, sondern es war das eigene Starten und Ausprobieren und eben nicht in eine Richtung zu gehen, die es schon gibt.

Bereznai: Man muss auch sagen, dass es unsere spezielle Besetzung fast nicht gibt. Wäre Benny jetzt Kontrabassist, dann könnte man sich Milliarden von Jazztrios mit dieser Besetzung reinziehen und sich daraus inspirieren lassen und das ist beim Cello oft nicht direkt übertragbar. Man findet auch nicht viel, woran man sich abarbeiten kann. Das ist auch das spannende bei dieser Band: Man kann sich von allen möglichen Sachen inspirieren lassen, aber es gibt selten Bands, die genauso auftreten wie wir.

jazzzeitung: Ich bin beim Hören des Songs „Unexpected Journey“ über krasse Brüche zwischen Formteilen gestolpert. Das eine hört auf und etwas völlig neues beginnt. Was steckt da dahinter?  

Bereznai: Ja, bei dem Song ist eigentlich der Name Programm. Das ist eine Idee hinter dem Stück gewesen: Es führt irgendwohin, wo man als außenstehende Person, die das Stück zum ersten Mal hört, nicht erwartet hat, dass es hinführt. Das zeigt sich sowohl darin, dass es zwei Brüche in dem Song gibt, als auch in der grundsätzlichen Entwicklung des Stücks. Das ist hier natürlich sehr plastisch, weil der Song auch so heißt, aber bei anderen Stücken von uns passiert das genauso. Vielleicht hat sich das auch im Laufe der Zeit bei uns entwickelt, dass wir das gerne machen. Aber wenn dann ist es etwas, was wir nicht bewusst ausgesprochen haben, sondern es ist einfach so entstanden.

 jazzzeitung: Newcomer in Corona-Zeiten: Hat euch die Pandemie dazwischen gefunkt?

Brückmann: Ja, als der erste Lockdown war, war Jakob in Budapest für ein Erasmussemester und er sollte eigentlich gerade wiederkommen. Wir hatten Pläne, hier und da zu spielen und wir hatten Bock. Aber leider hat uns da Corona einen Strich durch die Planung gemacht. Man kann es so sehen, dass die Aufnahmen ein Ersatz für die Konzerte waren. Dass wir einerseits trotz allem unsere Arbeit preisgeben wollten und andererseits als Zwischenstand, damit wir ein Ergebnis und ein Ziel haben, auf das wir hinarbeiten konnten.

jazzzeitung: Hättet ihr die Studioaufnahme sonst nicht gemacht?

Brückmann: Doch, vielleicht nicht zu diesem Zeitpunkt, aber wir hätten auf jeden Fall eine Aufnahme gemacht.

Bodensteiner: Also das war immer schon der Punkt, dass wir etwas Greifbares haben wollten. Konzerterleben ist ein flüchtiges: man spielt es und danach ist es auch wieder weg. Und eine Aufnahme ist wirklich so ein Stand, ein anderes Sich-Präsentieren.

3 B’s: Bereznai, Brückmann, Bodensteiner

jazzzeitung: Was sind eure Pläne für die nächste Zeit?

Bereznai: Bei uns ist die mittelfristige Planung gerade sehr interessant, weil wir momentan so zerstreut wohnen. Ich bin nach wie vor in Hannover, Matthias ist seit September in Rotterdam, studiert dort Komposition, Benny wird seinen Master wahrscheinlich in Detmold machen. Wahrscheinlich wird es auch in den nächsten Monaten bezüglich der Coronasituation mit live-Auftritten nicht besser werden. Wir werden jetzt projektorientierter planen: Hier und da ein Wochenende mit möglichst schönen Konzerten und auf das Live-Spielen fokussieren. Eine Studioproduktion ist schön und gut, aber damit kann man nicht ersetzen, dass Dinge live und einmalig bei diesem einen Konzert entstehen.

jazzzeitung: Ja. Also kann man  sozusagen auch ein „gamma project“ erwarten?

Bodensteiner: Wir verpflichten uns natürlich nicht, jeden Buchstaben des griechischen Alphabets abzuarbeiten, aber möglichst weit mit den Projekten voranzuschreiten und eine gemeinsame Entwicklung durchzumachen, neue Dinge zu planen, live oder auch Aufnahmen. Wir schauen mal, wohin das führt. Wir haben natürlich auch Lust, eine Reunion in Hannover, in Rotterdam oder auch Regensburg zu machen.

jazzzeitung: Eine Frage zum Schluss: Wenn ihr euch einen Ort aussuchen könntet, an dem ihr mal unbedingt auftreten wollt, wo wäre das? Welches Festival, welches Land, welches Wohnzimmer…? 

Bodensteiner: Tiny Desk Concerts (lacht)

Bereznai: Ich war ja in Ungarn im Erasmussemester und ich bin auch von der Herkunft – zumindest halb – aus Ungarn. Deswegen fände ich es sehr schön, einen Trip in meine zweite Heimat zu machen. Vielleicht im Jazzclub Budapest oder im Opus Jazzclub.

Brückmann: Keinen expliziten Ort, mir geht es mehr um gute Stimmung und schöne Umgebung.

Bereznai: Hauptsache erstmal wieder live spielen.

jazzzeitung: Ja das stimmt und ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank euch!

Zum Reinhören in die „alpha-Sessions“: https://www.youtube.com/watch?v=7qUrkgz5pKA

Beitragsbilder: privat. Text: Valerie Probst