Malias Momente voller Intimität und Intensität

Von Michael Scheiner. Etwas radikal Neues oder eine ganz neue Richtung, die mit einem neuen Album eingeschlagen worden sei, wird gerade im Schlager, Pop und Songwritertum öfter einmal von Musikern angekündigt. Im Ergebnis stellt es sich dann allzuoft eher als Variation, kleine Erweiterung oder Quäntchen mehr des Bisherigen heraus. Auch die britisch-malawische Musikerin Malia schlägt mit ihrem neuen Album „Ripples (Echos of Dreams)“, das sie bei einem Konzert im Leeren Beutel vorstellte, keine völlig neuen Wege ein. Dennoch wirkt ihr bemerkenswerter Auftritt beim Jazzclub Regensburg fast wie eine Neuentdeckung, überraschte mit neuem Sound ebenso wie mit der Interpretation der Songs.

Im Grunde ist die Sängerin sogar den umgekehrten Weg gegangen. Sie hat sich nicht auf den Hosenboden gesetzt und neue Songs geschrieben, sondern ältere erneut aufgenommen. Malia interpretiert sich also selbst. Das machen viele, auch große Künstler immer wieder. Malia hat aber nicht nur ein paar ihrer Lieder neu instrumentiert und gesungen, sie hat ein ganzes Album, „Echos of Dreams“ von 2004, noch einmal neu aufgenommen. Ein Remake also! In gewisser Weise ist das ein deutlich radikalerer Ansatz, denn der unmittelbare Vergleich mit sich selbst ist nur zwei Klicks weit entfernt. Ihren Ideenreichtum und enorme Wandlungsfähigkeit hat die Britin schon mehrfach seit Beginn ihrer Karriere Anfang der Nuller Jahr unter Beweis gestellt. Nach ihrem spritzig-jazzigen Debüt mit „Yellow Daffodils“ folgte ein kraftvoll-rockiges Soulalbum, später mit dem wundervollen „Black Orchid“ eine Hommage an die bis heute manchmal wenig geschätzte Nina Simone. Dann mit dem Yello-Musiker Boris Blank das großartige „Convergence“, in dem Malias wandlungsfähige Soulstimme erstmals auf elektronische Klänge traf. Jetzt also die neuen Wellen (Ripples) auf denen sie mit einer kammermusikalischen Besetzung surft. Begleitet von ihrem Pianisten Alexandre Saada, einem sensiblen Begleiter und superben Improvisator,  und drei Streicherinnen, Alice Bourlier (violine), Laurence Baldini (viola) und Mathilde Sternat (cello), erforscht sie Songs wie „Little Bee“, „Mary, Mary“ oder „After The Love“ auf unerwartet neue, gefühlsstarke Weise. Mit ihren Erfahrungen von heute, wozu eine durchstandene Krebserkrankung gehört, kehrt sie zu der jungen Frau zurück, die auf der Suche nach sich war, und reflektiert darüber ihr jetziges Leben. Diese „Echos“ der Vergangenheit finden heute ihren intensiven, viel poetischeren und berührenden Ausdruck in kargen, ruhigen Arrangements, manchmal reduziert auf Klavier und Stimme. „Viele meiner Songzeilen haben für mich heute eine viel tiefere Bedeutung bekommen,“ sagt sie selbst über ihre Motivation die Lieder noch einmal neu aufzugreifen, „und ich habe einen starken inneren Drang verspürt, sie mit meinen heutigen Erfahrungen, auch mit den durchlebten harten Phasen meines Lebens, zu gestalten.“ Neben der Tiefe und Stärke, mit der sie über eigene und allgemeinmenschliche Erfahrungen singt, wird auch die musikalische Substanz ihrer Songs deutlich. Manche erinnern in ihrer heiteren Leichtigkeit an die Musik des Penguin Cafe Orchestra, andere könnten die Titelmelodie in einem James-Bond-Film abgeben und der Blues dringt über diese leicht angeraute, verletzliche Altstimme tief unter die Haut. Lediglich das einzige fremde Cover, welches Malia als Zugabe singt, John Lennons romantische Hymne „Imagine“, bleibt selbst bei ihrem entschlackten Vortrag das, was es ist – eine sentimentale Utopie.

Teil des bewegenden Konzertes war auch Malias offene und herzliche Moderation, mit der sie vom Scheitel bis zur Sohle kommunizierte. Selbstironisch erzählte sie über die Entwicklungen und Erlebnisse in ihrem von Kontrasten geprägten Leben, lachte und schäkerte mit dem Publikum, bedankte sich bei ihren Musikern. In diesem Kontext kommt ihre Stimme noch stärker zum Tragen, erzeugt zarte und raue Momente voller Intimität und Intensität. Nachdrücklich unterstreicht die Künstlerin mit ihrem Konzert, wie mit dem Album, dass hier Weniger – gegenüber dem ersten Album – eindeutig Mehr ist. „Freedem ist being yourself“ schreibt sie im Booklet und stellte sie eindrucksvoll mit ihrem Auftritt im Leeren Beutel unter Beweis.

Info: Ripples (Echoes of Dreams), MPS/ Musik Produktion Schwarzwald (Edel)

 

 

 

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