Jazziger Soul in sanften Registern: Das Debütalbum von Leona Berlin

Nicht immer braucht es Künstlernamen. Leona Berlin, die „irrtümlich“ aus Karlsruhe stammt, bleibt auch mit bürgerlichem Namen im Gedächtnis. Die 27-Jährige lernte schon als Kind von ihrer Mutter die ganz Großen ihres Fachs wie Aretha Franklin und James Brown kennen; später formte insbesondere Alicia Keys ihre musikalische Prägung – Einflüsse, die auch bei ihren eigenen Songs immer wieder durchschimmern.

Leona Berlins selbstbetiteltes Debütalbum ist bewegend, allein schon wegen der Songtitel: Die Newcomerin ist „Walking“, „Moving“ und „Flying“ – und das gerade mal innerhalb einer knappen Stunde Laufzeit. Für die gebürtige Baden-Württembergerin markiert die Aufnahme schon seit 2014 ein Herzensprojekt. Lange hatte sich die Suche nach passenden Produzenten schwierig gestaltet, bis Leona ihren Erstling schließlich im Alleingang produzierte und damit direkt bei einem der ganz großen Labels landen konnte. In Sachen Songwriting zeigt die Soulstimme durchaus musikalisches Gespür, verlässt sich jedoch stets auch auf die Mithilfe renommierter Komponisten der Szene.

Die 13 so entstandenen Klanggebilde irgendwo zwischen Neo-Soul und Pop-Jazz ernähren sich überwiegend von verspielten Piano-Samples, angereichert mit Orgel, Streicher, Synthies sowie experimentierfreudigen Effekten aus der Aufnahmetechnik. Auf Basis dieser stabilen Projektionsfläche zelebriert Leona vielschichtige Gesangs-Layer, deren Stimmen mal filigraner, mal simpler im vokalen Klangbild verwoben sind. Ihr Timbre umspannt dabei klar und kratzig, fordernd und schwelgend, schwermütig und federleicht. Ohne dass es je unkontrolliert erscheint.

Spielfreudig zeigt sich die 27-Jährige in rhythmisch freieren Stücken wie „Cruel (Heal Me)“, die durch jazzige Harmonien und der (temporären) Entledigung von Drums einen atmosphärischen Klang freisetzen. Häufig zehren die Songs ihre Energie zudem aus der Dynamik zwischen verhaltenem (A-Capella‑)Beginn und stromähnlichem Powerrefrain (etwa in „Feel The Love“).

Auch wenn sich die meisten Anspielstationen doch etwas ähneln – das „Berlinsche“ Arrangement des Schmacht-Klassikers „Nothing Compares U 2“, geschrieben von Prince und seit 1990 die erste Assoziation bei Sinead O’Connor, ragt weit hervor. Leonas harmonische Bereicherung – oder besser Verwandlung – befördert die klagende Ballade in ganz neue Ausdruckswelten, dazu verleiht eine ordentliche Temposteigerung der Nummer einen frischen Gestus. Nichtsdestotrotz verbleibt der stimmigen Neu-Interpretation aber weiterhin eine anständige Portion Melancholie.

Insgesamt liefert Leona Berlin auf ihrem Debüt atmosphärischen Neo-Soul mit deutlichen Jazz-Anleihen, der sich zumeist in Pop-Formen einfügt, aber auch den Ausfallschritt zum Hip Hop wagt. Herausgekommen sind präzise Songs, die das Genre nicht neu erfinden, sich aber gut darin einfügen. Ab Herbst ist Leona Berlin mit ihrer neuen Platte auch auf Tour.

Text: Markus Kilian

Leona Berlin: „Leona Berlin“, Warner Music Group, VÖ: 07.09.2018

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