Leserbrief: Händels Groll…

Auf unseren Post zum Festival Women in Jazz hat es eine verärgerte Wortmeldung gegeben, deren Absender nicht das Blog zur Äußerung wählen wollte, da er befürchtet, wir würden seine E-Mailadresse öffentlich machen. Ich darf ihm/ihr und allen anderen potentiellen Kommentatoren versichern, die Mailadressen bei der Anmeldung im Jazzblog werden niemals öffentlich gezeigt, Ihre Identität als Gast in unserem Blog bleibt zu jeder Zeit geschützt.

Die Redaktion hat sich zunächst entschieden, den Kommentar nicht zu veröffentlichen, wenn der User es nicht selbst auf dem üblichen Weg  macht. Ich denke allerdings, das Blog ist zum Meinungsaustausch da und sollte auch so benutzt werden. Im Übrigen möchte ich gerne persönlich dazu Stellung nehmen. Hier also der (leicht gekürzte und in einen neuen Thread gepackte) anonyme Leserbrief der/des Geheimnisvollen, die/den wir entsprechend ihres/seines Vorschlags im Folgenden Händel nennen wollen…

Leserbrief von G.F. Händel, aus H. an der S., Komponist

Werblicher SatyreACT oder testrobedingter Forstschaden?

Irgendwie scheine ich heute morgen auf der Zündschnur des verbalen Feuerwerkknallkörpers von Herrn Lichtinger zu stehen. Wie darf man diesen Thread des getaggten Wahnsinns deuten? Dass der im Fall eines „Östro“WiJs auch nach hinten losgehen kann?

Frauen im Jazz haben es wohl schwer genug, insbesondere Instrumentalistinnen. Nicht zuletzt Dank manch eitler Abgehobenheit irgendwelcher anscheinend „ÖSTRO“geschädigter selbstmusizierender Forstarbeiter und anderweitiger Klugtöner an Rhein und Ruhr oder sonstwo, die für weibliche MusikACTivitäten mitunter mehr hinderlich als hilfreich sind und alles durch blubberblasig plämperigen Kakao ziehen müssen – mit und ohne Echo. Was ist verkehrt daran, dass ein kleiner, aber umtriebiger regionaler Veranstalter Jazzerinnen aus dem In- und Ausland ein breites Podium bietet? 2011 wird das WiJ immerhin bereits im sechsten Jahr veranstaltet, dabei erstmals mit ACTs fast ausschließlich aus Europa und mit umfänglichen Workshops unter Leitung der Damen Hülsmann und Thon.

In Zeiten klammer Staatskassen, wo sowieso jeder(Jazz)Mann schreit “Wir sterben! Das Zucken ist nicht taktbedingt ….!“ und man sich speziell in Halle um Thalia Theater- und Opernhaus-Fortbestand zickt, stellt es bestimmt keine Selbstverständlichkeit dar, ein solches Festival auf die Beine zu stellen, vor allem längerfristig bzw. zukunftsorientiert. Halle liegt bekanntermaßen an der Saale und also somit in politisch wie ökonomisch vernachlässigter sowie demografisch schrumpfender Mittelerde wie Statistiken jeglicher Coleur hinreichend belegen. Dass das WiJ einer der 365 Wettbewerbspreisträger wurde, dazu als einer der wenigen im Osten, erscheint da wie ein pures Wunder. Dafür darf man getrost ein paar Knaller loslassen. Hm, die Wahl lag doch wohl nicht etwa daran, dass in der Jury kaum Vertreter von desinteressierten Medien wie der örtlichen Presse und keine der Musikindustrie dabei waren? Echt ein Knaller.

Die Affinität des Herrn Bloggers zum ACT-Ritterorden-Verdiener in Verbindung mit dem WiJ will sich mir nicht recht erschließen. Ja, das WiJ funktioniert und kommt beim Publikum zunehmend gut an. Im vergangenen Jahr war es wohl sogar ausverkauft. Trotz ACTlosigkeit der Musikerinnen und zwar schon nahezu in all den Jahren (…).

Vielleicht ist sich das bajuwarische Hochglanzlabel des Jahres aber auch nur zu schade, sich für die popelige Provinz herabzulassen, wo man schließlich nie sicher sein kann, ob nicht der nächste Event echolos genau die Saale runter geht, in deren hellen Strand der ACT-Chef noch als Bubi schon mal selbst Notenschlüssel gepinkelt hat, in einem ersten künstlerischen ACT versteht sich. Na ja, vielleicht, wenn die „Diva in Grau“ Kulturhauptstadt geworden wäre. Indessen so lobbylos und im grauen Grauen, da lässt sich halt professionell nichts dealen.

Was den konkret im Blog angesprochenen Damen-ACT betrifft, so nennt der sich selbst „Respekt feat. …“, nimmt sich also die Freiheit, GastACTs einzuladen. In diesem Fall eben eine ACTexklusivvertragliche männliche Cellistin aus SE, die wohl eher hingebungsvoll am Bass zupfen wird. Konsequenterweise muss man dann auch noch Danielssons Landsmann und HauptACTeur Landgren ins Tutu stecken, der den respektablen ACT in St. Ingbert ursprünglich als höchstpersönliches „feat.“ aus der Taufe posaunt hat. Ohrringe trägt Mister Red Horn ja bereits. Letzlich ist Danielsson nicht der einzige begleitende ACTionskünstler mit XY-Chromosomen, nur z. B. – Frau Thon hat eine ganzes Orchestrion davon unter ihrer Fuchtel (das heißt richtigerweise Thoneline Orchestra). Was die Präsenz echt weiblicher Schweden darüber hinaus betrifft, so darf ich Sie aufklären: Die sind in Gestalt der Respekt-Posaunistin Karin Hammar ansprechend vertreten! Tja, manchmal sieht man beim Forsten den Baum im Walde nicht. (…)

Also dann, Herr Lichtinger und wer sonst noch Lust und Laune hat, schwingen Sie sich mal auf Ihr Dreirad und gondeln Sie fix nach Halle/Saale – am 7. 2. geht es schon los! Mein Tipp fürs Navi: Das von Ihnen als Zielort genannte „Stadion“ ist in Halle gerade abgerissen worden. Opernhaus, Konzertkirche, Objekt 5 … hingegen und, man höre und staune, sogar die City stehen noch! Wenigstens bis nächsten Sonntag.

Ich hoffe nur, Herr Lichtinger sitzt dann da irgendwo nicht ausgerechnet neben mir im Konzert. Wäre mir echt peinlich, wenn er mit Pippi in den Äugelein plötzlich doch ein kleines Wunderkerzchen anzündet, weil Sidsel ihn so rührend swedish lullabyt …

Ich würde mich freuen, im Nachgang (nur) Positives übers Hallesche WiJ in der NMZ bzw. Blog lesen zu können!

Mit freundlichem Gruß,

Händel, Barockjazzer mit Hang zur Satire

Händel gibt sich dieser Tage satirisch und leicht verstimmt... Foto: Händel selbstpersönlich
Händel: satirisch und leicht verstimmt. Foto: Händel selbstpersönlich

Die Replik von Jörg Lichtinger auf diesen Leserbrief können Sie hier lesen.

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2 Kommentare

  1. In gewissen „Kollegenkreisen“ gehört es ja mittlerweile zum guten Ton, ein stetes und beständiges ACT- und Siggi-Loch-Bashing zu betreiben. Dass man mit diesem Bashing das Wesentliche, nämlich Musik und Musiker, aus den Augen bzw. den Ohren verliert, wird geflissentlich übersehen bzw. überhört und bewusst in Kauf genommen. Auch wenn ich Lichtingers Tonfall in seinem Post über Women In Jazz an vielen Stellen arg bemüht lustig empfinde (zum Teil doch sehr an den Haaren herbeigezogen und – ganz richtig – schlecht recherchiert), so gebe ich ihm im Kern dennoch recht. Festivals, die sich einer „Frauenquote“ im Programm unterwerfen, haben immer auch etwas von einer absurden „Freak Show“ und erreichen das genaue Gegenteil von dem, was ursprünglich beabsichtigt gewesen ist: aktuell die Leistung von Jazzmusikerinnen in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Es wird beim Programmieren nicht auf Kriterien wie etwa Qualität geachtet, sondern auf das „richtige“ Geschlecht. Brauche ich das? Nein. Btw: Meines Wissens ist Sidsel Storm gebürtige Dänin, die in Schweden lebt. Aber gut, eh alles eins und durch den Fetisch „Nordischer Klang“ miteinander verbunden…

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