Das Jazzfestival Saalfelden als Weekender – Durchhaltewillen kann so schön klingen

Man lernt viel in diesen Tagen. Über die Blechlawinen des Individualverkehrs zum Beispiel, die die An- und Abreise zu einem an sich dezentral gelegenen Ort umfassend verlängern können. Oder über rudelweise auftretende Kubikrentner, die ihren Ruhestand alpentälerweise mit knatternd akustischer Umweltverachtung zu krönen versuchen. Man lernt auch etwas über Quarantäneverordnungen, die kurzfristig Konzertpläne über den Haufen werfen, über Sicherheitsbestimmungen, die ein 32-seitiges Konvolut in Bürokratenösterreicherisch umfassen oder über die Segnungen von QR-Codes, die eine weitgehend lückenlose Erfassung des Publikumsgeschehens ermöglichen. Man lernt aber auch anderes. Zum Beispiel, dass ein Publikum belastbar sein kann und sich nicht nur ohne Murren in lange Schlangen reiht, das eigene Konterfei bereitwillig mit vielfältig gestalteten Masken verhängt, Hände in Desinfektionslösungen badet, Tanzschritte domestiziert, entgrenzende Sitzordnungen akzeptiert, ja sogar den eigenen Rausch im Griff zu haben scheint. Man erfährt, dass Veranstalter über alle Schatten springen können und aus havarierenden Programmplänen neue Konstellationen improvisieren, die sich als inhaltlich stimmig und stellenweise sogar grandios herausstellen. Man bekommt vor allem mit, dass sich Künstler gegen die pandemische Absurdität zu stemmen verstehen, indem sie sich der Resignation mit einer Mischung aus Wut, Gestaltungslust und Selbstbewusstsein …

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+++News: +++Munich’s Finest – Jazz Organ Summit im Deutschen Museum+++

Big Bands können im Moment nicht auftreten – was aber kommt dem am nächsten? Die Hammond Orgel, jenes wegen seiner Komplexität seit 35 Jahren nicht mehr gebaute Instrument, das ein ganzes Orchester ersetzen kann. Derzeit erlebt dieser wuchtig wabernde Veteran des Groove weltweit ein Comeback – und still und leise hat sich München zur Hammond-Hauptstadt entwickelt. Am kommenden Sonntag, den 30. August, treten nun gleich vier Hammond-Spezialisten in vollem Ornat zum Gipfeltreffen im Innenhof des Deutschen Museums an: Bei Hansi Enzensbergers Trio mit Manfred Mildenberger am Schlagzeug und Ludwig Klöckner am Bass ist der Name seit Jahren Programm: Organ Explosion. Matthias Bublath hat neun Jahre lang in New York von den Besten gelernt, ist der Alleskönner unter den Organisten und bringt hier den Passport-Schlagzeuger Christian Lettner mit. Der vervollständigt mit dem Gitarristen Paul Brändle auch das Trio von André Schwager, der sich in jüngster Zeit unter die weltbesten Organisten gespielt hat. Und eine ganz andere Farbe steuert schließlich Andreas Kissenbeck, Professor an der Münchner Musikhochschule, im Trio mit den Jazz-Jungstars Zhihan und Zhitong Xu (Gitarre und Schlagzeug) bei, wenn er deren Kompositionen auf Touren bringt. …

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Auf Sicht in die Zukunft fahren – Das außergewöhnliche „Look Into The Future III“-Festival in Burghausen

Einen viel aktuelleren Festivaltitel kann man derzeit wohl kaum finden als „Look Into The Future“. So nennen die Brüder Johannes Tonio und Cornelius Claudio Kreusch das seit drei Jahren von ihnen für die Stadt Burghausen kuratierte Format, das aktuelle Musik aus allen Genres mit anderen Kunstgattungen im eindrucksvollen Ambiente des Klosters Raitenhaslach zusammenspannen und nach dem wegweisenden Stand kreativen Denkens befragen soll. Schon, dass das Festival nun statt an Pfingsten als Rumpfveranstaltung im August mit allen derzeit nötigen Einschränkungen stattfand, lenkte den Fokus verstärkt auf die Rahmenbedingungen musikalischer und künstlerischer Betätigung. Und wie unter einem Brennglas wurde bei allen fünf Veranstaltungen – nicht zu vergessen die anschließenden Künstlergespräche des Elbphilharmonie-Pressesprechers Tom R. Schulz, die mit den sich dabei ergebenden Porträts und Innensichten der Künstler einen entscheidenden Unterschied zu anderen Festivals ausmachen – deutlich, wie entscheidend das Verhältnis ist zwischen dem Erbe der Vergangenheit, dem Weg, den die Künstler dank ihres Talents finden, es in die Gegenwart zu transportieren, und den Möglichkeiten der Rezeption, die mitentscheiden, ob er in die Zukunft führt. Am sinnfälligsten war dies vielleicht beim letzten Programmpunkt am Sonntagmittag im Anker Filmtheater (einem …

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Die Corona-Ausgabe des „Inntöne“-Festivals

Wiese, Stimmen, Sensationen Natürlich war in diesem Jahr auch beim „Inntöne Festival“ alles anders. Lange war nicht klar, ob es überhaupt würde stattfinden können, der übliche Pfingsttermin war wegen Lockdown ohnehin schnell vom Tisch. Aber Paul Zauner, als Posaunist, Labelbetreiber („Pao“), Veranstalter (unter anderem auch des praktisch kompletten Jazzgeschehens in Passau) und Biobauer (mit Studium der Tiermedizin und Agrartechnik) in Personalunion sowieso ein Phänomen, wollte sein liebstes Kind nicht fallen lassen. Zumal es nebenbei auch einen runden Geburtstag feierte – seit 25 Jahren gibt es die aus dem schon 1986 von Zauner gegründeten „Jazzfestival Siegharting“ hervorgegangenen Inntöne, seit 2002 veranstaltet auf dem inzwischen von Zauners Sohn hauptverantwortlich geführten elterlichen Hof nahe Diersbach bei Schärding. „Jazz am Bauernhof“, wie es im Festival-Untertitel so schön heißt, blieb es. Aber nun ging es von der wegen ihrer exzellenten Akustik berühmten Scheune raus auf die Wiese, in die man für die notwendigen Abstände ein Schachbrettmuster eingemäht hatte. Die Gastronomie im Innenhof-Zelt, die Laufwege der in der Zahl reduzierten Zuschauer, auf die Masken- und Reservierungspflicht zukam – alles wollte organisiert sein, bis Zauner sich schließlich auch noch auf die Schnelle …

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CD-Rezension: Markus Stockhausen: Wild Life

Schöpferische Freiheit in spiritueller Dimension Der Jazztrompeter Markus Stockhausen teilt mit seinem Vater Karlheinz Stockhausen das Bekenntnis zur schöpferischen Freiheit in einer durchaus spirituell zu nennenden Dimension. Markus Stockhausen spricht hier gerne von „Intuition“. Das Eintauchen in den Kosmos der neuen Dreier-CD „Wild Life“ macht deutlich, dass hier zwischen den sieben Beteiligten eine tiefe Übereinkunft herrscht. Sämtlicher Spieler schwingen sich in den meist überlangen Stücken zur Höchstform auf, reißen Grenzen ein, kehren ihr Inneres nach außen. Alles wurde so aufgenommen wie gespielt, so dass sich nahezu jede Postproduktion erübrigte. Falsch liegt, wer bei „Wild Life“ die wilde Skizzenhaftigkeit irgendeines Sessionmitschnitts vermutet. Auch benötigen die ausgiebigen Kollektivimprovisationen kein langes Herantasten und Suchen, bis irgendwann mal der große Moment geboren ist. Ebenso wenig läuft hier einer der Beteiligten Gefahr, sich in freitonale Labyrinthe zu verirren, denn dafür sind alle Beteiligten viel zu sehr in einem klar definierten spielerischen Vokabular geerdet und einigen sich auf eine gemeinsame Schwingung- agieren eben möglichst „intuitiv“. Markus Stockhausen (Trompete), Simon Stockhausen (Elektronik und Saxofon), Florian Weber, (Piano, Synthesizer, Stimme), Jörg Brinkmann, (Cello), Michelangelo Flamma (E-Bass), Christian Thomé (Drums, Elektronik) und Bodek Janke …

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Julia Kadel erhält den Essener „Jazz Pott“ 2020

Die Auswahljury der Reihe „Jazz in Essen“ unter der Leitung von Dr. Berthold Klostermann verleiht in diesem Jahr den Preis für innovative Jazzmusiker – den „Jazz Pott“ –  an Julia Kadel. Das Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro wird von dem Essener Kabarettisten Hagen Rether gestiftet. Die 23. Preisträgerin und ehemalige Psychologiestudentin hat sich mit ihrem mittlerweile dritten Album „Kaskaden“ (2019) als Pianistin, Komponistin und Leiterin ihres Trios in der Jazzwelt etabliert. „Ein scheinbar konventionelles Format, das den Hörer aber in eine erstaunlich abwechslungsreiche Klangwelt aus Jazz, Geräuschhaftem und Kammermusikalischem zieht; zu hören ist filigrane Musik der lyrischen Art, wobei stets der kollektive Prozess im Mittelpunkt steht“, zeigt sich der Leiter der Auswahljury begeistert. Auch Julia Kadel selbst hat über das Musikmachen mit ihrem Trio Folgendes gesagt: „Improvisieren ist so gewaltig, weil man in jedem Moment alle Möglichkeiten hat. Man sucht zu dritt gleichzeitig in einem ständigen Prozess des Moments nach Energie, nach Magie, nach Schönheit, nach Hässlichkeit, nach Kraft. Nach etwas Wahrem. Und alle treffen Entscheidungen nach ihren intuitiven Neigungen. Und dann passiert, was eben passiert.“ Das Preisträgerkonzert findet am 20. September im Grillo …

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+++News:+++LOOK INTO THE FUTURE im Kloster Raitenhaslach+++Jazz Open Hamburg 2020 im Exil+++

+++LOOK INTO THE FUTURE-Festival im Kloster Raitenhaslach+++ Das Musikfestival LOOK INTO THE FUTURE findet zum dritten Mal vom 20. bis zum 23. August 2020 auf der Open-Air-Bühne im Innenhof des ehemaligen Klosters Raitenhaslach in Burghausen statt. Das Programm, das von den Musikerbrüdern Cornelius Claudio Kreusch und Johannes Tonio Kreusch gestaltet wurde, soll aktuelle Musik- und Kunstströmungen miteinander verbinden und in Austausch bringen. Den Auftakt macht am 20. August, nach einer Einführung von Tom R. Schulz, dem Pressesprecher der Elbphilharmonie, der genreübergreifende Cellist Vincent Ségal mit einem Solo-Konzert. Am 21. August trifft die Sängerin Alpine Zabine mit ihren Wurzeln in der alpenländischen Volksmusik in einem Doppelkonzert auf das Danceclub Projekt des französischen DJs Papatef. Am 22. August möchte die Flamenco Nuevo-Tänzerin Ana Morales in Begleitung des spanischen Sängers Juan José Amador mit ihrem Programm eine Brücke zwischen Tradition und Moderne schlagen. Zum Abschluss des Festivals wird am 23. August im Ankersaal Burghausen die von FM Einheit komponierte Musik zum Stummfilm „Kosmische Reise“ (UdSSR, 1936) von Vasilij Uralëv uraufgeführt. Bei allen Veranstaltungen soll der Diskurs im Künstlergespräch unter der Moderation von Tom R. Schulz im Anschluss fortgesetzt …

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Ins Horn stoßen statt ins Boxhorn jagen lassen – das Outreach-Festival in Schwaz

Auch und gerade in Coronazeiten begeisterte das innovative Outreach-Festival in Schwaz „Der Bürgermeister hat mir das Festival acht Mal abgesagt“, erzählt der Trompeter, vor allem aber Gründer und Leiter des „Outreach“ Festivals im österreichischen Schwaz Franz Hackl, „aber ich hab‘ ihm gesagt, dass er das gar nicht entscheiden kann; er kann uns nur nicht in den Saal des SZentrums lassen. Am Ende war unser Konzept überzeugend und wir haben uns prima zusammengerauft.“ Hackl ist keiner, der sich leicht ins Boxhorn jagen lässt, weder von einem Virus noch von Politikern. Dafür stehen schon sein Lebenslauf und die Geschichte seines Festivals, beides gewissermaßen Gegenentwürfe zu alpinen Klischees.   Als Sohn eines erfolgreichen klassischen Trompeters und Trompetenbauers trat Hackl zunächst in die Fußstapfen des Vaters und wurde schon mit 14 Solotrompeter bei den Original Tiroler Kaiserjägern. Die Blasmusik-Tradition Tirols war aber nur der Ausgangspunkt. Richtig Feuer fing er bei seinen Besuchen der „Eremitage“, einem kleinen Schwazer Café, in dem Jazz gespielt wurde. Fasziniert von der Freiheit dieser Musik, „zu der es nie nur den einen Zugang gibt“, wie er sagt, führte ihn der Weg bis nach New York, …

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„Summertime“ mit Latin-Würze – Das Hürther Jazz Quartett im Kultur-Biergarten am Bürgerhaus

Zum dritten Mal beteiligte sich der Jazzclub Hürth am Donnerstag mit einem Konzert des Hürther Jazz Quartetts am Open-Air-Format des Bürgerhauses, das unter dem Titel #HÜRTHimSommer im eigens aufgebauten Kultur-Biergarten des Bürgerhauses stattfindet. Und das mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept, das auch in Zeiten der Pandemie Kulturerlebnisse unter Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen garantiert. Die Musiker des Ensembles hatten sich mit sommerlichen Hüten und Sonnenbrillen an die extreme Hitze angepasst, die zumindest die erste Hälfte des Konzertes fest im Griff hielt. Von den Temperaturen unbeeindruckt hatten sich viele Jazzfreunde auf den Weg gemacht, um die Musik des Quartetts zu hören, das 2019 auf Initiative des Jazzclubs gegründet wurde. Auch Zaungäste hatten sich eingefunden, um von den umgebenden, grasbewachsenen Hügeln aus der Musik zu lauschen – Festival-Feeling! Haus-Band des Hürther Jazzclubs Das Ensemble aus Sebastian Reimann (Geige), José Diaz de León (Gitarre), Sven Jungbeck (Gitarre) und Stefan Berger (Bass) wurde eigentlich aus der Not heraus geboren, wie Reimann im Laufe des Abends bei einer lockeren Moderationen verriet. Nach der Absage eines Ensembles, das eigentlich abends hätte spielen sollte, wandte sich der Jazzclub Hilfe suchend an die Musiker, die …

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Bezau Beatz: Das Jazzfestival im Bregenzerwald als Limited Edition

Die Dreizehn, natürlich! Wäre Alfred Vogel abergläubisch, hätte er schnell eine Theorie zur Hand haben können, warum die diesjährige Ausgabe der Bezau Beatz am 7./8.August 2020 anders über die Bühne ging, als während der vergangenen zwölf Festivaljahre. Aber erstens ist er Pragmatiker und im Kern seines Wesens Optimist und zweitens hat die Seuche das Kultur- und Zusammenleben weltweit beeinflusst. Und so wurden auch die Konzerte im Bregenzerwald zur Herausforderung für den Veranstalter. Erst abgesagt, dann doch für 100 Zuhörer erlaubt, stellte Vogel innerhalb eines knappen Monats eine „Limited Edition“ auf die Beine, die mit acht statt ursprünglich dreizehn Konzerten Zeichen der Kontinuität setzte. Angesichts der minimierten Reisemöglichkeiten stammten die meisten Künstler aus Deutschland und Österreich, wenn sie nicht, wie das internationale Partnerschafts-Duo Maya Homburger und Barry Guy, zufällig ihre Sommerresidenz nebenan im Schweizerischen Winterthur hatten und sich somit ohne übermäßigen Aufwand auf den Weg machen konnten. Ihr Konzert in der Dorfkirche von Bezau gehörte dann auch zu den Glanzlichtern des Festivals, konzeptuell ebenso wie spielerisch. Denn Homburger und Guy nahmen sowohl Barockes wie Gegenwärtiges ins Programm und ließen sich von experimenteller Gestaltungslust in eigenen Improvisationen …

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