Stippvisite bei der Bundesbegegnung Jugend jazzt 2015

Als Jazz-Land hat sich Brandenburg noch nicht so sehr in den Vordergrund gespielt. Es gibt natürlich das LaJazzo – wir haben gerne im letzten Jahr berichtet –, nun aber ist die Landeshauptstadt Potsdam zum Zentrum des Jazz-Nachwuches für vier Tage avanciert. Die diesjährige Ausgabe von Jugend Jazzt spielte hier auf. Und der Sommer kam hinzu. Eindrücke vom Wertungsspiel-Nachmittag am Freitag. In 30 Minuten ging es darum, Farbe zu bekennen, zu zeigen, was man drauf hat. Vier von 12 Ensemble stellten sich am Freitag Nachmittag der Jury und den Zuhörern (vielfach Mitbewerber) . Hamburg: Tierisch. Ein Trio mit Nicolai Ditsch (Schlagzeug), Niklas Werk (Gitarre) und Martin Zamorano (Piano). Ein Trio, das im Rocksound anleihen suchte, mit starken Akzenten im Schlagzeug und mit polymorpher Rhythmik. Da war Druck im Spiel, die Kompositionen im Aufbau sehr schön konstruiert. Aber irgend etwas fehlte. Da vermisste man den letzten Schliff, die letzte Selbstverständlichkeit. Man wagte viel, aber es fehlte die technische Versiertheit. Wie Ikarus schmolzen ihnen die musikalischen Gedanken weg, flatterte immer wieder gegen eine imaginäre Scheibe. Da geht mehr! Mecklenburg/Vorpommern: Jarret-Jazz-Quartett. Das sind Tobias Altripp (Klavier), Daniel Besthorn (Schlagzeug), …

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Mager, mager, mehrdimensional mickrig – Evaluation für nix

Es liegt ein sogenannter Evaluationsbericht zum Spielstättenprogrammförderpreis der Initiative Musik vor und der hat es in sich; beziehungsweise nichts in sich oder an sich. Dabei kommt die Studie großspurig im Ton daher. „Für die Evaluation wurde vom Netzwerk Kulturberatung ein mehrdimensionaler Methodenansatz gewählt. Es wurden u.a. 14 Experteninterviews und eine Onlinebefragung der Preisträger durchgeführt. Darüber hinaus fand eine systematische Analyse der vorhandenen Dokumente statt. Die Evaluation untersuchte u.a. die Zielerreichung, die öffentliche Wirkung, Medienresonanz und die Preisverleihung. Der Bericht zeigt im Ergebnis, dass das Förderprogramm effizient und effektiv realisiert sowie damit etabliert werden konnte.“ Klingt sehr bedeutungsvoll und methodenmodern, ist aber im Endeffekt allerdings nichts anderes, als wenn man den Koch befragt, wie ihm sein Essen schmecke. Kann man alles nachlesen als PDF, wer lustig drauf ist und will (71 Seiten). Oder aber man belässt es bei der Pressemitteilung und ihrer wunderbaren Zusammenfassung. Wie in dieser Stilblüte hier: „Die persönliche Anwesenheit der Kulturstaatsministerin bei der Preisverleihung wird von den Preisträgern und Experten als sehr bedeutend erachtet.“ Äh, ja. Das Essen war dann auch ganz lecker, oder? PS: Und wer hat jetzt Lust die Evaluation zu …

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Musikautorenpreis der GEMA 2015: Ohne Jazz

Soeben sind die Kategorien für den Musikautorenpreis der GEMA für dieses Jahr bekannt gegeben worden. Was dabei einigermaßen komisch – oder je nach Sicht auch unangenehm – auffällt: Kein Jazz dabei. Auch keine Filmmusik. Stattdessen Komposition HipHop, Komposition Orchester, Komposition Musiktheater, Komposition Pop, Komposition Audiovisuelle Medien. Letzteres überrascht immerhin. Ferner Text Schlager und Text Rock/Pop. Nun ist ja schon irgendwie klar, dass es mehr musikalische Kategorien gibt als dieser Preis (undotiert in diesen Kategorien) ausloben kann. Richtig. Wenn man sich so erinnert: da gab es auch mal experimentelle Musik oder Kirchenmusik … . Gleichwohl wirkt es einfach absurd, den Jazz ganz außen vor zu lassen. Das scheint Methode zu sein. Jazz gibts nur alle zwei Jahre – oder mit Glück in der Kategorie Nachwuchsförderung wie 2013. Das aber entspricht in keiner Weise der Bedeutung des Genres im Musikleben hier. Oder: Vielleicht eben doch. Die Selbstwahrnehmung der Jazzmusikerinnen und -komponistinnen entspricht nicht der Wahrnehmungswirklichkeit. Das macht die zweijährliche Ausblendung eben auch deutlich. Zumal in einem Genre, das GEMA-mäßig irgendwo zwischen Tanzmusik und zeitgenössischer Musik herumpendelt. Da ist es sogar eine Meldung wert, wenn der Wertungsausschuss manchen …

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Bund der Kurzsichtigen

Wer Steuern zahlt, will, dass sein Geld nicht irgendwie zum Fenster hinausgeschmissen wird. Ein sogenannter Bund der Steuerzahler listet daher in seinem jährlichen Schwarzbuch auf, wo er zu glauben meint, dass das Geld wie ein Heizpilz auf den Malediven keinen Sinn ergibt: eben unsinnig ist. In diesem Jahr haben diese Schwarzbuchschreiber plötzlich den Spielstättenpreis der Initiative Musik, bezahlt aus dem ohnehin mickrigen Kulturhaushalt des Bundes, im Visier. Kurzform des Arguments: Wer sowieso schon aus der öffentlichen Hand gefördert werde, müsse nicht ein zweites Mal subventioniert werden. Dafür seien zwingend Sponsoren zu gewinnen. Gewiss: Die Kosten der Veranstaltung zur Verleihung des Spielstättenpreises in Höhe von 68.000 Euro sind vermülltes Steuergewissen, da hätte die eine oder andere Spielstätte wirklich mehr davon gehabt. Hier tanzt also der Papiertiger auf den Tischen der Kultur. Kultur und Kunst werden allenthalben zum „Mittel“ degradiert, wo sie doch Zweck sein sollten/müssten. Da denkt der Bund der Steuerzahler in seiner Ärmelschonermentalität zu schwarz/weiß statt mit Herz und Verstand und trotz Status als eingetragener Verein als nicht besonders gemeinnützig. Sponsoren statt Steuern. Konsequent zu Ende gedacht hieße das: Lassen wir doch einfach unseren ganzen …

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Nolens volens politisch – auch Jazz & Co

In meinem letzten Eintrag habe ich ein paar Variationen über die Käuflichkeit der Jazzkritik publiziert. Die Angelegenheit hat weite Kreise gezogen. Unter anderem wurde nachgefragt, was denn das alles mit der Einladung zu einem Jazzfestival auf die Krim zu tun haben soll. Was denn diese tagespolitische Anspielung soll. Darauf will ich kurz eingehen ohne den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine selbst bewerten zu müssen. Aus der Ferne und der Nachrichtenlage heraus scheint das unmöglich. Nun: Kultur spielt auch in diesem Konflikt eine immer größere Rolle. So sind die Nachrichten, dass russische Beiträge (auch musikalischer Art) teilweise in der Ukraine ganz offen zensiert werden keine Neuigkeit. Wie es anders herum ist, ist mir leider nicht bekannt. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dies auch von der Gegenseite praktiziert wird, verwunderlich wäre es nicht. Eine Einladung zu einem Jazzfest auf der Krim, deren Zugehörigkeit strittig ist zwischen der Ukraine und Russland, ist natürlich ein Versuch, Fakten herzustellen. Das betrifft aber nicht nur Jazzkritiker, die dorthin eingeladen werden sollen, sondern auch Musiker, die dort spielen. In der Meldung wurde als deutsche Combo der Auftritt des „Club des …

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Jazzkritik ist käuflich

Die Dinge sind kompliziert. Neulich übersandte mir Redakteur Andreas Kolb einen Einladung zu einem JazzFestival, das in wenigen Tagen im September auf der Krim stattfinden soll. Rossiya Segodnya International Information News Agency invites Jazz Zeitung to take part in a press trip to the International Jazz Festival Koktebel Jazz Party. The press trip scheduled for September 10-17, 2014 will be held in Koktebel, a picturesque and cozy coastal town in Crimea. Die Sache ist vollfinanziert und so, als ob man Jazzjournalisten einkaufen könnte. (Kann man natürlich und das wird auch gerne, wo Kohle vorhanden, gemacht.  So kam ich zum Winterjazz nach Köln dieses Jahr. Ich glaube, das ist nich okay!) Es wirkt in der Tat teils merkwürdig, was man als bezahlter Gast dann schreibt, wo man sich für die Nettigkeit in der Pflicht fühlt. Ich hätte es auch nie gedacht, dass man nach einer Pressekonferenz über die Qualität des Buffetts nachdenkt und, wenn es mal nur Schnittchen gab statt Frikadellen schon enttäuscht ist. Gehätschelt werden wollen, vollkritisch bleiben und so, wie geht das zusammen? Aber das Geld ist überall knapp. Heute haben die „normalen“ Journalisten …

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Die chemisch unreine Welt des Jazz

Über die Facebook-Seite der Kolleginnen der Jazzthetik habe ich Kenntnis bekommen von dem Versuch der Konstruktion eines Periodensystems des Jazz, ähnlich gebaut wie jenes, welches man aus der Chemie kennt. Sie zitieren den Originaleintrag: A great poster for the music classroom: www.periodictableofjazz.com. Das hat in der Tat etwas sehr Faszinierendes. Kann man den Jazz wirklich in diesen Linien abbilden und welche Konsequenzen hat das für das Verständnis des Jazz, präziser der Jazzgeschichte. Kann man den Jazz auf Louis Armstrong und Jelly Roll Morton zurückführen, ist die Bedeutung von Miles Davis mit drei Einträgen nicht vielleicht zu zentral gesehen? Oder in den Kommentaren auf der Erstpostingsite: Wo sind die ganzen Frauen? Wo ist der ganze europäische Jazz (außer E.S.T.). Die hübsche Spielerei zeigt eigentlich damit etwas ganz anderes. Dass der Jazz längst exoplanetarisch geworden sein muss, vor allem die Ursuppe der subatomaren Bauteile (Quarks & Co) ist so umfassend, dass ein Periodensystem schnell an seine Grenzen kommt. Miles Davis ist kein Element, sondern doch eher ein „schwarzes Loch“ oder ein „roter Riese“, oder ein sehr massereiches Element, was viele Zerfallsprodukte kennt. Oder?

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Das Recht auf Improvisation – “I have no more music in me!“

Man müsste es schon genauer beschreiben. Hat man als Hörer eigentlich ein Anrecht darauf, dass Jazzmusiker etwas zu imporovisieren wissen? Bei einem klassischen Konzert bekommt man ja ein Programm, wo drauf steht, was gespielt werden wird. Das ist bei Jazzkonzerten eher selten der Fall. Ich frage nach: Vor geraumer Zeit hat Felix Janosa auf Facebook von einem Konzerterlebnis mit Keith Jarrett berichtet. Der habe in Paris ein Konzert gegeben und dieses nach einer gewissen Zeit abgebrochen. „I have no more music in me!“, soll er gesagt haben. Beitrag von Felix Janosa. Ich bin nicht sicher. Aber was soll man da machen? Muss ein Musiker dann wie in einem Werksvertrag irgendwie doch weitermachen. Vielleicht hätte Jarrett ja auch einfach ein paar Bach-Präludien hinten an setzen können. Wenn er nicht genug Musik in sich hat, dann gibts ja auch noch genug andere Musik außer ihm. Profi genug ist er ja.

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Massive Schräge im A-Trane. Foto: Petra Basche

Fast ohne „e“ – „Massive Schräge“ im A-Trane (Fotos und Bericht)

Die Schläfer sind unter uns und wir selbst sind es, die da schlafen. „Massive Schräge“ sind unsere Wecker und unsere musikalischen Tages- und Nachtbegleiter: Johannes von Ballestrem – p, rhodes, Florian Fleischer – git und Johannes Ziemann – dm. Gefunden haben sich die drei übrigens in der Stadt, die für Klassizismus schlechthin steht: in Weimar. Dort trafen sie zusammen, alle zusammen Jazz studierend und jetzt völlig unklassisch agierend. Jetzt leben oder studieren sie in Leipzig, Berlin und Hamburg. Die Besetzung ist nicht gerade eine der üblichen. Drei Rhythmusinstrumente nach dem erweiterten Curt Sachs. Aber diese Rubrizierung ist hinfällig und nur archäologisch präzise: Gleichwohl handelt es sich um Melodie- und Harmonieinstrumente insgesamt und sowohl als auch: Ja, auch das Schlagzeug in den Händen von Ziemann. Man darf der Spur des Rhythmus‘ aber durchaus folgen, die sich in den Kompositionen der drei Musiker äußert. Da wird geschoben, verschoben, konterkariert – Pattpattettern is it. Die pattendernde Struktur ist dabei Substanz und Ergebnis in einem, wie in einem Blumen-Beet, aus dem heraus dann Pflanzenfragmente ragen und sich mäandernd entwickeln, Knospen aufgehen in erfrierend schönen Klängen von Fleischers Gitarre, während …

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Winterjazz 2014. Köln. Foto: Basche

Winterjazz in Köln 2014 – Bericht und fotografische Eindrücke

Die Fakten sind ja ziemlich schnell erzählt. 21 Gruppen auf insgesamt 5 Bühnen an einem Abend im und um den Kölner Stadtgarten. Knapp 75 Musiker gaben sich die Ehre. Kostenlos und drinnen, sofern man einen Platz irgendwo ergattern konnte. Stilistisch eher an aktuellen Jazz-Klängen orientiert, die nicht selten die Sphären zur improvisierten Neuen Musik streifte. Deckungsebenen gibt es ja genug. Fotos: Petra Basche Gleichwohl: Als Zuhörer hatte man es schwer, a) sich zu entscheiden, wohin man wollte und b) sich seinen Hörraum zu erobern. Schlangen oder Menschentrauben vor den Veranstaltungsräumen zeigen an, wie erfolgreich das Konzept ist, einen ganzen Abend sukzessiv und synchron Musiker aufspielen zu lassen und wie schwierig die Hörsituation zu finden ist. Dabei haben sich die Veranstalter ziemlich gewitzt angestellt. Jede Bühne hatte ihren Schwerpunkt. Im Pub, Irish Harp, hätte man neuen Vokaljazz hören können, im „Zimmermanns“ etwas lautere experimentellen Jazz, im Restaurant des Stadtgartens eher Grooviges, auf der Studiobühne Soundtüftler und im „Großen Saal“ Konzertantes mit Klavier. Die Entscheidung wurde einem aber situations- und füllebedingt eher für manchen endgültig – man kam, emphatisch gesprochen, nicht mehr rein, oder nicht mehr raus. Gehörte Höhepunkte Dem …

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