„Rainbow Bubbles“ zum Staunen

Von Mathias Bäumel

Immer mal wieder kann man in CD-Begleittexten lesen, dass die Musik vollständig ohne Overdubs, also live ohne irgendwelche „künstlichen” Zusätze, in einem Rutsch eingespielt worden sei. Solche Hinweise sind verräterisch. Tendenziell unterstellen sie, dass eine Musik ohne nachträglich im Studio hinzugefügter Klangelemente authentischer und somit künstlerisch wertiger sei. Oder sie heben heraus, dass das spieltechnische Vermögen des Musikers so frappierend groß ist, dass eine studiotechnische Nachbearbeitung nicht nötig sei. Beides kann zutreffend sein und die Qualität der betreffenden Musik verdeutlichen. Aber könnte ein gegenteiliges Konzept nicht auch zu einer brillanten Musik führen?

„Rainbow Bubble” von Samo Salomon macht die Möglichkeiten der Studioaufnahme zum Prinzip. Foto: Janin Vezonik

Einer der ersten, der einen solchen Weg im Bereich des zeitgenössischen Jazz beschritt, war 1969 Miles Davis mit seiner LP „In A Silent Way”. Hier wurden die Stücke durch Schneiden, Zusammenfügen, Kopieren und Wiederholen aus etwa 80 Minuten Material zurechtgeschnitten. In einem solchen Fall ist die Jazz-LP ganz wesentlich ein Produkt von Studioarbeit, nicht mehr bloß eine Dokumentation von Live-Musik (im Studio oder beim Konzert).

Der Ausnahmegitarrist Samo Salamon veröffentlicht mit „Rainbow Bubbles” wieder eine ganz spezielle Platte.

Während im Falle von „In A Silent Way” Produzent und Musiker das Endprodukt als Synthese von zuvor quasi fertig aufgenommenen Klangelementen gestalteten, geht Gitarrist und Komponist Samo Salamon mit seiner neuen Produktion „Rainbow Bubbles” einen mehr dialogischen, einen kommunikativeren Weg. „Zuerst hatte ich die Schlagzeugspur, denn Asaf Sirkis hat mir die Drum-Tracks, also etwa dreißig Minuten Drum-Improvisationen, geschickt”, so Samo. „Das war für mich die Basis. Darauf habe ich meine Kompositionen geschrieben – Bass, Gitarre, Banjo, Moog – beziehungsweise darüber Improvisationen aufgenommen”, erzählt er. „Es war fantastisch so zu arbeiten!”, freut sich der Musiker, „Ich konnte Melodien, Soloparts oder Akkordwechsel über die Drum-Muster schreiben, was für mich fantastisch, aber auch herausfordernd war.” So ist hier jede Spur Salamons eine dialogische, kommunikative Reaktion auf das gerade zuvor Entstandene.

Banjo-Improvisationen im Stil rockiger Gitarrensoli

Mit „Rainbow Bubbles” hat Salamon den Geist des Jazz – das Kommunikative – bewahrt und dennoch etwas Darüberhinausgehendes geschaffen. Das eher für Country and Western stehende Banjo, hier gelegentlich eingesetzt, ergänzt im Sound den „klickigen” Klang der Perkussionspassagen und schafft mit seinen melodischen Kürzeln Kontraste zum Erwarteten. Skurril wirkende, synkopierte Motivketten, ausschweifende melodische Träumereien, kraftvolle, brummige, Vertrauen weckende Bassläufe, zarte Moog-Klangteppiche, aber auch rasante, expressive Rockgitarren-Soli („Bloom in Vein”) – die Musik klingt abenteuerlich, vielleicht wie ein Musikesperanto, das sich aus Elementen von Rock, Folk, Swing, Modern Jazz, Fusion speist und wie eine fremd-vertraute Musiksprache anhört. Und das alles spieltechnisch souverän und exzellent! So noch nicht (noch nie?) gehört und doch verständlich auch für den, der angesichts dieser „Rainbow Bubbles” ins Staunen gerät.

Samo Salamon / Asaf Sirkis: „Rainbow Bubbles”, Bandcamp,

 

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