Dauner: Output - Front. ECM 1970
Dauner: Output - Front. ECM 1970

Der Prophet des Musikstreaming: Wolfgang Dauner im Jahr 1970

ECM goes Streaming. So stand es gerade in der JazzZeitung. Nach einer ersten Sichtung waren Katalogs sind da aber doch einige Lücken auszumachen, die mittlerweile sehr ordentlich geschlossen wurden. So fehlen bei Keith Jarrett – nur als Beispiel – zahlreiche Aufnahmen, andere sind teilweise ausgegraut und keinesfalls anhörbar. Zumindest bei Spotify. Anderen Bereichen des Katalogs wird es wohl nicht anders ergehen. Art Ensemble Of Chicago? Wo bitte? Ich schätze mal grob: Vielleicht sind 20% der Aufnahmen von ECM bei Spotify tatsächlich verfügbar. [Stand: 17.11.2017] So ändern sich die Dinge. Der 17.11. in D ist ja kürzer als in San Francisco, so von der relativen Zeit her gesehen.

Umso mehr mag erstaunen, dass Wolfgang Dauner bereits 1970 in Form der Plattencovergestaltung dieses Ende im digitalen Nirwana vorausgesehen haben dürfte. Ich gebe zu, dass ich mir die Platte irgendwann in den 80er Jahren zugelegt habe und sie nicht wirklich mit Freude höre. Die Preisangabe ist in französischen Franc, heruntergesetzt von 28 auf 19,50 FF und nach heutigen Umrechnungsmaßstäben knapp 3 Euro. Schnäppchen und Vinyl.

Ich weiß nicht, wie man das Cover präzise zu interpretieren hat, doch so ist das bei Interpretationen, deshalb heißen sie Interpretationen, weil sie etwas als etwas interpretieren. Also:

Die Finger hängen an einem fünfadrigen Kabel (für Kenner: Ein Kabel wie beim Starkstromanschluss, zum Beispiel einem Herd – bitte nicht selbst anschließen als Laie, schon gleich gar nicht, wenn man, wie der Autor dieser Zeilen farbenblind ist). Diese, das macht das Frontcover deutlich, gehören zu einem männlichen Körper, auf dessen Hals kein Kopf, sondern eine Glühbirne mit Schraubgewinde sitzt und leuchtet. Allerdings ist es einigermaßen ungewöhnlich, übertragen gesagt, mit Starkstrom auf Glühbirnen zu schießen.

Funfact 1: Man beachte das Halstuch, ein geschickte Schachzug des Monteurs, um den Kopf durch die Birne leichter ersetzbar zu machen. Photoshop gab es erst später, nämlich seit 1990.

Ob es sich bei der Person um Dauner persönlich handelt? So genau kenne ich ihn nicht. 1970, als die Platte herauskam, war ich gerade sechs Jahr alt und wohnte nicht in seiner Nähe. Aber ich vermute mal, so viel Personality muss sein: Es ist er.

Funfact 2: Apropos Personality. Man hat es auf dem Frontcover nicht für nötig erachtet, auf weitere Musiker hinzuweisen, die bei der Platte mitgewirkt haben. Da steht nur Wolfgang Dauner: Output (was aber eher der Plattenname sein dürfte und nicht der Name einer Combo).

Aber gut, die Logik des Covergestalters (F + G Grindler) und des Marketingteams bei ECM dürfte gewesen sein: Glühbirne = Birne, umgangssprachlich für Kopf (so wie bei Helmut Kohl, den man auch die Birne nannte, allerdings mit Bezug auch die Frucht gleichen Namens und umgekehrt auf dem Körper plaziert). Erleuchtung durch Strom aus der Steckdose bei freiem Oberkörper. Dauner bedient auf der Platte zum Beispiel ein Hohner Electra-Clavinet C und einen Ringmodulator (das Hammerteil der elektronischen Musik).

Funfact 3: Obwohl Strom durch den Körper zu fließen scheint, fehlt doch die sonst typische Darstellung einer statischen Aufladung, die einem die Haare oder in Ermangelung die Brusthaare dann, zu Berge stehen lässt. Und das lässt eine andere Vermutung zu. Nämlich:

Aber unter den heutigen Bedingungen kann man es auch ander herum sehen. Dass, was da Birne und Gehirn ist, geht verwandelt über in das Stromnetz. So ergibt schließlich auch der Titel der Platte einen Sinn: Output heißt der und nicht Input. Der Output ist dann schließlich das, was hinten auf der Platte steht, die Stücke nämlich. Man wird Netzbetreiber. Und eben genau das ist es, was ECM jetzt angeblich auch geworden ist. Lange hat man sich geziert bei ECM, nun – auf wessen Druck auch immer oder aus neuer Einsicht – hat es sich geändert. Dauner hat die in unvergleichlich hellseherischer Weise (na, Glühbirne = hell!) geahnt. Nein: Ich bin sicher: Gewusst!

Funfact 4: Die Platte ist natürlich nicht bei Spotify, die gab es zeitlebens wohl nur als Vinyl. Die Bänder extra für Spotify zu digitalisieren wäre etwas des Guten zu viel dann.

Da fressen dann die Kinder irgendwo eben doch die Revolution.

Der tägliche
JazzZeitung.de-Newsletter!

Tragen Sie sich ein, um täglich per Mail über Neuigkeiten von JazzZeitung.de informiert zu sein.

DSGVO-Abfrage *

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.