CHARLIE AND HIS ORCHESTRA: Swing Heil! Ein szenisches Konzert im Bürgerhaus Unterföhring

Der tragikomischen Story einer offiziellen Jazzband im dritten Reich haben sich die Autoren Oliver Hochkeppel und Peter Wortmann angenommen und daraus ein abendfüllendes Programm im Bürgerhaus Unterföhring gestaltet. Zusammen mit Heinz Dauhrer und dem „WINE AND ROSES SWING ORCHESTRA“ mit Pete York am Schlagzeug, wurden die illustren Stücke von „Charlie and his Orchestra“ gespielt. Akribisch haben dafür Michael Keul, Matthias Bublath, Bernhard Ulrich sowie Heinz Dauhrer die Originalstücke abgehört, zu Papier gebracht und für ihre Band arrangiert. Zwischen den Stücken eingeflochten sind szenische Texte, eindrucksvoll und mit Esprit vorgetragen von April Hailer und Maximilian Höcherl.

Zum historischen Hintergrund: Jazz im Dienst der NS-Propaganda. Nach dem „endgültigen Verbot des Niggerjazz“ im Dritten Reich 1935 war den Nazis, vornehmlich Josef Goebbels, für die Propaganda im Ausland allerdings jedes Mittel recht. So wurde im Auftrag des Reichspropagandaministers mitten im Krieg eine Jazzband rekrutiert, die aus den besten Jazz-Musikern Deutschlands und des besetzten europäischen Auslands bestand: „Charlie and his Orchstestra“. Mit von der Partie waren z.B. der Saxophonist Lutz Templin, der Wiener Trompeter Charlie Tabor oder der Münchner Schlagzeuger Freddie Brocksieper. Namensgeber wurde allerdings der österreichische Ministerialbeamte und Sänger Karl „Charlie“ Schwedler. Es wurden erstklassige Swing Arrangements für den Auslandsrundfunk gespielt, auf Kurzwelle gesendet und mit hanebüchenen Texten versehen, die es auf Churchill, die Russen, Amerikaner und Juden abgesehen hatten („let’s go bombing“; „slumming on park avenue“) um den Feind zu demoralisieren. Ein komplett irres Unterfangen!

Das Publikum im Unterföhringer Bürgersaal erlebte einen „beswingten“ Abend der gleichzeitig betroffen und nachdenklich machte. Menschliche Schicksale, die, um dem Wehrdienst zu entgehen, sich für den Staatsapparat künstlerisch prostituierten und Vergünstigungen genossen. Ihre Alternative wäre die Front oder das KZ gewesen. Dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte ist enorm spannend wie interessant und findet so in dieser Form zum ersten Mal Gehör! Nach dieser gelungenen Premiere in Unterföhring bleibt zu hoffen, dass die Produktion weiter tourt und damit erfolgreich durch die Lande zieht: eigentlich aber gehört dieser skurrile Stoff verfilmt!

Text und Fotos: Thomas J. Krebs

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