I got rhythm. Kunst und Jazz von 1920 bis heute

Max Beckmann, Begin the Beguine, 1946 Das Lied Begin the Beguine wurde von Cole Porter für das 1935 uraufgeführte Broadway-Musical Jubilee komponiert und getextet. Es entwickelte sich zu einem Evergreen und einem Jazzstandard. eine Berühmtheit verdankt der Titel vor allem der am 24. Juli 1938 aufgenommenen und im August 1938 erschienenen Aufnahme von Artie Shaw und seinem Orchester (bei Bluebird), die insgesamt 6 Wochen lang die Billboard-Charts anführte. Bis zum Jahre 1944 hatte die Single eine Million mal verkauft.
Max Beckmann, Begin the Beguine, 1946

Menschen mit umgehangenen Audio-Guides, die durch ein Museum laufen, sind heute wirklich nichts Außergewöhnliches. Aber was ist das für eine Ausstellung, in der die Menschen dabei lächeln, mit Kopf und Hüfte wippen und andere Besucher zum Tanz auffordern? So geschehen und gesehen in der großen Sonderausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“ im Kunstmuseum Stuttgart und noch möglich bis zum 16. März 2016. Die Ausstellung untersucht die vielfältigen Wechselwirkungen von Jazz und Bildender Kunst. Vom Futurismus bis zur Gegenwart reicht die Who’s Who-Liste der bildenden Künstler, die Jazzfans waren.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Jazz die Zukunft der Musik und zugleich das erste weltweite Pop-Phänomen. Anhand spektakulärer Leihgaben aus internationalen Museen und Sammlungen zeigt die große Sonderausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“, dass der Jazz in den letzten einhundert Jahren und bis in die Gegenwart hinein ein internationaler Impulsgeber war. Eine umfassendere Schau zur Wechselbeziehung zwischen bildender Kunst und Jazz hat es bislang in Deutschland nicht gegeben. Die Ausstellung ist der Höhepunkt zum 10-jährigen Jubiläum des Kunstmuseum Stuttgart, das unter dem Thema „Kunst & Musik“ steht.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich der Jazz zu einem Massenphänomen, das die Entstehung der Popkultur um 1960 vorwegnahm. Einer der ersten deutschen Künstler, die mit der Musik in Kontakt kamen, war George Grosz. Er selbst berichtet, schon 1912 eine Art Jazzauftritt im Café Oranienburger-Tor in Berlin gesehen zu haben. 1933 verließ Grosz Deutschland und ließ sich in New York nieder. Dort erhielt er einen Lehrauftrag und unterrichtete unter anderem den afro-amerikanischen Künstler Romare Bearden. Seine Eindrücke der amerikanischen Großstadt schlugen sich in einer Serie von Aquarellen nieder, wie etwa Negerpaar in Harlem (1933). Auch Max Beckmann war ein passionierter Jazzhörer. Kurz bevor er 1947 in die USA aufbrach, malte er ein Figurenbild, dessen Titel „Begin the Beguine“ auf das gleichnamige Stück von Cole Porter verweist. Es entwickelte sich zu einem Evergreen und einem Jazzstandard. Seine Berühmtheit verdankt der Titel vor allem der am 24. Juli 1938 aufgenommenen und im August 1938 erschienenen Aufnahme von Artie Shaw und seinem Orchester (bei Bluebird), die insgesamt 6 Wochen lang die Billboard-Charts anführte. Bis zum Jahre 1944 wurde die Single eine Million mal verkauft.

Abstrakte Künstler dies- und jenseits des Atlantiks wie Piet Mondrian, František Kupka und Arthur Dove waren ebenfalls von den Rhythmen des Jazz fasziniert und entwarfen mit ihren Bildern Entsprechungen zu Modetänzen oder populären Musikstücken. Aber wohl kein anderes Bild verkörpert das Jazz-Zeitalter so sehr wie das Gemälde Großstadt (1927/28) von Otto Dix. Dix, selbst ein begeisterter Swingtänzer, verewigte im Zentrum des Triptychons einen mondän-anrüchigen Salon mit Jazzband.

Jackson Pollock schuf seine dichten Farbgewebe, während der Plattenspieler die heißesten Swing-Nummern wiedergab. Jazz war für ihn neben der Malerei des Abstrakten Expressionismus die einzige weitere originäre Kunstform, die die USA hervorgebracht hatten. Umgekehrt erkannte der Saxofonist Ornette Coleman um 1960 eine Wesensverwandtschaft zwischen seiner Musik und Jackson Pollocks Technik des action painting, nicht zuletzt zierte ein Gemälde des Künstlers sein Free Jazz betiteltes Album aus dem Jahr 1961.

Stan Douglas, Luanda-Kinshasa, 2013
Stan Douglas, Luanda-Kinshasa, 2013

Dass der Jazz bis in die Gegenwart eine wichtige Referenz für Künstlerinnen und Künstler ist, um über Identität und Geschichte nachzudenken, bezeugen die Videoinstallationen von Stan Douglas und der Otolith Group. Für Luanda-Kinshasa (2013) hat Douglas das berühmte Columbia Records Studio in New York nachgebaut, in dem unter anderem bahnbrechende Alben von Miles Davis, Bob Dylan, und Glenn Gould entstanden sind. In dem sechsstündigen Loop improvisieren zehn Musiker über Grooves, die aus der funkigen Jazz-Rock-Periode von Davis stammen könnten, einer Zeit, zu der der Trompeter versucht hatte, sich wieder einmal neu zu erfinden. Allerdings fehlt in dem Tentett das Hauptinstrument von Davis, wodurch eine Leerstelle entsteht und sich die Frage ergibt, wie die Entwicklung des Jazz verlaufen wäre, wenn der Musiker sich nicht kurze Zeit später krankheitsbedingt für viele Jahre aus der Musik zurückgezogen hätte.

 

 

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