Fortsetzung geglückt: Sparks & Visions im Regensburger Theater

Niveau gehalten, Fortsetzung geglückt: Auf diesen Nenner lässt sich die zweite Ausgabe des Internationalen Jazzfestivals Sparks & Visions vom 19. bis 21. Januar im Theater Regensburg bringen. Anastasia Wolkenstein hatte für das Januar-Wochenende wieder ein beachtliches Line-up auf die Beine gestellt und das Publikum war spürbar konzentriert und enthusiastisch bei der Sache. Sparks & Visions, Tag 1 Den Auftakt bildete Ganna Gryniva mit ihrer eigensinnigen Umsetzung ukrainischer Volkslieder, die sie bei einer Reise in ihre Heimat kennen und lieben gelernt hat. Als vokal-instrumentale Performance ist das von beeindruckender Virtuosität. Ohne jegliches technisches Ruckeln, ohne auch nur eine winzige Trübung der Intonation schichtet GANNA – so ihr Künstlername – mittels Loops eine Vokalstimme über die andere und reichert dies mit teils live eingespielten, teils als Backingtracks vorproduzierten Spuren aus Begleitklängen und Beats an. Wohlkalkulierte Schreie und Juchzer oder Töne aus dem Mundwinkel heraus bereichern das vokale Spektrum, doch bald stellt sich eine gewisse Sättigung ein. Denn melodisch-harmonisch bleibt die Bandbreite beschränkt, die Stücke und die Herangehensweise – melancholisch Getragenes wechselt sich mit stärker Rhythmisiertem ab – ähneln sich ziemlich. Wem hier Ecken und Kanten gefehlt hatten, …

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Die Band Re:Calamari mit Fish-Eye-Objektiv Fotografiert. Links Pablo Held am Keyboard, daneben Drummer Andi Haberl. Rechts erst Bassist und Bandleader Oliver Lutz, dann Wanja Slavin. Hinter allen ein grauer Vorhang mit Scheinwerferreihe darüber.

Oliver Lutz’ „Re: Calamari“ im Jazzclub Regensburg

Darf man zur Musik angesagter Jazz-Cats aus Berlin und Köln noch (oder wieder) „Fusion“ sagen? Offenbar schon, schließlich heißt die Eröffnungsnummer auf der ersten Scheibe von „Re: Calamari“, einem Band-Projekt des Bassisten Oliver Lutz, genau so. Ein bisserl retro darf es also schon klingen, wenn Saxophon- und Synthie-Linien im Unisono über singenden E-Bassschleifen und kernigen Drum-Grooves schweben. Beim Auftritt des Quartetts im Jazzclub Regensburg ergibt das einen kompakten, aber durchsichtigen Kollektivsound, den Saxophonist Wanja Slavin an einem weiteren kleinen Tastenkasten ab und zu synthetisch noch weiter anreichert. Die Songs von Oliver Lutz und Keyboarder Pablo Held sind harmonisch-melodisch vertrackt genug, um der Fusion-Süffigkeit den Boden unter den Füßen wegzuziehen, und so balsamisch Lutz’ sechssaitiger E-Bass auch tieftönt – Andi Haberl, der auch bei The Notwist trommelt, setzt immer wieder rhythmische Widerhaken an. Alles bestens also, leider wirkten die vier bei ihrem Auftritt bisweilen aber so, als würde ihnen die Sommerzeitumstellung arg zu schaffen machen. Vor allem Pablo Held stand etwas unbeteiligt an seinem zweistöckigen Synthie-Turm, was ihn freilich nicht daran hinderte, zu manch aberwitziger Soloeskapade aufzubrechen. So blieb das Ganze über weite Strecken allzusehr im …

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Elina Duni. Foto: JM Koch

„Sparks & Visions“ – internationales Jazz-Festival im Theater Regensburg

Das meteorologisch meist trübe und tendenziell eher konzertarme Januar-Ende mit jazzigem Funkenflug und visionären Formationen aufpeppen: Mit dieser guten Idee hat es Managerin und Bookerin Anastasia Wolkenstein geschafft, Sponsoren und Kooperationspartner in Regensburg zu gewinnen und ein hochkarätiges Wochenendfestival auf die Beine zu stellen. „Sparks & Visions“ bot an drei Abenden je drei gut einstündige Konzerte im gediegenen Ambiente des klassizistischen Theaters. Dass das atmosphärisch bestens aufging, dafür sorgte nicht nur der gute Sound, sondern auch ein wunderbares „Bühnenbild“: Der Künstler Karl Iaro hatte einige Mobiles aufgehängt, die in Verbindung mit den Farbwechseln des Lichts immer wieder neue Reflexionen auf eine rückwärtige Leinwand zauberten. Dass die kunstvolle, inspirierende Klarheit dieser Installation am zweiten Abend zeitweise durch Bühnennebel verunstaltet wurde, war dann allerdings ein grober Missgriff. „Sparks & Visions“, Tag 1 Die Dreierprogramme folgten einer klaren, jeweils von Vokaljazz eröffneten Steigerungsdramaturgie. Dem ursprünglich für ein Konzert beim Bundespräsidenten zusammengestellten Septett „Heaven Steps to Seven“ rund um die Pianistin Julia Hülsmann merkte man am Eröffnungsabend den Projektcharakter ein wenig an. Von den drei Sängerinnen profilierte sich vor allem Lisa Bassenge mit bewährter Wandlungsfähigkeit, die ambitioniertesten Nummern waren …

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Explosiv und reflektiert – Jermaine Landsberger ist mit neuem Album auf Tour

Dass man einen renommierten Kollegen bittet, „Liner Notes“, also einen Begleittext zu einem neuen Album beizusteuern, ist im Jazz nicht ungewöhnlich. Wenn kein Geringerer als Randy Brecker dies von sich aus anbietet, schon eher. Pianist Jermaine Landsberger staunte also nicht schlecht, als der Weltklasse-Trompeter ihn nach seinen neuen Aufnahmen für die CD „With Heart and Soul“ fragte, die er ab 16. November in Erlangen, Regensburg, Esslingen und Weiden präsentiert. „Wenn es mir gefällt, schreibe ich was“, meinte Brecker und lieferte prompt. Was Landsberger besonders freute, ist die Tatsache, dass Brecker neben dem für die Textsorte typischen Lob („eine der besten Jazz-Aufnahmen, die ich in sehr langer Zeit gehört habe“) viel Gespür für das Besondere an Landsbergers Piano-Stil beweist. Denn bei aller Orientierung an der modernen Spielweise etwa eines Herbie Hancock klingt bei Landsberger doch immer etwas von seinem musikkulturellen „Gypsy“-Background als Sinto durch. „Selbst in den USA wurde ich darauf angesprochen“, erzählt Landsberger im Gespräch: „Ich hätte einen individuellen Touch, der damit zu tun haben muss, hieß es da oft.“ Randy Brecker hört eine „harmonische Sensibilität, die einem eine Träne ins Auge drückt, aber gleichzeitig …

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Impressionen vom Bayerischen Jazzweekend Regensburg 2022

Alles neu beim Bayerischen Jazzweekend? Beim offenohrigen Schlendern durch die Regensburger Altstadt deutete der erste Eindruck eher nicht darauf hin. Da fühlte sich an den zu vorrückender Stunde immer stärker sich füllenden Open-Air-Locations eigentlich alles so an wie immer: Entspannte, gute Stimmung bei Jazz und Jazzverwandtem jeglicher Couleur von semiprofessionell bis Weltklasse vor mal gebannt aufmerksamen Zuhörern, mal die Musik eher als Hintergrundkulisse duldenden Gesprächsteilnehmern. Neu waren aber einige Spielorte, darunter ein Schiff am Donauufer und einige Clubs, segensreich die Streichung der vom Durchgangsverkehr früher immer arg in Mitleidenschaft gezogenen Bühne auf dem Kohlenmarkt. Die inhaltlich prägnanteste Neuerung war die Präsenz der bayerischen Musikhochschulen München, Würzburg und Nürnberg mit ihren Jazzstudiengängen. Für sie war mit dem Bismarckplatz ein prominenter, stets gut besuchter Auftrittsort reserviert. Hier ließ beim Samstagsblock vor allem die Nürnberger Combo „Monk’s Music“ rund um den hör- und sichtbar alles gebenden Saxophonisten Sebastian Gille aufhorchen. Die Ecken und Kanten von Thelonious Monks unverwechselbarer Musik findet sich hier in einen Kollektivsound übersetzt, der von der sonoren Stimme Moses Kamdems geprägt wird. So darf es in Sachen Hochschulpräsenz nächstes Jahr gerne weitergehen. Vielleicht findet sich …

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Das 40. Bayerische Jazzweekend 2021 Teil1 – die Bilder

Kostenlose Live-Konzerte unter Corona-Bedingungen – der erste Teil vom „Jazzfest 40“ des Bayerischen Jazzweekends fand vom 16. bis 18. Juli 2021 im Regensburger Thon-Dittmer-Palais statt. Aufgezeichnet vom Bayerischen Rundfunk stellten musikalische Gäste aus dem In- und Ausland ihre Kunstfertigkeit im Rahmen von zehn Konzerten unter Beweis. Juan Martin Koch war mit seiner Kamera bei einigen Konzerten vor Ort. Sein Fazit: „Fabian Rucker [unser Beitragsbild] war eine Urgewalt.“ Vom 23. bis 25. Juli 2021 werden weitere zehn Konzerte im Thon-Dittmer-Hof stattfinden (Tickets über Ok-Ticket. Den Abschluss der sommerlichen Open-Air-Konzerte bilden zehn Veranstaltungen im Gewerbepark Regensburg vom 30. Juli bis 1. August 2021. „Große Bühnen, Abstände und Freiluftbedingungen ermöglichen allerdings keine intimen Momente mit berührenden zarten Tönen,“ so die Veranstalter. Deshalb werden diese im Winter unter dem Motto „Jazzfest 40 – intim“ einen geschützten Rahmen bekommen.   Begleitet werden die insgesamt 40 Livekonzerte zum 40. Jubiläum von On- und Offline-Aktionen, die von Spotify-Playlists bis hin zu Fotoausstellungen im öffentlichen Raum reichen. Weitere Infos immer unter www.bayernjazz.de

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Jazz in der HörBar

Aus der HörBar der nmz: Tobias Meinhart / Trio Elf / Heisig-Klare

Jazz in der HörBar der nmz: Die ganze Platte durchziehe „ein Impuls des druckvoll Lässigen, Einnehmenden“, meint Martin Hufner in der Besprechung von Tobias Meinharts „The Painter“. Es laufe alles „ab in und auf einer staunenmachenden Elastizität der Rhythmusgruppe.“ Juan Martin Koch sagt zur neuen Platte von Trio Elf „Fram“: „Und noch immer zündet die Kombination aus Eisenhauers aberwitzigem Snareteppich-Knüpfen und Langs die Jazzharmonik konsequent vermeidender Motiv- und Melodiefantasie.“ Das Duo Heisig und Klare, hört Martin Hufner angeblich einen „kritischen Kampf im Obertongewölle des Saxophons“ und Bluesmechanik in Expression umschlagen. Na dann! Tobias Meinhart: The Painter (2021) Tobias Meinhart: The Painter (2021) Trio ELF: Fram (2021) Trio ELF: Fram (2021) Heisig / Klare (2020) Heisig / Klare (2020)      

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Herrliches, Kurioses und satte Boni: Legendäre Alben auf Vinyl bei „Groove Replica“

Im Februar machte eine für Vinyl-Fans beunruhigende Meldung die Runde: Ein Feuer hatte die Fabrik der Firma Apollo/Transco in Kalifornien zerstört, eine von zwei Produktionsstätten weltweit, welche die so genannten Lacquers, die für die Herstellung von LPs notwendigen Master-Folien produzieren. Die Auswirkungen dieses Vorfalls sind noch nicht abzusehen, doch ein Blick auf die Rückseite der ersten Scheiben dieser neuen Vinyl-Wiederveröffentlichungsserie namens „Groove Replica“ (Vertrieb: in-akustik) zeigt, dass sie davon nicht betroffen war: Sie sind mittels „Direct Metal Mastering“ hergestellt, jenes alternativen Verfahrens, das Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt wurde. Zum moderaten Preis von etwa 17 Euro bekommt man eine sauber gepresste 180g-Vinylplatte  unsterblicher Klassiker der Jazz- und R&B-Diskothek mit den originalen Liner Notes, dazu eine CD in Klappkartonhülle, die neben den LP-Titeln weiteres Material, zum Teil ganze Zusatzalben enthält. Beachtlich! Zur Musik selbst muss nichts mehr gesagt werden, hier nur ein paar Anmerkungen zum Bonusmaterial und, wo nötig, zur Klangqualität: Miles Davis: Kind of Blue (Groove Replica 77012) Beginnen wir mit dem aufnahmetechnischen Kuriosum der Serie, wobei ein wenig auszuholen ist. Wie erst 1992 bemerkt wurde, lief die Masterbandmaschine am 2. März 1959, …

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Helmut Nieberle
Helmut Nieberle. Foto: Juan Martin Koch

Der übers Griffbrett tanzt – zum Tod Helmut Nieberles

Das kann einem als jungem Jazz-Novizen schon mal passieren: Da lauscht man einer Swing-Combo und ordnet das aberwitzige Speed-Solo jenem Instrumentalisten zu, der mit vollem Körpereinsatz in die Saiten greift. Erst später wird einem klar, dass es sich hierbei um den Rhythmus-Gitarristen handelt… Der Solist ist jener, der da ganz ruhig und mit leicht verschmitztem Blick über sein Griffbrett tanzt: Helmut Nieberle. Anfang der 1980er Jahre muss das gewesen sein. Die Combo war die „Rabo Swing Maschin“ Richard Wiedamanns, der den 1956 in Kaufbeuren geborenen Gitarristen als Lehrer an die Regensburger Sing- und Musikschule geholt hatte – allerdings erst, nachdem er sich in einer Session von seinem Spiel hatte überzeugen lassen. Durch Nieberles Geschick und seine Begeisterungsfähigkeit als Lehrer entwickelte sich die Stadt nach und nach zu einer Hochburg der Jazzgitarre, erst Recht, als sich ihm mit Hans „Yankee“ Meier und Helmut Kagerer weitere Saitenvirtuosen beigesellten. Mit Kagerer bildete Nieberle dann auch eine legendäre Duopartnerschaft, die 1991 mit dem Kultur-Förderpreis des Freistaates Bayern und 2007 mit dem Archtop Germany Award gewürdigt wurde. Der neugierige Traditionalist Entscheidend für Nieberles musikalische Berufung wurde nach autodidaktischer Beschäftigung mit …

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Miles Davis. (c) Piece of Magic Entertainment

Im Dickicht des Materials: Zum Filmstart von „Miles Davis – Birth of the Cool“

Mit Vorschusslorbeeren aus den USA überhäuft, kommt die Miles-Davis-Doku „Birth of the Cool“ Anfang Januar auch in die deutschen Kinos. Leider hat es Regisseur Stanley Nelson in Sachen Materialfülle und Promidichte etwas zu gut gemeint. Nach einer Viertelstunde raucht einem schon der Kopf. Man hält den freundlicherweise zur Verfügung gestellten Stream an und zählt in seinen Notizen nach: 16 Zeitzeugen sind in diesen 15 Minuten zu Wort gekommen (darunter Weggefährt*innen wie Jimmy Heath, Jimmy Cobb, Wayne Shorter und Juliette Gréco) und mit gemischten Gefühlen rechnet man hoch, wie viele es wohl am Ende der knapp zwei Stunden sein werden… Um es vorwegzunehmen: Es sind knapp 45 „talking heads“, die ihre mehr oder weniger gehaltvollen Erinnerungen und Kommentare in die Kamera sprechen, und diese Zerstückelung führt leider dazu, dass zu keinem Zeitpunkt so etwas wie ein Erzählfluss, geschweige denn ein dem Gegenstand angemessener musikalischer Rhythmus entstehen kann. Einer der ersten Interviewpartner ist Quincy Troupe, der Co-Autor von Miles’ Autobiografie. Die von Carl Lumbly mit rauchig-sonorer Stimme eingesprochenen Ausschnitte daraus geben dem Film zumindest eine persönliche Note. Miles Davis’ Kunst der Pause, des Aussparens, des Weglassens, seine …

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