Absturzgefahr für den Jazz im Radio. Foto: Hufner
Absturz now. Foto: Hufner

Das Ende einer föderalen Radiokultur ist so gut wie beschlossen

Während man sich angeblich diskussionsbereit zeigt wenn es um die Zukunft des Radios geht – so sucht ARD-Vorsitzender Kai Gniffke aktuell auch das Gespräch mit Teilen der Jazzszene – werden  längst schon die Fakten geschaffen mit denen man als ARD in die Radio-Zukunft gehen möchte. Da wird der Hinweis des SWR-Intendanten, er suche ein Informationsgespräch mit der Jazzszene plötzlich voller Sinn. Man wird wohl schlicht und einfach „etwas“ mitteilen was beschlossene Sache ist. So wie eine Rückruf bei einem Schadensfall in Sachen verdorbene Mandeln eines Discounters. Geheuchelt wirkt dieses Einbindenwollen immer mehr. Am Ende kann man dann sagen, man habe auch andere Stimmen gehört. Mehr muss man nicht tun.

In einer Pressemitteilung der Intendanten zur ARD-Reform heißt es jetzt lapidar:

„Ziel der ARD-Reform ist mehr Wirtschaftlichkeit durch noch mehr Kooperation und Arbeitsteilung. In den Hörfunkwellen, die vor allem klassische Musik senden, geschieht das ebenfalls in den Abendsendungen zwischen 20 und 24 Uhr. Ab dem zweiten Quartal 2024 wird es einen wöchentlichen gemeinsamen Opernabend geben, drei Monate später zusätzlich zwei gemeinsame Konzertabende. Daneben wird es enge Kooperationen zwischen den Kulturwellen an zwei weiteren Abenden geben.“

Also ab dem dritten Quartal sind fünf von sieben Abenden in gleicher Sendungsgestaltung oder enger Kooperation. Zwei bleiben für regional eigene Gestaltung. Das Datum ist gut gewählt und kein Zufall, denn das dritte Quartal war schon in den letzten Jahren immer durch das sogenannte ARD-Festspielprogramm für alle Sender ein- bzw. ausgedünnt. Im Jazz hatte das den Vorteil, dass Sender, die in dieser Hinsicht eher schwach aufgestellt waren, wenigstens etwas Substanz geboten bekamen (MDR, Radio Bremen, rbb und Saarländischer Rundfunk). Für die restlichen, teilweise hochaktiven Redaktionen dürfte es nun eng werden. Als Fehler könnte sich insbesondere erweisen, dass der Jazz im NDR, der von NDR-Info zu NDR-Kultur wechselte, besser auf NDR-Blue geschubst worden wäre. Wobei: Die Info-Wellen sollen ja zuvörderst in den Gleichklang gebracht werden.

Im Pop-Bereich ein ähnliches Bild:

„Mehr Zusammenarbeit soll es auch bei den Pop-Wellen geben. Die Intendantinnen und Intendanten haben vereinbart, dass SWR3 in Baden-Baden von Montag bis Freitag eine gemeinsame Abendstrecke von 21 bis 24 Uhr produziert. Sechs Pop-Wellen der ARD haben bereits angekündigt, dieses Abendprogramm zu übernehmen.“

Erschreckend, dass gleich sechs Popwellen ihr Ableben angekündigt haben, auch wenn nur zwischen 21 und 24 Uhr. Pop ist offenbar ohnehin so konform. Am meisten ließe sich sparen, wenn man einfach vermelden würde, wo man sonst im privaten Senderbereich oder bei autonomen freien lokalen Radios gute Musik präsentiert bekommt. Das wäre ehrlich und hilfreich.

 

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4 Kommentare

  1. Um mich unabhängig von dem ganzen Radiounsinn und der nervenden „Sportkultur“ zu machen, höre ich inzwischen eigenes Programm mit hochwertigen (bezahlten) Streamingangeboten.
    Dass dieregelmäßigen Jazzsendung Dienstag und Donnerstag im Deutschlandfunk um 21:00 verschwinden glaube ich nicht? Passt ja außerdem in das 5 zu 2 Schema?

  2. Ich frage mich, inwieweit diese Gleichschaltung – ahem, dieser Gleichklang rechtlich zu vertreten ist. Die Gründerväter der BRD haben ja bewusst auf eine dezentralistische Struktur gesetzt, um Machtmonopole zu erschweren. Wenn das alles nichts mehr wiegt, könnte man die Länderregierungen aufheben und wesentlich mehr Geld sparen… dräut hier letztlich nicht ein Staatsfunk, vor dem man sich fürchten muss?

  3. „Staatsfunk“ entsteht dabei aus meiner Sicht nicht – zumindest so lange nicht, bis diejenigen, die die ARD heute „Staatsfunk“ nennen, die Macht in diesem Land ergriffen haben. Dann werden sie die ARD schleifen und Staatsfunk in ihrem Sinne installieren. Auch das ist ein Grund, entschieden gegen Rechtsextremismus und Diktaturbestrebungen einzutreten.

    Was aber entsteht: ein noch weiter von kultureller Vielfalt befreiter Kulturfunk. Die Zusammenschaltung / Gleichschaltung der Abendprogramme wird aller Voraussicht nach weiteren heute noch bestehenden wertvollen Sendungen die Sendeplätze wegnehmen. Da alles, was Geld kostet (was also eigentlich den Rundfunkbeitrag rechtfertigt) am liebsten sofort eingestellt bzw. mindestens in die unendlichen Weiten des Internets abgeschoben werden soll (Hörspiele dann z.B. bitte per App auf dem Schmierfohn hören), ist nicht zu erwarten, dass man die heute schon auf manchen Kulturwellen vorhandenen Wiederholungen und „Spätmusikdudelschleifen“ opfert und stattdessen die wertvollen Sendungen erhält und ihnen ein größeres Sendegebiet beschert.

    Zur inhaltlichen Ausdünnung passt ja auch das Schleifen der Kulturbauten, die man für die Produktion hochwertiger Inhalte benötigt(e). Siehe z.B. https://www.brstudiobau-retten.de/ . Dazu: ‚“Als Brücke zwischen den Menschen und Völkern“, so beschrieb der damalige Intendant Christian Wallenreiter bei der Einweihung am 19. September 1963 den Spirit des neuen Studiobaus.‘ Passt doch wunderbar – diese Brücke soll nun auf Beschluss gesamtgesellschaftlich beitragsfinanzierter öffentlich-rechtlicher Manager abgerissen werden. Der „Zeitgeist“ hat sich halt weiter entwickelt – Humanismus ist nicht mehr so das Thema. Nichtmal im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

    Bei den Popwellen ist sowieso alles egal: ob der inhalts- und intelligenzbefreite Superhitmix („Grunzversorgung“) nun mehrmals oder nur ein mal produziert wird, ist egal. Da wurde bereits in den vergangenen ca. 25 Jahren Stück für Stück alles entfernt, was öffentlich-rechtlichen Wert hatte. Das Elend, das heute als ARD-Popwellen verzweifelt versucht, den regionalen Privatfunk zu kopieren, braucht nun wirklich kein Mitgefühl. Es bräuchte viel eher einen radikalen Schlußstrich und einen Neubeginn mit öffentlich-rechtlicher Qualität.

    Insgesamt macht sich da ARD mit diesen Maßnahmen nur noch unbedeutender, als sie sich bereits gemacht hat. Wer nur Dudel hören will, wird öffentlich-rechtlichen Rundfunk nie wertschätzen. Wer wertvollen Inhalt hören will, kann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch immer weniger wertschätzen. Wer soll ihn dann überhaupt noch wertschätzen und ihm bei dem, was gesellschaftlich dämmert, beistehen?

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