Endlich wieder: Jazz im Goethe-Museum Düsseldorf

Von Dietrich Schlegel. Die Konzertreihe „Jazz im Goethe-Museum Düsseldorf“ war seit Jahren zu einer festen Größe des Kultur- und Musiklebens der NRW-Landeshauptstadt geworden. Den Aufsehen erregenden und umjubelten Auftakt gab es am 8. Mai 2014 mit dem Trio des Pianisten Omer Klein. Es folgten in jährlich zwei oder drei Konzerten solch namhafte Pianisten wie Shai Maestro, Martin Tingvall, Tord Gustavsen, Gwilym Simcock, Iiro Rantala – in Solo-, Duo- oder Trio-Auftritten. Vor der durch Corona erzwungenen Pause hatte Yaron Herman im September 2019 ein letztes Konzert gegeben.

Mutiger Schritt

Der schrecklichen, der Jazz-losen Zeit wurde jetzt von den Museumsleuten mutig ein Ende bereitet, mit einem Doppelkonzert an zwei aufeinanderfolgenden Abenden, unter strikter Einhaltung der 2G-Regeln und mit vorschriftsmäßiger Sitzordnung. So konnte mit etwa sechzig Besuchern wenigstens ein Drittel der sonstigen Anzahl in den Genuss eines fulminanten Auftritts des finnischen Pianisten Iiro Rantala kommen.

Erleichtert und voller Vorfreude hatte der Direktor des Museums, Prof. Dr. Christof Wingertszahn, ein erwartungsvoll gestimmtes Publikum in dem von erlesenem Porzellan umsäumten Spiegelsaal des schmucken Barockschlosses Jägerhof, dem Sitz der weltweit umfangreichsten privaten Goethe-Sammlung (der Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung), begrüßt und das Wort sogleich weitergegeben an die Initiatorin und künstlerische Leiterin der Jazzkonzertreihe: Dr. Barbara Steingießer, Kuratorin des Goethe-Museums und Kultur- und Jazzjournalistin.

Musik ohne Genregrenzen

Bei einem Gartenfest zum 270. Geburtstag Goethes am 28. August 2019, so die Goethe- und Jazz-Expertin in ihrer Begrüßung, sei die Idee geboren worden, den durch Konzerte 2017 und 2018 beim Düsseldorfer Publikum bestens eingeführten Iiro Rantala für gleich zwei Auftritte zu gewinnen, den einen mit klassischem Repertoire, den zweiten mit Jazz. Rantala gilt nicht nur als einer der derzeit besten Jazzpianisten. Er brilliert auch als Interpret klassischer Klavierliteratur. Ihm ist wichtig zu zeigen, dass es in der Musik keine Grenzen zwischen den Genres geben sollte, dass keine Musikgattung wichtiger, anspruchsvoller oder höher zu bewerten sei als eine andere.

Corona bedingt sollte es aber zwei Jahre dauern, bis jetzt endlich das ehrgeizige Projekt verwirklicht werden konnte. Am klassischen Abend trat Rantala mit dem Galatea Quartett aus Zürich auf, einem mehrfach ausgezeichneten jungen Streichquartett (Yuka Tsuboi und Sarah Kilchenmann, Violinen, Hugo Bollschweiler, Viola, Julien Kilchenmann, Cello), das schon mehrfach „als Begleitband“ des Pianisten aufgetreten war. Entsprechend homogen und fugenlos musizierten die Fünf miteinander. Die Streicher begleiteten den Pianisten über weite Strecken in einem satten und kompakten, oft rasend schnellen, synchronen Zuspiel. Selten ragte eines der Instrumente heraus, ausgenommen in einigen pianolosen, eigen komponierten konzertanten Tangos.

Mozart und Rantala

Glanzstück des ersten Abends waren der zweite und der dritte Satz von Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 C- Dur. Imponierend wie das Streichquartett den Orchesterpart sublimierte und Rantala werkgetreu interpretierte, bis auf die Kadenz, die er auf seine Art kraftvoll und eher weniger mozarteisch improvisierte, aber dennoch oder gerade deswegen mitreißend. Auch am zweiten Abend, dem Solo-Recital, unternahm Rantala mit dem zweiten Satz aus Mozarts Klaviersonate Nr. 12 in F-Dur einen Ausflug in die Klassik, makellos und voller Hochachtung vor dieser ewig gültigen Musik, die er in seiner ansonsten sehr spaßigen Moderation lapidar, aber sichtlich ergriffen als „It’s magic“ beschrieb.

Rantalas Spielweise als Jazzpianist ist geprägt von Kraft und Temperament, ein Ausbund an Vitalität, einem Vulkan gleich, der glühende Lava über seine Zuhörer ergießt, ihnen jedoch zwischendurch auch Zeit zum Genießen von Klängen Schumannscher Zartheit und Innigkeit gönnt. Diese Gegensätzlichkeit fand zum Beispiel programmatischen Ausdruck in der abrupten Folge seiner Kompositionen „October“ und „November“ aus seinem „finnish calendar“ (2019 bei ACT): Während, so umschreibt er es in der Moderation und im Booklet, die Finnen im Oktober Energie ansammeln, um den Winter zu überleben, verbringen sie den November in dauernder Dunkelheit, die manche in Depressionen versinken lässt, während andere in ihr Schönheit und Einsamkeit finden – so auch Rantala, der mit verspielter Selbstironie den November zu seinem Lieblingsmonat erklärt.

Reizvolle Gegensätzlichkeiten

In derart reizvoller Gegensätzlichkeit bewegten sich auch seine während Corona entstandenen Kompositionen „2021“, „Another Ragtime“, „A new kind of Bebop“. Auch in John Lennons „Woman“-Liebeserklärung an Yoko Ono unterbrach Rantala die lyrischen Parts mit einem improvisierten, extrem groovenden Mittelteil. Ausschließlich klanglicher Sinnlichkeit hingegeben dagegen „Peace“ – „a very sad composition from last March, when every thing was very sad, no concerts, no responding audience, no nothing…“ Ähnlich verhalten gestimmt als Zugabe „Tears for Esbjörn“, Rantalas bewegende Hommage an seinen allzu früh verstorbenen Freund Esbjörn Svensson.

Es bleibt zu hoffen, dass die beiden Rantala-Konzerte nur einen ersten Höhepunkt der wieder aufgenommenen Konzertreihe „Jazz im Goethe-Museum Düsseldorf“ darstellte, so dass Barbara Steingießer noch oft „liebe Goethe-Freunde, liebe Jazzfans“ begrüßen kann, in diesem – so Gwilym Simcock – „amazing ambiance“, von Iiro Rantala zum Abschied gepriesen als „my home in Düsseldorf“.

Beitragsfoto: Laura Ebert

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