Welten kollidieren: Das Kollektiv Soniq mit Stefan Bauer und Rhani Krija in der Essener Zeche Carl

Lehrreiche Einflüsse

Soniq ist mehr als eine Band. Seit mittlerweile vier Jahren geht es Christina Fuchs (Saxofon), Jarry Singla (Piano) und dem indischen Perkussionistin Ramesh Shotam um das integrative Potenzial im Jazz. Aktuell nahmen die drei den gefragten marokkanischen Perkussionisten Rhani Krija und den Vibrafonisten Stefan Bauer in ihre Mitte. Das ist nicht nur für das Publikum aufregend, sondern auch für dieses Trio immer aufs neue lehrreich. Ein spontanes Fazit von Christina Fuchs: „Indische Rhythmik ist mir durch die Zusammenarbeit mit Jarry Singla und Ramesh Shotam wohlvertraut. Die Strukturen aus dem Maghreb sind für mich aber eine ganz neue Erfahrung. Viele Metren und Zählzeiten verhalten sich hier fast gegenteilig.“ Das war in der Zeche Carl und zwei Tage später im Kölner Stadtgarten nur Ansporn, sich mit grenzenloser Neugier aufeinander einzulassen. Wenige Tage Proben, zuvor ein paar skizzenhaft per E-Mail ausgetauschte Ideen mussten reichen. Den Rest besorgte die entfesselte Spiellust auf der Bühne. Es bedurfte gar keiner einleitenden Worte zu Beginn des Sets.

Abenteuerlustiges Miteinander

Trommeln sind ja ursprünglich auch ein Kommunikationsmedium ohne Worte gewesen. Alle zusammen klatschen einen Rhythmus, in dem vermutlich eine sehr hohe, extrem ungerade Zahl das Metrum vorgeben würde. Aus rhythmischen Patterns werden melodische Texturen und spannende harmonische Zusammenklänge. Dafür ist das Marimbafon des normalerweise in Brooklyn lebenden, aber aus dem Ruhrgebiet stammenden Stefan Bauer prädestiniert – so dass es manchmal fast an die Minimal Music eines Steve Reich erinnert. Aber statt akademischer Strenge lebt auf der Bühne viel Abenteuerlust auf Augenhöhe. Alle fünf haben eigene Stücke mitgebracht, die aber im Kontext dieses aktuellen Miteinanders ganz neu funktionieren. Ein Stück von Jarry Singla, das auf einer Rumba aufbaut, die zu Anfang nur per Woodblock geschlagen wird, ist eine ebensolche Quelle für den fantasiegesättigten percussionlastigen Bandsound. „Worlds Collide“ ist eine erregte Nummer, welche Stefan Bauer zu Beginn des Balkan-Kriegs, als er sich selbst im damaligen Jugoslawien aufhielt, komponierte. Was für ein Glück, dass an diesem Abend in der Zeche Carl verschiedene Musikkulturen auf ganz andere, friedliche Weise „kollidieren“!

Marokkanische Klänge

Eine Art Komplementär zu Stefan Bauer ist Jarry Singla mit seiner faszinierend intuitiven Tastenkunst, in der Jazzidiome, asiatische Färbungen und auch subtile neutönerische Einflüsse zusammen kommen. Christina Fuchs spielt sich derweil auf ihren Hörnern in den Himmel hinein. Vor allem die Themen von Stefan Bauers Stücken geben ihrer Spiellust Nahrung. Die beiden Schlagwerker aus Indien und Marokko vereinen sich in 1001 Varianten zur brodelnden, präzisen Mechanik – manchmal in vollem Tutti, dann wieder reduziert auf eine einzige Handtrommel und Djembe und gerne in extrovertierten Duellen. Rhani Krija, der zur echten Prominenz gehört und auch schon in der Band von Sting für den richtigen Beat sorgte, bringt viel aus seiner marokkanischen Heimatstadt Essaouria mit, als da wären die repetitiven Trance-Texturen der Gnawa-Musik. Folgerichtig greift er zur Gimbri, einer dreiseitigen Basslaute, dessen voluminöser Sound in der Zeche Carl eine Wonne für sich ist. Man fühlte sich auf Anhieb ins Gassengewirr der Medina dieser stimmungsvollen Stadt an der Atlantikküste versetzt…

Indische Insider

Indien ist ein großes musikalisches Thema an diesem Abend – kein Wunder bei so vielen auf der Bühne versammelten „Insidern“. Ramesh Shotam vokalisiert die Rhythmen mit der Stimme, eben so, wie es jeder klassische Trommler in Indien als Grundlage lernt. Dazu spielt Jarry Singla das indische Harmonium, was immer irgendwie rituell klingt. Vokale Formen weiten sich zu hypnotischen Unisono-Linien, bringen diese „Welt-Musiker“ von echter Weltklasse erneut in Fahrt….

Das Titelbild zeigt Rhani Krija. Foto: Stefan Pieper

Autor: Stefan Pieper

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