Musikalischer Trip von Texas bis Brasilien

Eine junge multikulturelle Jazzszene in Londons Südosten zählt seit einiger Zeit zu den angesagtesten der Welt. Promotet von bestens vernetzten DJs und Labelbetreibern haben es weniger hippe und weniger wild antanzende Bands  aus anderen Weltregionen deutlich schwerer sich gegen den Trend zum „Umsturz auf dem Dancefloor“ durchzusetzen. Emiliano Sampaios „Meretrio“ aus dem urbanen Moloch Sao Paulo, der größten Stadt Brasiliens, gehört einer solchen Szene an.

Obwohl das exzellente Trio seit 15 Jahren existiert und mittlerweile acht Alben auf dem Markt hat, wie Sampaio mit professioneller Genugtuung beim Auftritt des Trios im Degginger erzählte, zählt es hierzulande noch zu den Insidern. Anders in Österreich, wo der kreative Kopf des Trios und Schlagzeuger Luis André nach einem Kompositionsstudium seit einigen Jahren lebt. Im Nachbarland gehören die Brasilianer längst fest zur quirligen und vielfältigen Grazer Szene, von wo aus sie ihre Eroberungstouren durch die Clubs von Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder starten.

Ursprünglich ins Leben gerufen, um die ganze Breite der brasilianischen Popular-Musik zu erforschen und neu zu definieren, hat sich das stilistische und musikalische Spektrum der drei Musiker stetig erweitert. Deshalb reagierten nach der Pause im Degginger nur wenige der bunt gemischten Zuhörerschaft erstaunt, als sie mit einer waschechten Countrynummer loslegten. Nach einer weiteren, wunderbar bluesigen Ballade lieferte Sampaio auch gleich die Erklärung. Als Jugendlicher habe er Gitarre in Metalbands aller Schattierungen, später Rock, Country und Blues gespielt. Davon sei eine Vorliebe für Country geblieben.

Dass dieser dennoch frisch und kein bisschen mainstream-verpopt klingt, liegt an den ironisch gewitzten und federleichten Arrangements, die nahezu jeden Song zu einem musikalischen Genuss machen. Zudem setzen alle drei – Sampaio gleichermaßen form- und ausdrucksstark auf der Gitarre und Posaune – knackig komprimierte, erfrischend gehaltvolle Soli. Dabei zeigen sich die drei, die intuitiv wie eine Einheit aufeinander reagieren, so vielfältig und abwechslungsreich, wie kaum eine andere moderne Jazzband. Leichtfüßig und vergnügt swingend im einen, mit der beherzten Leidenschaft der brasilianischen Samba-Tradition im nächsten Moment. Songs mit dauernd wechselnden Rhythmen und Stimmungen gingen in sanfte Balladen über, die an Bill Frisell erinnerten. Rasend flott der Schlusspunkt mit einer kopfverdrehten Interpretation des Chorosongs „Tico-Tico No Fuba“ von Zequinha de Abreu. Sein nächstes Album widmet das Trio ausschließlich Kompositionen aus dieser Zeit, den 20er- bis 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts, die in Europa nahezu unbekannt sind.  Im Juli gastiert Sampaio erneut mit einem großen Ensemble beim 38. Jazzweekend in Regensburg.

Emiliano Sampaio (guitar)
Gustavo Boni (bass)
Luis André (drums)

 

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