Leben in Berlin. Foto: Hufner

Der Jazz-Präsident und die Jazzgeschichte

Anlässlich des diesjährigen Jazzfests Berlin hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Pforten seiner Berliner Residenz für ein Wandelkonzert geöffnet. Mit von der Partie: „Julia Hülsmann, Lucia Cadotsch, Lucy Railton, und Kit Downes sowie die Band Empirical mit Nathaniel Facey, Lewis Wright, Andreas Lang und Shaney Forbes.“

Während seiner Ansprache outete sich der Bundespräsident als „Jazz-Fan“. Schon zum zweiten Mal während seiner Amtszeit habe jetzt Jazz in Schloß Bellevue stattgefunden.

„Das Jazzfest Berlin gehört zu den ganz großen internationalen Festivals, es ist eines der ältesten und angesehensten in Europa. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es nun mit einem Konzert zum allerersten Mal auch am Sitz des Staatsoberhauptes gastiert.“ Aber eben doch nicht öffentlich. Das weckt in einem schon ein bisschen das Gefühl, alte Privilegien werden neu konstruiert. Wir waren jedenfalls nicht dabei und können auch nicht über die Veranstaltung berichten. Das werden wir aber von Donnerstag bis Sonntag, sofern die Gesundheit mitspielt. Wie schon seit einigen Jahren „bloggen“ und fotografieren wir zeitnah zu den Veranstaltungen im Haus der Berliner Festspiele.

Doch zurück zum Jazz-Präsidenten: Am 17. Juli hat der Bundespräsident bereits das erste Mal Jazz in seinem Garten platziert. In seiner Ansprache damals zog er eine Jazzgeschichte in Kurzform auf. Unter anderem sagte er auch:

„Jazz war nach dem Krieg für die Deutschen so etwas wie der Soundtrack zum neuen Leben, die Melodie der Befreiung und der Freiheit.“

Damit hatte er gar nicht so sehr Unrecht. Zumindest zog das Jazzidiom komplett in den Marketingmarkt und die Unterhaltungsindustrie ein. Aber ob es wohl richtig ist, den Soundtrack zum (neuen) Leben als „Melodie der Befreiung und der Freiheit“ zu bezeichnen. Das dürften nicht alle so gesehen haben. Unter den Changes muffte es schnell.

Free ./. Frei

2002 hat die Sendung ++ contrapunkt ++ das Thema im deutsch-deutschen Kontext angesprochen. Free ./. Frei nannte man das damals. In der Sendung zu Gast die Jazzjournalisten Bert Noglik und Gudrun Endress und die Musiker Joachim Kühn und Ernst-Ludwig Petrowsky. Die Passagen zum Jazz der 50er Jahre in Deutschland kann man sich hier explizit nachhören (die ganze Sendung gibt es auf der alten Website von ++contrapunkt ++).

Man kommt um das Miesepetern ja nicht herum. Neben gefälschten News sind etwas zu glorifizierende Einengungen zum Beispiel musikalischer Weltgeschichten ebenso „falsch“. Die Freude über politische oder mediale Anerkennung ist schnell leicht giftig und auch ranzig. Der rosarote Sonnenuntergang in Schloß Bellevue wird flott zum lauwarmen Lüftchen.

Jazz-Monopolton

Die Nähe des Jazz zur hohen Politik ist nicht ungefährlich, jedenfalls in künstlerischer Hinsicht. Da ist es kein weiter Weg zum verdienten Künstler des Staates auf der einen Seite und zum Happy Sound einer Wirtschaftswundermusik. Heute ist eben Till überall dabei. Mittlerweile auch Fotograf und Laudator, Kulturmanager und Professor. Aber er hat langsam ein bisschen dicht am Gonzo gebaut. Das geht alles auf Jazz-Monopolton hin. Gut ist das nicht, aber eigentlich interessiert das die Szene auch herzlich wenig.

Die vier Feinde des Jazz

Mit einem scheint aber Frank-Walter Steinmeier sehr recht gehabt zu haben, auch wenn es nicht stimmt. „Jetzt müssen wir anfangen! Sie kennen sie alle, die vier Feinde des Jazz: Tageslicht, frische Luft, Mineralwasser und das unerträgliche Gebrüll der Vögel am Morgen!“

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