Die Ruhe, die Tiefe und das Möwengeschrei: das „Ystad Sweden Jazz Festival“

Traumwetter und funkelnde Töne an vier Tagen: Im südschwedischen Ystad, der Heimat des Roman- und Film-Ermittlers Kurt Wallander, herrschte jetzt bei der 16. Ausgabe des hervorragenden dortigen Jazzfestivals idyllische Stimmung. Und es gab mitreißende Konzerte von Musiker:innen wie Catherine Russell, Dave Holland und Mike Stern. Strahlend blauer, wolkenloser Himmel, in einem Garten spielt ein Trio auf einer Terrasse unter einem Birnbaum mit üppigen, noch grünen Früchten. Auf einer Wiese davor, neben weit geöffneten Rosenblüten ein schwelgendes Publikum, das einen besonders entspannten Nachmittag genießt. Bassist Hans Backenroth, Trompeter Thomas Fryland und Gitarrist Jacob Fischer spielen mit swingender Gelassenheit und entspannt-beiläufiger Virtuosität Standards wie „My melancholy Baby“ und „Bluesette“, lassen ungemein klare Trompetentöne in die Höhe schweben und fangen sie mit den beseelt-bewegten Klängen des Kontrabasses und der Gitarre wieder auf. Ab und zu fliegt eine Möwe über den Garten und mischt sich mit offenbar animiertem Kreischen ins musikalische Geschehen ein. Solche Momente kann man in Ystad erleben, jener Stadt, in der Henning Mankells Roman- und Film-Ermittler Kurt Wallander so manchen düsteren Fall löste. Seit 2010 gibt es dort das „Ystad Sweden Jazz Festival“. Und jedes Jahr …

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Ein letztes kleines Jazz-Woodstock? Betrachtungen vom Inntöne-Festival 2025

Wie langweilig, einen Festivalbericht mit dem Wetter zu beginnen. Aber seit Paul Zauners Inntöne-Festival, der „Jazz auf dem Bauernhof“ in Diersbach bei Schärding, während und wegen der Corona-Zeit von Pfingsten auf Juli und von der Scheune aufs freie Feld wanderte, ist das Wetter natürlich ein wichtiges Thema. Wie bei allen Open Airs braucht man Glück, und das hatten die Inntöne bisher stets, von minimalen Gewitter-Unterbrechungen abgesehen. Auch heuer blieb es die gesamten drei Tage trocken, schön und warm. Alles war also wieder angerichtet für das kleine Jazz-Woodstock: Dieses fröhlich-freundliche Kampieren, Flanieren und sich Delektieren rund um die Musik. Anders als vor 55 Jahren in Bethel ohne Regenschlacht und Verkehrs-Chaos, dafür mit allen nötigen Facilities und kulinarischer Rundum-Versorgung. Das ebenfalls fast immer glückliche Händchen von Paul Zauner beim Festival-Line-Up setzte sich fort. Jeder, selbst ein ausgewiesener Jazz-Experte, konnte hier wieder Entdeckungen machen. Schon am Freitag zum Beispiel die trotz langer Karriere und Kollaborationen mit The Brand New Heavies, Bobby McFerrin oder auch Till Brönner hierzulande weitgehend unbekannte britische Sängerin Heidi Vogel, die zeigte, dass es auch in der wilden Londoner Szene ganz klassischen Jazzgesang rund um …

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Internationales Jazzweekend in Unterföhring 2025

Kaum zu glauben wie schnell die Zeit vergeht. Schon wieder ist ein Jahr vorbei und die Sommer-Jazz Festivalsaison steht in München vor der Tür. Traditionell beginnend mit dem Internationalen Jazz-Weekend im Bürgerhaus Unterföhring. Auch dieses Jahr hat der künstlerische Leiter Harald Scharf wieder ein atemberaubendes Programm auf die Beine gestellt. Die gesamte Organisation des Teams lief im Hintergrund perfekt. Akustisch ist das Bürgerhaus Unterföhring eine ungemein angenehme Spielstätte und mit dem Italiener „Il Diamante“ ist im Haus auch gleich für das leibliche Wohl gesorgt. Explodierender Sound Das Internationale Jazz-Weekend startete mit Sophye Soliveau. Sie ist eine großartige, vielseitige Sängerin, Chorleiterin und Harfenistin mit Wurzeln in Guadeloupe. Gemeinsam mit dem Bassisten Eric Turpaud, Japhet Boristhene am Schlagzeug sowie den VokalistenInnen Rosanne Joseph, Slighty Maitrel und David Tshimanga verzauberte sie das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute mit einem abwechslungsreichen musikalischen Programm, das mit einem Solo-Stück auf ihrer Harfe begann. Danach explodierte der Sound förmlich. Soliveaus Repertoire war unglaublich vielseitig, angefangen von jazzigen Balladen bis hin zu Gospel, R&B und pulsierendem Soul war alles dabei und immer wieder, zum Verschnaufen zwischendurch, Impressionen auf der Harfe …

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Ein Rundgang über das 44. Bayerische Jazzweekend in Regensburg

Rund 90.000 Musikbegeisterte lauschten vom 10. bis 13. Juli 2025 vier Tage lang den vielseitigen Spielarten des Jazz. An 14 Spielorten in Regensburg und weiteren 5 Spielorten in Kallmünz erlebte das tanzfreudige, kritische und begeisterungsfähige Publikum rund 110 unterschiedliche Formationen und deren Konzerte. International gefragte Größen des Jazz trafen beim Jazzweekend auf junge, aufstrebende Talente, experimentelle Töne auf klassische Klänge, außergewöhnliche Stile auf unkonventionelle Zugänge, laute auf leise Töne, Dixieland auf Latin-Jazz und Techno. Für welche Konzerte und Künstler sich der Regensburger Musikkritiker und nmz-Redakteur Juan Martin Koch bei seinem diesjährigen Weekend-Rundgang entschied, zeigt unsere JazzZeitungs-Galerie. Das Bayerische Jazzweekend geht im kommenden Jahr, von 2. bis zum 5. Juli 2026, in seine 45. Ausgabe. Musikerinnen und Musiker können sich ab dem 1. August 2025 über ein Online-Formular unter folgenden Link für einen Auftritt bewerben. Die Bewerbungsphase läuft bis zum 15. Oktober 2025. jazzwe.de

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Andreas Schaerer: Anthem For No Man’s Land

(Text und Fotos: Robert Fischer) „Was singt der da?“, dürften sich wohl die meisten fragen, die das neue Album des Schweizer Sängers und Vokalartisten Andreas Schaerer hören. Dafür ins Studio gegangen ist er mit  den bewährten Komplizen Luciano Biondini (Akkordeon), Kalle Kalima (Gitarre) und Lucas Niggli (Schlagzeug). Herausgekommen sind die auch als „A Novel of Anomaly“ firmierenden Vier mit nicht weniger als einem Meisterwerk, das die Beantwortung der eingangs gestellten Frage plötzlich sonnenklar erscheinen lässt. Doch dazu später. Vokalartist und mehr Dass Andreas Schaerer, ich sage das mit größtem Respekt, ein bisschen „dada“ ist – ein Musiker nämlich, der den Esprit, den Humor und die Kunst der Dadaisten zu neuem Leben zu erwecken mag –, das kann man spätestens wissen, seit er mit seiner Band „Hildegard Lernt Fliegen“ die kleinen, großen und größten Bühnen zu erobern begann. Aber was macht ein Sänger, der eine solche Ausnahmeerscheinung ist wie sonst vielleicht nur noch sein Landsmann Christian Zehnder, wenn er nicht zum wiederholten Male auf das reduziert werden möchte, was nur sehr unzureichend als „Vokalartistik“ beschrieben wird und ein unfassbar reiches Maß an Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme meint? …

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Geliebte Vielfalt: Das internationale Festival Sparks & Visions zum dritten Mal im Theater Regensburg

Wenn in Regensburg die Nebel aus der Donau kriechen und man eigentlich seine vier Wände nicht verlassen will, und wenn die internationalen Gäste die winterlich-triste Kulturerbe-Stadt noch meiden, immer dann schlägt die Stunde von Anastasia Wolkenstein: „Sparks & Visions“, Funken und Visionen, hat sie ihr dreitägiges Festival getauft, entwickelt aus der zündenden Idee, internationale Solisten und Improvisatoren ins Rampenlicht des wunderschönen Regensburger Theaters mit seinem klassizistischen Dreirang-Saal zu stellen. Und plötzlich leuchtet Regensburg bereits im Januar. Die Gründerin und Veranstalterin Anastasia Wolkenstein ist hauptberuflich Bookerin und es ist der daraus gewonnenen Erfahrung und ihrem guten Geschmack zuzuschreiben, dass man nun zum dritten Mal seit 2023 an drei Tagen mitten im Januar acht inspirierte, unkonventionelle und exzellent dargebotene Konzerte improvisierter Musik genießen konnte. Mit drei Deutschlandpremieren begann es: Die griechischstämmige Perkussionistin und Vibraphonistin Evi Filippou stellte ihr Projekt „inEvitable“ vor. Die Drums waren mit Andi Haberl und ihr doppelt besetzt und dieser Doppel-Groove wurde durch die Sounds ihrer Bandmitglieder Keisuke Matsuno an der Gitarre und Julius Gawlik an Tenorsaxophon und Klarinette ausgeschmückt. Das Highlight des Jazz-Dramoletts, das Filippou hier inszenierte, waren die Darbietungen der polnischen Sänger-Performerin …

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Hier ist die Musik-Welt noch in Ordnung: Eindrücke vom Internationalen Jazzfestival Münster

Das Internationale Jazzfestival Münster beginnt eigentlich stets mit Neujahrswünschen. Findet es doch alle zwei Jahre (in den gerade gibt es inzwischen die „Short Cuts“ mit nur einem Tag) am ersten Wochenende des Jahres statt, was einen also diesmal gleich am 3. Januar ins Theater der Stadt führte, dieses wundervolle Fünfzigerjahre-Juwel. Ein friedvolleres neues Jahr als das abgelaufene wünschte also Festivalleiter Fritz Schmücker und kam wie vor zwei Jahren angesichts des Zustandes der Welt nicht umhin, darauf hinzuweisen, wie privilegiert man hier sei, bei einer vorbildhaften Zusammenkunft im Geiste des Miteinanders. Tatsächlich kam einem von fern angereisten Betrachter das Festival in vielerlei Hinsicht wie eine Insel der Seligen vor. Doch dazu später mehr. Den Gedanken des Miteinanders wie den Titel „International“ hätte das Auftaktkonzert kaum besser illustrieren können: Im 13-köpfigen Amsterdamer Brainteaser Orchestra des jungen Großensemble-Masterminds Tyn Wybenga saßen einschließlich des Stargastes Theo Ceccaldi Frauen und Männer aus acht Nationen. Und schufen zusammen wie schon beim gefeierten Auftritt in Saalfelden wahrlich grenzenlose Klanglandschaften. A propos Saalfelden: Beide in manchem ähnliche Festivals verlangen dem Besucher einiges ab. In Münster heißt das: Jeweils vier Stunden-Konzerte im großen Haus, …

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Eine positiv kritische Masse: Eindrücke vom Outreach Festival 2024 in Schwaz

Eines der ungewöhnlichsten Jazz-Festivals Europas findet im österreichischen Schwaz statt, 30 Kilometer vor Innsbruck und gerade einmal 118 Autokilometer von München entfernt. Hat doch das „Outreach Festival“ wie kaum ein anderes die Vision, „Musik und alle anderen bildenden und darstellenden Künste zu verwenden, um Grenzen aufzubrechen und Synergien zu schaffen“, wie sein Gründer und Leiter, der Trompeter Franz Hackl sagt. Hackl gründete das Outreach vor über 30 Jahren sozusagen von New York aus, wo er mit seiner amerikanischen Frau Rose seinen Hauptwohnsitz hat. Doch schon über die Trompetenmanufaktur, die er hier mit seinem Vater betreibt, hat er die Verbindung zu seiner Tiroler Heimatstadt immer gehalten, zur 13000 Einwohner zählenden „Silberstadt“, die im 15. Jahrhundert mit über 200000 Bewohnern die zweitgrößte des Habsburgerreichs und neben Augsburg Hauptsitz der Fugger war. Unter diesem Leitgedanken des Verbindenden führt Hackl es – seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner – interdisziplinär, genreübergreifend, ganzheitlich und experimentell. Diese Brückenschläge haben seit der Pandemie beim Festival-Schwerpunkt, den drei Konzertabenden im Silbersaal des „SZentrums“ überm Inn ausgangs der Altstadt noch einmal neue, ganz konkrete Züge angenommen. Die Corona-Ausgabe 2021 konnten Hackl …

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Aufbruch in den Jazz: Eindrücke vom 1. Internationalen Jazz Festival im saudi-arabischen Riad

Der Jazz wird Teil der saudischen Kulturpolitik Im „Alten Europa“, wie es ein gewisser US-Präsident einmal formulierte, tut man sich mit Veränderungen immer schwerer. Wenn hierzulande in einem jahrelangen Prozess das Heizen umgestellt werden soll, gibt es nahezu einen Volksaufstand; der Bau von Flughäfen oder Schnellbahnlinien dauert Jahrzehnte; die Briten traten gar wohl auch deshalb aus der Europäischen Union aus, weil sich zu viele nach dem alten Empire zurücksehnten. Darüber kann man im Mittleren Osten nur lachen. Die Arabischen Emirate, Katar und Bahrain machten mit ihren in kürzester Zeit errichteten Wolkenkratzerstädten vor, wie man Öl- und Gas-Reichtum umwandelt. Der 42-Millionen-Staat Saudi-Arabien unter Mohammed bin Salman aber ist aktuell der neue Taktgeber. Bei uns wird davon bislang vor allem das saudische Engagement im Weltsport bemerkt, weniger die milliardenschwere Offensive auch bei Bildung und Kultur. Ein weiterer kleiner Baustein dabei ist das soeben zu Ende gegangene dreitägige „1. International Jazz Festival Riad“ – in einem Land, in dem bis vor sieben Jahren öffentliche Konzerte noch verboten waren. Als Riadnovize staunt man schon auf der Fahrt ins Mayadeen Theatre, dem Festival-Spielort im nordwestlich gelegenen Stadtteil Diriya, um dessen …

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Den Bass an die Rampe geholt

E-Bassist, Bandleader und Professor Wolfgang Schmid feierte seinen 75. Geburtstag mit Freunden in der Münchener Unterfahrt Michael Stückl, Vorstand des Jazzclub Unterfahrt, hatte sich auf Wunsch des Jubilars eigens in Schale geworfen. Schließlich machte ihn dieser als 15-Jährigen erst zum Jazz-Freund und dann -Veranstalter. Und so begrüßte er Wolfgang Schmid, den Bandleader des Abends und Aufsichtsratmitglied des Förderkreis für Jazz und Malerei e. V. besonders herzlich vor dem Konzert. Schmid gilt als Urgestein am Elektrobass, spielte in der Urbesetzung von Doldingers Passport, war „Bassplayer of the year“ in den USA. Seit über 60 Jahren steht er als Musiker auf der Bühne. Selbstverständlich genau dort feierte er nun auch seinen 75. Geburtstag, mit zahlreichen Freunden, alten und jungen –  im Publikum und auf dem Podium. Natürlich stand ihm Peter Wölpl an der Gitarre zur Seite, musikalischer Weggefährte seit auch schon 40 Jahren. Schlagzeug spielte dessen Duo-Gefährte bei Luminos W Oli Rubow. Die andere Hälfte der Geburtstagsband bestand aus Altsaxophonist Jakob Manz und Pianist Hannes Stollsteimer, also einer Hälfte von The Jakob Manz Project. Dazu kamen noch der Beatboxer und Sänger Luis Baltes und für die letzte …

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