Sanfte melodische Themen von Brahems Oud durchdringen die Philharmonie Thomas J. Krebs

Anouar Brahem live in München – „After the last Sky“

Das Jahr 1990 war ein Wendepunkt in der musikalischen Laufbahn des tunesischen Oud-Meisters Anouar Brahem, ein Glücksfall für die Jazzgemeinde und alle Fans. In diesem Jahr nämlich begegnete er Manfred Eicher vom Münchner Label ECM, der Rest ist Geschichte. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren entstanden zahlreiche Alben u.a. mit Jan Garbarek, John Surman, Palle Danielsson oder Gianluigi Trovesi. Vor mittlerweile acht Jahren erschien sein vielbeachtetes Opus „Blue Maqams“ mit Django Bates, Dave Holland und Jack DeJohnette. Im März diesen Jahres folgte Anouar Brahems Album „ After The Last Sky“ und überraschte mit einer zum Teil vertrauten, gleichzeitig aber auch ungewöhnlichen Besetzung. Mit dabei wieder Django Bates am Piano und der Bassist Dave Holland, sowie Anja Lechner am Cello, die mit ihrer expressiven, lyrischen Klangfarbe Anouar Brahems Œuvre musikalisch auf ein neues Level hebt. Vor kurzem gastierte das Quartett in der Münchner Isarphilharmonie und begeisterte das Publikum vom ersten bis zum letzten Ton. „Wohin sollen wir nach den letzten Grenzen gehen? Wohin sollen die Vögel nach dem letzten Himmel fliegen?“ Diese Verszeilen von Mahmoud Darwisch lieferten den Titel für „After The Last Sky“ und waren gleichzeitig …

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Pfeifen im dunklen Wald – eine subjektive Bilanz der Jazzahead 2025

Gute Miene zum bösen Spiel – so könnte man die Stimmung bei der Jazzahead 2025 in Bremen zusammenfassen. Mit dem Krisenmodus wohl vertraut, lassen die meisten Besucher dieses großen Familientreffens der Jazz-Gemeinde – und der immer noch größten Fachmesse des Genres in Europa – sich von ziemlich sicher kommenden neuen Grausamkeiten erstaunlich wenig beeindrucken. Wer im Jazz zuhause ist und regelmäßig die Jazzahead besucht, der braucht für die 150 Meter vom Messe-Eingang bis in die Halle gerne mal eineinhalb Stunden. Denn man kommt keine zwei Meter weit, ohne wieder jemanden begrüßen zu müssen. Freilich sind es nicht ganz dieselben Player wie in Vor-Corona-Zeiten, als die Messe noch ein ordentliches Stück größer war. Die Booker und Agenten schwirren noch herum, und eher noch mehr Musiker, nicht nur die, die bei einem der 32 Showcases oder den 60 Konzerten der Clubnacht spielen. Dafür gibt es so gut wie keine Stände von Labels mehr, und auch die Veranstalter haben sich eher rar gemacht. Einer der da war, Michael Stückl vom Münchner Jazzclub Unterfahrt, schätzt, dass vom Veranstalter-Verband „European Jazz Network“ nur ungefähr zehn Prozent vertreten waren. Gebuchte Stände …

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Valente-Songs virtuos gepfiffen   

Das Jörg Seidel Trio begeistert mit Gastsängerin und swingendem Tribute-Programm Regensburg – Jazzclub Leerer Beutel. Es war nur eine Frage der Zeit. Nach Marlene Dietrich und Hildegard Knef musste irgendwann auch das Bühnenwunder Caterina Valente neu entdeckt und interpretiert werden. Jörg Seidel, Gitarrist aus Bremerhaven mit Verbindungen in die Oberpfalzmetropole, wartete nicht bis nach dem Tod der Sängerin im vergangenen Herbst, um ihr ein swingendes Programm zu widmen. Der 90. Geburtstag der damals zurückgezogen in der Schweiz lebenden Künstlerin gab den Anstoß für eine unterhaltsame und kenntnisreiche Hommage, mit welcher der bekennende Verehrer Valente seine Referenz erwies. „Eine kurze Europatournee“, weihte Seidel sein Publikum im Leeren Beutel mit einem verschmitzten Lächeln ein, führte ihn nach einem Auftritt in Amberg mit „Viva Valente!“ auch nach Regensburg. Während sonst zweihundert und mehr Besucher zu Konzerten kämen, verwies Seidel auf bisherige Erfahrungen, fand sich in der Welterbestadt eine eher kleine Anhängerschaft ein. Dem Konzert tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil wirkte das Spiel der drei Musiker und von Sängerin Sabine Kühlich mit den aufgeschlossenen Zuhörenden noch einen Tick engagierter und leidenschaftlicher, als man es von ihnen gewohnt ist. …

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Sullivan Fortner – Blues, Jazz und Spielwitz

Zwischen dem Prager Club Jazz Dock und dem Wiener Konzerthaus legte der amerikanische Pianist Sullivan Fortner einen bejubelten Stop beim Jazzclub Regensburg ein. Der 39-jährige New Yorker gilt aktuell als einer der angesagtesten Acts, neben seinem eigenen Trio arbeitet er auch mit den Sängerinnen Cécile McLorin und Samara Joy zusammen. Mit Joy, einer jungen Musikerin aus der Bronx, hat er für das von ihm arrangierte „Twinkle Twinkle Little Me“ heuer einen Grammy für die beste Jazzperformance erhalten. Das Duo hat damit Größen wie Chick Corea und John Scofield ausgestochen. Southern Nights Im bis zu den hinteren Stehreihen bestens gefüllten Leeren Beutel spielte Fortner mit Tyrone Allen am Bass und Schlagzeuger Kayvon Gordon eigene Kompositionen aus dem  wenige Tage zuvor erschienen neuen Album „Southern Nights“ und Songs von John Coltrane bis Thad Jones. Gleich mit der ersten Nummer, einer Komposition des 2013 verstorbenen Pianisten Cedar Walton, setzte er eine markante Duftmarke des breitgefächerten musikalischen Kosmos, in dem er sich wie ein Fisch im Wasser bewegt. Wie der Texaner Walton ist auch Fortner fest in der afroamerikanischen Tradition des Jazz verwurzelt, spielt Blues, Soul und typische New-Orleans-Grooves. …

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Masako Ohta & Matthias Lindermayr mit neuen Duo-Album: Nozomi

(Von Thomas J. Krebs) Am Abend des 13. Februar fand im Münchner Theater Schwere Reiter das Release Konzert des neuen Albums der Pianistin Masako Ohta und dem Trompeter Matthias Lindermayr statt. Ein ganz normaler Tag bis 10.30 Uhr, als sich in München, in mittelbarer Nähe des Theaters, der Anschlag am Stiglmaierplatz ereignete. Alle stehen noch sichtlich unter Schock. Betroffenheit Christiane Böhnke-Geisse, künstlerische Leiterin der Sparte Musik, trat an dem Abend sichtlich betroffen vor das Publikum und bat um eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlags, bevor die Musiker die Bühne betreten. Ein versöhnlicher Trost, das Konzert konnte trotz der tragischen Umstände stattfinden. Nach dem 2022 erschienen Debutalbum MMMMH und unzähligen erfolgreichen Konzerten sind Masako Ohta und Matthias Lindermayr wieder ins Studio gegangen, um beim Münchner Label Squama das Nachfolgealbum Nozomi aufzunehmen. Der Abend begann mit den ersten drei Titeln der neuen Aufnahme „Hatsuhinode“, „Agora“, „Ostinato“, gefolgt von „Shizuku“, „Maya“ und als Abschluss des ersten Sets „Hibari“, einer einfühlsam melancholischen Komposition von Ryūichi Sakamoto. Vertrautes Im zweiten Set hörte das Publikum vertraute Kompositionen wie „Sora“, zwei weitere neue Stücke „Niwa“ und „Tio“, sowie das Bonusstück der …

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Am schönen Strand des Prinzregentheaters: Richard Galliano, Paolo Fresu und Jan Lundgren feiern 20 Jahre „Mare Nostrum“

„Dann verwandle ich mich in einen Klarinettisten“, hat Richard Galliano vor Jahren einmal in einem NMZ-Interview („Dann verwandle ich mich in einen Klarinettisten“: Richard Galliano im Interview | nmz – neue musikzeitung) gesagt, als er die Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit seines Instruments – des Akkordeons – analysierte. Auch beim Jubiläumskonzert im ausverkauften Münchner Prinzregententheater, bei dem der französische Akkordeonist zusammen mit Paolo Fresu aus Sardinien (Flügelhorn/Trompete) und dem schwedischen Pianisten Jan Lundgren 20 Jahre „Mare Nostrum“ – ihr gemeinsames, höchst erfolgreiches und sehr beliebtes Trioprojekt – feiern, geht es immer wieder um Verwandlung. Und um Musik als dem vielleicht flüssigsten, stärksten, unmittelbarsten Medium der Verwandlung und des Erzeugens von Stimmungen und Gefühlen. Für „Belle-Île-en-Mer“ zaubert Richard Galliano, dieser Magier des Akkordeons, aus langen und leisen Tönen  eine zwischen Impressionismus und Lautmalerei wechselnde Stimmung am Meer herbei:  Er lässt sein Instrument im Rhythmus eines freundlichen Meeres atmen, plätschern und schnaufen, gerade so als ob sanfte Wellen an den Bühnenstrand des Prinzregententheaters schlagen würden.  Schließt man die Augen, wähnt man sich auf Gallianos „Belle-Île-en-Mer“. Man imaginiert, man hört eine kleine Insel, wahrscheinlich in Gallianos südfranzösischer Heimat – so …

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Wurzers funkiger Fusion-Pop-Jazz

Der Regensburger Saxofonist Sebastian Wurzer stellt bei Release-Party sein Debütalbum „One Shot“ im Rosenpalais vor. Wüsste man es nicht besser, bei geschlossenen Augen hätte man glauben können den großen Klaus Doldinger vor sich haben. Groß ist Sebastian Wurzer tatsächlich – in seinem vollen, satten Ton auf dem Tenorsaxofon, als auch von Statur. Wenn der gebürtige Weidener ein wenig breitbeinig vor seiner eigenen Silhouette im Rosenpalais steht und sein Horn zum Jubeln bringt, geht einem das Herz auf. Der voluminöse Fusionsound seines Quintetts katapultiert manche Zuhörenden des exklusiven Release-Konzertes zurück in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Tanzbarer Jazzrock gehörte damals ebenso zum Standard von Diskotheken und Clubs, wie sanfter Smooth Jazz a la Sade. Während heute eigens retrogewandte Swingvereine  gegründet werden, um mit Petticoat und Vintagestyle längst vergangenen Ideen nachzuhängen, knüpft Wurzer an Entwicklungen an, die heute noch lebendig sind. Es ist ein knackiger, mit Popelementen und Einflüssen des Neosoul angereichter Fusionsound, der aus dem Stand die Gäste an den Stehtischen im barocken Oktagonraum in Bewegung versetzt. „One Shot“ nennt der Regensburger Saxofonist das Debütalbum seiner Band, die mit Stefan Pfeiffer am sechssaitigen …

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Geliebte Vielfalt: Das internationale Festival Sparks & Visions zum dritten Mal im Theater Regensburg

Wenn in Regensburg die Nebel aus der Donau kriechen und man eigentlich seine vier Wände nicht verlassen will, und wenn die internationalen Gäste die winterlich-triste Kulturerbe-Stadt noch meiden, immer dann schlägt die Stunde von Anastasia Wolkenstein: „Sparks & Visions“, Funken und Visionen, hat sie ihr dreitägiges Festival getauft, entwickelt aus der zündenden Idee, internationale Solisten und Improvisatoren ins Rampenlicht des wunderschönen Regensburger Theaters mit seinem klassizistischen Dreirang-Saal zu stellen. Und plötzlich leuchtet Regensburg bereits im Januar. Die Gründerin und Veranstalterin Anastasia Wolkenstein ist hauptberuflich Bookerin und es ist der daraus gewonnenen Erfahrung und ihrem guten Geschmack zuzuschreiben, dass man nun zum dritten Mal seit 2023 an drei Tagen mitten im Januar acht inspirierte, unkonventionelle und exzellent dargebotene Konzerte improvisierter Musik genießen konnte. Mit drei Deutschlandpremieren begann es: Die griechischstämmige Perkussionistin und Vibraphonistin Evi Filippou stellte ihr Projekt „inEvitable“ vor. Die Drums waren mit Andi Haberl und ihr doppelt besetzt und dieser Doppel-Groove wurde durch die Sounds ihrer Bandmitglieder Keisuke Matsuno an der Gitarre und Julius Gawlik an Tenorsaxophon und Klarinette ausgeschmückt. Das Highlight des Jazz-Dramoletts, das Filippou hier inszenierte, waren die Darbietungen der polnischen Sänger-Performerin …

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Erinnerungen in moderne Klänge geformt: Eigenwillige Stimmen am Neupfarrplatz bei frostigen Temperaturen mit den Trondheim Voices 

Regensburg. Ruhig ist es am Sonntagabend auf dem Neupfarrplatz zugegangen. Einige wenige Passanten, drei Jogger, die Dehnübungen an der Umfassung der Kirche machten und ein paar kleine Gruppen Wartende. Als aus der Tiefe des document direkt neben der Kirche Menschen herausströmten, kam Bewegung in die Gruppen. Sie stellten sich um das Bodenrelief der von Dani Karavan nachgebildeten ehemaligen Synagoge, in deren Mitte vier Bläser Aufstellung genommen hatten. Mit einer Uraufführung von Emmanuel Witzthums „Shevarim – Fractures“ machte das Bläserquartett des Munich Composers Collective den Auftakt zu einem Kulturevent mit dem das Münchner Festival „Out Of The Box“ durch Bayern reist. In Regensburg machte es mit dem Projekt „The Resonance of Time“ Station, das zuvor in Berchtesgaden und Schongau zu hören war. Nach dem Hörnerkonzert stellte das Ensemble Trondheim Voices im Gewölbe des document Neupfarrplatz eine Vokalimprovisation unter dem geheimnisvollen Titel „Retracing The Echoes of Time“ an drei aufeinander folgenden Stunden vor. Witzthum, Co-Direktor des Festivals, knüpft mit seiner eindrucksvollen Komposition an das Shofarblasen an Rosch ha-Schana, dem Jahresbeginn in der jüdischen Religion an. Von anfänglich tonlosen Windgeräuschen bis zu kraftvollen Posaunen- und Trompetenstößen, die mächtig …

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NICA-Förderrunde: Wege in die Zukunft

(Text/Fotos: Stefan Pieper) Wenn Pflanzen gut gedeihen wollen, brauchen sie einen Nährboden. Im Falle von Musikerinnen und Musikern ist dies gleich ein ganzes Biotop von weichen Faktoren rund ums eigentliche Spielen und Komponieren: Networking, Marketing und vieles mehr. Glücklich schätzen darf sich hier, wer in den Fokus des NICA Artist Development kommt. Angesiedelt im Kölner Stadtgarten, dem „Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik“ und mit jährlich 420.000 Euro durch das Land Nordrhein-Westfalen gefördert, verschreibt sich das 2019 gestartete Programm der künstlerischen Exzellenzförderung und entfaltet hierbei längst internationale Ausstrahlung. ktuell läuft die fünfte Förderrunde. Einen Abend vorm großen Winterjazz-Event präsentierten die neu aufgenommenen „NICA artists“ ihr Projekte in zum Teil internationalen Besetzungen. Künstlerische Zartheit Große Themen angehen und dabei viel künstlerische Zartheit walten lassen, das zeichnet Emily Wittbrodts aktuelles Projekt „Wearing Words“ aus. Das zweimanualige Cembalo auf der Bühne im Stadtgarten markierte dabei eine besondere Premiere vor allem an diesem Ort. Tief persönlich wirkte faszinierend eigenständige Vorstößen in die Gefilde der Alten Musik, die aber auch in vielen eigenwilligen Momenten mit Klängen aus der Gegenwart reagiert. Barocke Cembalofiguren bildeten den Ausgangspunkt für spektrale Verschiebungen und tonale …

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