Klaus Doldinger – Meister der Melodie, ein Nachruf

(Von Oliver Hochkeppel) Passport, Tatort und Das Boot – mit Klaus Doldinger ist eine prägende Gestalt der deutschen Nachkriegskultur gestorben. Ein richtiger Bühnenabschied blieb Klaus Doldinger verwehrt. Die wohl letzte große Tour zum 85. Geburtstag fiel Corona zum Opfer, den Nachholtermin im Prinzregententheater im Jahr darauf machte ein kleiner Sturz des zunehmend wackelig und vergesslich Gewordenen zunichte. Wobei das so ziemlich das Einzige gewesen sein dürfte, was im Musikerleben des Klaus Doldinger nicht geklappt hat. Ansonsten war er einer der erfolgreichsten Deutschen in dieser Branche, der erfolgreichste deutsche Jazzer sowieso. Große Liebe Jazz Denn dem Jazz galt immer seine größte Liebe, seit er in den ersten Nachkriegstagen als Neunjähriger eine GI-Band durch ein offenes Fenster proben gehört hatte. „Das war unerhört! Ich war hingerissen und konnte einfach nicht glauben, dass es so eine Art von Musik gibt. Ich kannte Musik ja vorher nur aus dem Zirkus und aus dem Volksempfänger. Aber dieser Swing, dass da eine Spannung aufgebaut wird, die auch eine Lebensfreude weckt, das kannte ich nicht.“ Im oberbayerischen Schrobenhausen fand dieses Schlüsselerlebnis statt, dahin hatte sich die ursprünglich Berliner Familie (in der Hauptstadt wurde …

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Cecile Verny – Erinnerungen an Afrika  

(Text und Fotos: Michael Scheiner) Es war ein Einstand, der einem die Härchen auf der Haut zum Vibrieren bringen konnte. Mit einem dunklen bluesig-balladesken Song weckte die Sängerin Cecile Verny im Leeren Beutel Regensburg Erinnerungen an eine der größten Bluessängerinnen der Rockgeschichte, die unvergeßliche Janis Joplin. Gleichzeitig klang das harmonisch einfache „The Dream“, redundant gespielt, wie die Blaupause eines unbekannten Doors-Songs – intensiv, düster und erregend. Ein fernes Echo an jene bewegte Zeit, als Verny in der Elfenbeinküste gerade auf die Welt gekommen war. Tatsächlich gibt es etwas, was die beiden ganz unterschiedlichen Sängerinnen, die mehr als eine Generation und auch sonst Welten auseinanderliegen, verbindet. Beide sind ohne formale Gesangsausbildung zur Musik gekommen, haben autodidaktisch angefangen und sich ihren Ausdruck selbst erspürt und erarbeitet. Verny, die mit zwölf Jahren nach Frankreich kam und früh zu singen begann, kennt Joplin sicher, obwohl der Blues bei ihrer Liebe zum Jazz nur eine untergeordnete Rolle spielt. Mit ihrem vor Jahrzehnten gegründeten Quartett ist sie bereits mehrfach in Regensburg aufgetreten. Zuletzt vor knapp zehn Jahren, mutmaßten einige Jazzclubmitglieder, die sich die Köpfe darüber zerbrachen, wie oft Verny bereits beim Club …

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Das New Colours Festival als Signal der Hoffnung

(Text und Fotos: Stefan Pieper) Zwölf Konzerte, vier Tage, zehn außergewöhnliche Spielstätten – und die Gewissheit, dass Jazz auch im vierten Jahr seines Bestehens weit mehr ist als nur Musik: Das New Colours Festival in Gelsenkirchen hat sich als kulturpolitisches Statement etabliert. Susanne Pohlen und Bernd Zimmermann haben sich von widrigen Gegebenheiten nicht unterkriegen lassen. Mit vielfältiger Unterstützung, nicht zuletzt aus der lokalen Wirtschaft, demonstrierten sie, was entsteht, wenn kuratorische Sensibilität auf organisatorische Meisterschaft trifft: Klänge mit Substanz, die in verschiedenen ästhetischen Idiomen zu ihrem Publikum finden. Klangräume gegen Kulturkahlschlag Dass es überhaupt stattfinden konnte, grenzte dabei an ein kleines Wunder. Wenige Wochen vor Festivalbeginn drohte das Aus, als das Land NRW seine Förderung zurückzog. Erst das entschlossene Engagement einer regionalen Stiftung rettete die Veranstaltung in letzter Minute – ein Glücksfall, der beim emotionalen Eröffnungskonzert für Tränen der Erleichterung bei den Veranstaltern und überschwängliche Begeisterung beim Publikum sorgte. Die österreichische Jazz Bigband Graz erwies sich in einer reduzierten Besetzung als perfekter „Heart Opener“ für das gesamte Festival. Mit ihrer warmherzigen, mitreißenden Energie brachte die Besetzung um den Saxofonisten Heinrich von Kalnein eine Atmosphäre der Verbundenheit …

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„Creative Music Project“: Neuer Masterstudiengang des Instituts für Neue Musik und Jazz an der Weimarer Musikhochschule

Das Institut für Neue Musik und Jazz der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar bietet ab dem Wintersemester 2025/26 mit dem neuen Studienprogramm „Creative Music Project“ einen Master an, der den Fokus auf den kreativ-produktiven Umgang mit Initialideen und die Weiterentwicklung dieser Ideen in Bandprojekten legt. Er füllt so eine Lücke für die zahlreichen hervorragend ausgebildeten Instrumentalist*innen, die sich in ihrem Bachelor-Jazzstudium sehr stark auf den Umgang mit dem Instrument fokussiert haben. Im neuen Master stehen die Projektarbeit, Bandleitung und alle damit zusammenhängenden Fähigkeiten im Mittelpunkt. Master „Creative Music Project“ Für den Master „Creative Music Project“ stellt sich der/die Studienbewerberin in der Eignungsprüfung mit einem Vortrag mit Teilen ihres Band- oder Soloprojekts vor. In der Regel wird das Bandprojekt des/der Studierenden über den Zeitraum von vier Semestern fortgeführt. Auch Studierende, die sich als Solistin vorgestellt haben, erarbeiten ein eigenes Ensembleprojekt. Die Projekte können von unterschiedlichen Dozierenden in allen wichtigen Bereichen (Komposition, Arrangement, Bandkonzept, instrumentale Umsetzung, Studioproduktion, Marketing u.a.) betreut werden. Hier kommt dem Institut die hohe Dichte an kreativen Lehrenden zugute. Der Unterricht und die Betreuung von Bandprojekten werden durch den Einsatz von verschiedenen Lehrkräften …

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Exquisit mikrophonierte Schwarzwaldidylle: Ed Thigpen, Ray Brown und Oscar Peterson in Hans Georg Brunner-Schwers Wohnzimmer. Anschließend ging‘s zum Abhören der Ergebnisse unter‘s Dach. Foto: Sepp Werkmeister
Exquisit mikrophonierte Schwarzwaldidylle: Ed Thigpen, Ray Brown und Oscar Peterson in Hans Georg Brunner-Schwers Wohnzimmer. Anschließend ging‘s zum Abhören der Ergebnisse unter‘s Dach. Foto: Sepp Werkmeister

Oscar Peterson 100

Heute würde Oscar Peterson seinen 100. Geburtstag feiern. Einige Radiosendungen erinnern an ihn. Sie finden diese in unserer Rest-Radiowoche. 2008 ist Oscar Peterson gestorben. Anlass für einen Nachruf unter dem Titel „Giganten“, den Marcus A. Woelfle für die Jazzzeitung verfasst hat.

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Bezau Beatz 2025 – „Alle lieben Jazz“: 

(Text und Fotos von Robert Fischer) 25 Regentage im Juli und viel zu kühle Temperaturen für diese Jahreszeit: Die Vorzeichen schienen ungünstig, aber rechtzeitig zum Start im August zeigte der Sommer im Bregenzerwald, was er kann. Was sich auch über die Macher dieses heuer zum 18. Mal stattfindenden, also volljährig gewordenen Festivals im beschaulichen Ort Bezau sagen ließe. Für Alfred Vogel, selbst Schlagzeuger und Labelbetreiber (von Boomslang Records) sowie definitiv die gute Seele dieses Festivals, war es das zweite Jahr nach seiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die er zum Glück gänzlich überstanden hat. Und spätestens, als am ersten Tag dieses dem Jazz, der experimentellen Musik wie der Avantgardszene gewidmeten Festivals spätnachts ein hell leuchtender Vollmond am Himmel über Bezau stand, war klar, dass sich die Vorzeichen endgültig ins Positive gewendet hatten. Alfred Vogel war es auch, der – wie schon im Vorjahr zusammen mit seinem Schlagzeuger- und Labelkollegen Valentin Schuster – moderierend durch das Geschehen leitete. Schon die früh im Festivalverlauf von ihm zu hörende, auf die Erwartungshaltung eines möglichst pünktlichen Anfangs der Konzerte gemünzte Bemerkung „Das ist nicht die Schweiz, das ist Bezau“ gab eine angenehm grundsätzliche …

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Die Ruhe, die Tiefe und das Möwengeschrei: das „Ystad Sweden Jazz Festival“

Traumwetter und funkelnde Töne an vier Tagen: Im südschwedischen Ystad, der Heimat des Roman- und Film-Ermittlers Kurt Wallander, herrschte jetzt bei der 16. Ausgabe des hervorragenden dortigen Jazzfestivals idyllische Stimmung. Und es gab mitreißende Konzerte von Musiker:innen wie Catherine Russell, Dave Holland und Mike Stern. Strahlend blauer, wolkenloser Himmel, in einem Garten spielt ein Trio auf einer Terrasse unter einem Birnbaum mit üppigen, noch grünen Früchten. Auf einer Wiese davor, neben weit geöffneten Rosenblüten ein schwelgendes Publikum, das einen besonders entspannten Nachmittag genießt. Bassist Hans Backenroth, Trompeter Thomas Fryland und Gitarrist Jacob Fischer spielen mit swingender Gelassenheit und entspannt-beiläufiger Virtuosität Standards wie „My melancholy Baby“ und „Bluesette“, lassen ungemein klare Trompetentöne in die Höhe schweben und fangen sie mit den beseelt-bewegten Klängen des Kontrabasses und der Gitarre wieder auf. Ab und zu fliegt eine Möwe über den Garten und mischt sich mit offenbar animiertem Kreischen ins musikalische Geschehen ein. Solche Momente kann man in Ystad erleben, jener Stadt, in der Henning Mankells Roman- und Film-Ermittler Kurt Wallander so manchen düsteren Fall löste. Seit 2010 gibt es dort das „Ystad Sweden Jazz Festival“. Und jedes Jahr …

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Ein letztes kleines Jazz-Woodstock? Betrachtungen vom Inntöne-Festival 2025

Wie langweilig, einen Festivalbericht mit dem Wetter zu beginnen. Aber seit Paul Zauners Inntöne-Festival, der „Jazz auf dem Bauernhof“ in Diersbach bei Schärding, während und wegen der Corona-Zeit von Pfingsten auf Juli und von der Scheune aufs freie Feld wanderte, ist das Wetter natürlich ein wichtiges Thema. Wie bei allen Open Airs braucht man Glück, und das hatten die Inntöne bisher stets, von minimalen Gewitter-Unterbrechungen abgesehen. Auch heuer blieb es die gesamten drei Tage trocken, schön und warm. Alles war also wieder angerichtet für das kleine Jazz-Woodstock: Dieses fröhlich-freundliche Kampieren, Flanieren und sich Delektieren rund um die Musik. Anders als vor 55 Jahren in Bethel ohne Regenschlacht und Verkehrs-Chaos, dafür mit allen nötigen Facilities und kulinarischer Rundum-Versorgung. Das ebenfalls fast immer glückliche Händchen von Paul Zauner beim Festival-Line-Up setzte sich fort. Jeder, selbst ein ausgewiesener Jazz-Experte, konnte hier wieder Entdeckungen machen. Schon am Freitag zum Beispiel die trotz langer Karriere und Kollaborationen mit The Brand New Heavies, Bobby McFerrin oder auch Till Brönner hierzulande weitgehend unbekannte britische Sängerin Heidi Vogel, die zeigte, dass es auch in der wilden Londoner Szene ganz klassischen Jazzgesang rund um …

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Open Air am Hürther Jazzkeller mit Tudo Azul und Radius

(Von Günter Reiners) Das Wetter spielte zwar nicht ganz mit, doch das tat der Stimmung keinen Abbruch: Am ersten August-Wochenende zeigten sich die Konzertbesucher an beiden Tagen bei den OpenAir Konzert am Hürther Jazzkeller begeistert. Tudo Azul Die junge Formation überzeugte mit abwechslungsreichen brasilianischen Rhythmen, bei denen selbst die Querflöte harmonisch in die Klangwelt passte – tropisches Sommerfeeling trotz frischer Temperaturen! Ein mitreißender Abend voller Leidenschaft und musikalischer Raffinesse. Tudo Azul präsentierte brasilianischen Jazz in seiner ganzen Vielfalt, mal schwungvoll, mal gefühlvoll, aber stets mit beeindruckender Spielfreude Das Programm überzeugte mit einer gelungen Mischung aus Eigenkompositionen und bekannten brasilianischen Klassikern, die das Publikum gleichermaßen überraschten wie begeisterten. Hervorzuheben ist das exzellente Zusammenspiel der Musiker, routiniert, sicher fein aufeinander abgestimmt. Ein Abend, der eindrucksvoll bewies, wie lebendig und facettenreich brasilianischer Jazz sein kann. Radius feat. Leonora Ein Tag später sorgte Radius mit sattem Sound für Gänsehautmomente, während sich Leonora mit einfühlsamem Gesang direkt in die Herzen des Publikums sang. Sie brachte mit ihrer kraftvollen Perfomance pure Lebensfreude auf die Bühne. Mit ihrer gefühlvollen und eindringlichen Stimme zog sie das Publikum vom ersten Ton an in ihren …

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+++ news +++ Jazzfest Berlin +++ Open Air am Jazzkeller Hürth +++

+++ Jazzfest Berlin 2025: Das Line-up ist veröffentlicht +++ In der 62. Festivaledition des Jazzfest Berlin, die vom 30. Oktober bis 2. November 2025 stattfindet, werden über 120 internationale Musikerinnen aus mehr als 20 Ländern im Haus der Berliner Festspiele sowie in den nahe gelegenen Spielstätten A-Trane, Quasimodo und Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufeinandertreffen. In 25 Acts teilen sich an vier Tagen wieder stilbildende Ausnahmekünstlerinnen der Jazzgeschichte mit jüngeren Stimmen und aktuellen Projekten aus der internationalen Jazzszene die Bühne – ein Festivalprogramm voller kreativer Grenzgänge und künstlerischer Begegnungen. Dank der Kooperation mit den ARD-Hörfunkanstalten und Deutschlandradio lässt sich das Festival über Live-Konzertübertragungen sowie in der langen ARD Jazznacht auch in diesem Jahr on air miterleben. Das komplette Programm des Jazzfest Berlin 2025 wird am 11. September veröffentlicht, der Ticketvorverkauf beginnt am 18. September um 14 Uhr. +++ Open Air am Jazzkeller Hürth +++ Mit zwei außergewöhnlichen Konzerten junger, hochkarätiger Bands präsentiert der Jazzclub Hürth Anfang August die stilistische Vielfalt des modernen Jazz – von brasilianischen Klangwelten bis hin zu funkigem Soul-Jazz. Freitag, 01.08.2025 – 20:00 Uhr Tudo Azul Brasilianischer Jazz mit Herz Was entsteht, wenn ein deutscher Jazzschlagzeuger sich in …

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