NueJazz 23 in Nürnberg: Eine zehnjährige Erfolgsgeschichte

Man hat eine Erfolgsgeschichte feiern können Ende Oktober in Nürnberg. In zehn Jahren hat sich das NueJazz-Festival vom Versuchsballon des Vereins Nürnberger Jazzmusiker zum weithin beachteten Aufgalopp nationaler wie internationaler Größen entwickelt. Auch heuer haben die Gründer und Leiter Frank Wuppinger und Marco Kühnl beim gelungenen Jubiläum ein aufsehenerregend abwechslungsreiches und mitreißendes Programm vorgelegt.

„Anfangs haben wir einfach befreundete Musiker eingeladen,“ erzählt der Gitarrist Marco Kühnl, der gemeinsam mit dem Kontrabassisten Frank Wuppinger die Sache ausgebrütet hat – als Herzensangelegenheit von Musikern eben. „Nach und nach hat es sich professionalisiert. Aber wir haben uns den Musikerblick erhalten.“ Ein Blick, der sich nicht nach Verkaufszahlen oder Presse-Echo richtet, sondern sich auf das eigene Gespür für die zum Festival passenden Kollegen verlässt.

Ob Newcomer oder etablierte Stars, passend sind sie, wenn sie „auch ungeübten Hörern die Angst vor dem Jazz nehmen,“ wie es Wuppinger formuliert. Dementsprechend haben Stil- oder Genregrenzen nie eine Rolle gespielt. Auch Hip-Hop-, Indie-Pop- oder DJ-Acts finden Platz, solange sie im Jazz-Spirit stehen. Hauptsache, es ist hochkarätig, spannend und aktuell. „Kein Mainstream, kein Motto“, bringt Kühnl das Festival-Konzept auf den Punkt.

Die Schwerpunkte

Was nicht heißt, dass es keine Schwerpunkte gibt. Im vergangenen Jahr bekam man mit Rosie Frater-Taylor, dem Seed Ensemble, dem Balimaya Project, Yussuf Dayes und Shabaka Hutchings einen Rundgang durch die New-London-Jazzszene serviert – eine Reprise gab es jetzt mit Gitarren-Shooting-Star Mansur Brown als „Warm-Up“ am 17. Oktober. An den drei Haupttagen vom vergangenen Mittwoch bis Freitag konnte man nun in den inzwischen zur Festival-Heimat gewordenen Spielstätten Kulturwerkstatt auf AEG und Z-Bau die heißesten jungen US-Stars so geballt erleben wie wohl auf keinem anderen Festival.

Den Anfang machte Dwayne Thomas jr. alias MonoNeon, der stets bis zur Unkenntlichkeit in Strickmützen und -masken samt bunten Ballonkleidern verpackte Paradiesvogel am Bass. Bekannt geworden als Mitglied der letzten Band von Prince und bei Ghost Note war der Auftritt seiner Band ein brodelndes Gemisch aus Funk, Soul und Rock. Tags darauf gab sich zuerst Piano-Feingeist Gerald Clayton mit Joe Sanders am Bass und Jeff Ballard am Schlagzeug die Ehre. Der Sohn des Bigband-Granden John Clayton hat nicht nur die Jazzgeschichte mit der Muttermilch aufgesogen, wie man hören konnte: Verblüffend europäisch und kammermusikalisch klangen seine Improvisationen. Weniger ergab hier mehr, für viele gar den Festival-Höhepunkt.

Gleich danach stürmte mit gewohnter Urgewalt Lakecia Benjamin auf die Bühne, ein weiterer Paradiesvogel, der üblicherweise im goldenen, hier im silbernen Jumpsuit auftrat. Ihr Showtime-Empowerment und Pladoyer für verbindende Diversität mag nichts für die Jazz-Polizei sein, rockt aber jeden Saal. Und hätte es einen Preis für das berührendste Stück des Festivals gegeben, dann wäre es wohl ihre Version von „Amazing Grace“ gewesen. Für einen brodelnd-groovenden Schlussakkord sorgte Hammondorgel- und Keyboard-Großmeister Cory Henry. Und als „Afterburner“ gab es im E-Werk Erlangen mit ein paar Tagen Abstand noch den unter anderem bei Theo Croker oder Christian McBride beschäftigten Schlagzeuger, Rapper und Produzent Kassa Overall, der hier schon vor zwei Jahren sein deutsches Solo-Debüt gab.

Bezahlkonzerte – Nichtbezahlkonzerte

Wieder einmal bewährte sich auch das Konzept, neben diesen „Bezahlkonzerten“ in den kleinen Sälen herausragende junge deutsche Acts wie das Shuteen Erdenebaatar Quartett oder Clarissa Forster gratis antreten zu lassen, sozusagen als niederschwellige Einstiegsdroge. Auch die stimmgewaltige Pianistin Kid Be Kid und die Berliner Powertruppe Make A Move passten mit ihren frischen, genresprengenden Konzepten wunderbar ins bunte Treiben.

Neben dem gewohnten Rahmenprogramm mit Ausstellung, NueJazz for Kids, Workshop und Jam Sessions gönnte man sich zum Jubiläum auch Neues: Einmal das Bigband-Projekt European Jazz Companions mit 24 deutschen und französischen Musikern samt der britischen Sängerin Georgia Cécile als Stargast. In Kooperation mit dem Nürnberger Amt für internationale Beziehungen und der Tafelhalle bestritt man dort mit Kompositionen und unter Leitung von Steffen Schorn und Pierre Bertrand das offizielle Jubiläumskonzert. Dann gab es den ersten „Nuecomer Jazz Award“ für Nürnberger Jazz-Studierende. Und schließlich ebenfalls erstmals eine Buchvorstellung samt Podiumsdiskussion. Peter Kempers „Sound of Rebellion“, wo der langjährige hr-Redakteur, FAZ-Autor und Musikfachmann die Jazzgeschichte als Emanzipationsgeschichte der schwarzen Musiker erzählt, passte denn auch perfekt zum Programm.

Langfristige Planung angestrebt

Ein Monsterprogramm angesichts des doch bescheidenen Etats, den man zur Verfügung hat. Kämpft man doch Jahr für Jahr um die verschiedensten recht bescheidenen Fördermittel, mit denen man nie langfristig planen kann. Und die so spät ausgezahlt werden, dass wir „unterm Jahr schon insolvent wären, wenn wir nicht dank unserer ausverkauften Konzerte noch Reserven hätten“, wie Wuppinger berichtet. Zwar bekam man heuer den (ebenfalls eher bescheiden dotierten) Nürnberger Kulturpreis, doch für das Jubiläum gab es nirgendwo etwas extra. Es wäre wünschenswert, wenn bei der Politik irgendwann ankäme, dass die freie Kulturszene gerade mit Projekten wie dem NueJazz mittlerweile der letzte Klebstoff einer immer weiter auseinanderdriftenden Digitalgesellschaft ist. Vom Publikum dürfen sich die NueJazz-Macher jedenfalls auf ihrem Weg bestätigt fühlen. Nicht nur waren alle (Bezahl-)Konzerte ausverkauft, die Besucher waren auch generell auffallend gemischt und jung.

Text und Fotos: Oliver Hochkeppel

Beitragsbild: Dywane Thomas alias MonoNeon

 

 

 

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