Münchens Jazzsommer im Hotel Bayerischer Hof

Nach vier Jahren Zwangspause wagte das Hotel Bayerischer Hof in München einen Neustart seines Jazzsommers. Eine beeindruckende Ausstellung mit Schwarz-Weiß-Fotos von Lena Semmelroggen und ein interessantes Musikfilm-Programm im hauseigenen Kino begleiteten die Konzerte. Diese standen erstmals unter der künstlerischen Leitung des Fachjournalisten Oliver Hochkeppel, der sein stimmiges erstes Programm unter den Titel „Bummel durch Europa“ stellte. Als doppelten Auftakt brachte er aber vorweg Jazz aus den USA auf die Bühne, ohne den es den präsentierten eigenständigen europäischen Jazz ja nicht gäbe.

So gab es also  an zwei Tagen viele Standards zu hören. Zuerst von der dynamischen Altsaxophonistin Lakecia Benjamin in sehr intensiven und eigenwilligen Fassungen: Coltranes Hymne „A Love Supreme“ als Up-tempo-Stück ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Ihr Begleittrio mit einem virtuosen Zaccai Curtis am Flügel, Ivan Taylor am Bass und EJ Strickland am Schlagzeug wirkte dagegen abgeklärt, aber nicht minder kreativ. Zur Tradition des Jazzsommers gehört ein Auftritt des 2. Preisträgers des Kurt Maas Jazz Award. Ausgewählt wurde 2023 der koreanische Schlagzeuger Minchan Kim, der sich der Tradition des Modern Jazz vor allem der 60er- und 70er-Jahre verschrieben hat. Zusammen mit dem Pianisten Theo Kolross und dem 3. Preisträger Karl Forster am Tenorsaxophon ließ er diese überzeugend lebendig werden. Seinen Namensvetter DaeHo Kim am Bass löste für ein Stück Martin Zenker ab, der Kim vor 15 Jahren als Dozent in Seoul für den Jazz begeisterte.

 

So wurde der Jazzsommer auch ein Schlagzeug-Fest mit Kim, Strickland, Alexandre Frazão aus Portugal, Olavi Louhivouori aus Finnland und Erland Dahlen aus Norwegen – alle auf ihre spezielle Art Meister ihres Faches. Zugleich war der Jazzsommer 2023 ein Festival von (exzellenten) Trompetern, wie die englische Trompeterin Laura Jurd fachfraulich feststellte. Denn außer ihr traten im Night Club ihre berühmten Kollegen Verneri Pohjola aus Finnland und Nils Petter Molvaer aus Norwegen auf.

 

Und noch ein Drummer muss genannt werden: Valentin Renner in der in München heimischen Jazzrausch-Bigband. Die durfte das offizielle Eröffnungskonzert im großen, kunstnebelverhangenen Festsaal spielen.  Mit ihrem Techno-Jazz leistet sie programmgemäß ja durchaus einen sehr eigenständigen Beitrag zum Jazz in Deutschland und Europa. Zudem bekam sie eigens einen Kompositionsauftrag, der in einer einstündigen Uraufführung des Programms „Europa“ mündete. Darin verarbeitete Band-Komponist Leonhard Kuhn verschiedene persönliche Eindrücke, wie zum Beispiel die komplizierte Reise von München nach Prag mit der Bahn. Nach der Pause ging es dann härter zur Sache, mit Perlen aus dem umfangreichen Band-Repertoire aus der Feder Kuhns, etwa einer Hymne für die verlorene Heimat im Techno-Club Harry Klein oder dem letzten Satz aus Mahlers 5. Sinfonie, die am 15. September in der Isarphilharmonie aufgeführt werden wird. Den Bigband-Fans wurde genauso viel geboten wie den Freunden der Techno-Beats, der Saal tobte.

So viel tosenden Applaus gab es erst wieder im Schlusskonzert mit Nils Petter Molvaer, Jo Berger Myhre an Bass und Gitarre und Erland Dahlen am Schlagzeug, für den verhangenen Trompetenklang über einem auf und ab schwellenden Gruppensound mit donnernden Grooves und feinsten leisen Momenten. Dazwischen lagen vier weitere eher leise, von rhythmischen und melodischen Elementen geprägte Konzerte: Das meditative Quartett-Programm „Monkey Mind“ von Pohjola und das freie Duo-Zusammenspiel von Laura Jurd mit Pianist Elliot Galvin, sozusagen einer intimen Hälfte des Quartetts Dinosaur. Dafür holte sich das österreichische Duo Klaus Paier und Asja Valcic an  Akkordeon, Bandoneon und Cello erstmals als Gast Wolfgang Puschnig am Alto und meistens an der Flöte hinzu. Und als Kontrast zur Jazzrausch-Bigand erklang anschließend im Night-Club Keller der gar nicht immer wehmütige Fado-Jazz von Pianist Júlio Resende, Bruno Chaveiro auf der portugiesischen Gitarre, André Rosinha am Bass und Alexandre Frazão am Schlagzeug.

Text und Fotos: Godehard Lutz

 

 

 

 

 

 

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