Doldinger mach die Musik für den Tatort aus Köln. Screenshot
Doldinger mach die Musik für den Tatort aus Köln. Screenshot

Klaus Doldinger – Lost in Soundlibraries

Er hat die Titelmusik für den Tatort gemacht, der Klaus Doldinger. Ein Dauerbrenner, unkaputtbar anscheinend. Außer durch? Durch Klaus Doldinger selbst. So leider im Tatort aus Köln am 22.1.2018 mit dem Titel „Bausünden“. Erst untermalt er saxophonselig die schwül-feuchte-atembetonten Eingangsszene – gekonnt voraussehbar und irgendwie nach Schnullibacke klingend.Oder wie er gegenüber dem Jazzmagazin BILD sagte:

 „Das Saxophon hat den ideal-scharfen, verruchten Ton für eine solche Szene. Es hat sich bewährt und auf Bewährtes greift man immer gern zurück. Aber auch Akustikgitarre und Klavier werden gerne für besinnliche Szenen genommen.“ [Quelle: Bild im Netz]

Ja, Papa. Nicht zu vergessen: Das Subkontrabassfagott für überbesinnliche Szenen! Das hast Du gut erkannt. Gähn. Aber was nimmt man für besinnungsloses Fernsehtheater? Doldinger führt das musikalische Ton-Material didaktisch gekonnt in einer der ersten Szenen ein. Ein Fünftonmotiv, das gödelescherbachgleich in der Fortsetzung zur Schleife umgebaut wird. Fast ein Klavier-Nocturne – nur schläfrig.

Damit nicht genug. Er untertönt auch den – übrigens ansonsten auch – ganz öden Tatort auch Köln vom letzten Wochenende. Ballauf und Schenk tapern im Hellen wie im Dunklen. Auf Twitter finden sich ein paar wunderbare Kommentarperlen:

Man steht nicht allein mit der Verwunderung über die musikalischen Wunden, die Klaus Doldinger hier dem kraußen Plot hinzufügt. Wäre dieser wenigstens nicht so absurd (ich mag den Inhalt nicht wiederholen), hätte wenigstens die Chance bestanden, dass die „Musik“ dahinter verschwindet. Hitchcock ist aber leider die falsche Assoziation. Armer Bernard Herrmann. Da kannst Du zu allerletzt etwas dafür. Die geradezu mutwillig simplen crescendi ins Leere sollen wohl Spannung suggerieren, Streichtremoli tragen ihr übriges dazu bei.

Die sieben Tonsünden des Klaus Doldinger

Aber sind es überhaupt Streicher? Und ist Analogkäse noch Käse? Seperatorenfleisch noch Fleisch? Mit den Klängen aus wohl eher billigen Soundlibraries, bleibt der schmurgelnde Duft verbrannten Plastiks in der musikalischen Luft. Das kann man hier in dieser Szene wunderbar nachhören – sofern das jemand bis zum Ende durchhält (und dabei ist das noch abgekürzt hier).

Er ahnte es voraus, wenngleich es eher die Brüstung der Terrasse eines Hochhauses war, die ein Schauspieler fast zu diesem Zweck genutzt hätte.

Nur gut, dass kaum jemand das mit Jazz in Verbindung bringt. Das hat Klaus Doldinger gottlob abbiegen können. Wahrscheinlich war er von den Klängen seiner Software so begeistert, dass er gar nicht wusste, was er unseren Ohren antat. Die Reduktion auf diese Fünftonmotiv mit eingebautem Tritonus mag ja das eine oder andere Mal wirkungsvoll sein. Aber eine derartige simple Form von motivischer Arbeit verdient nicht im geringsten diesen Begriff. Das gleicht hier eher einer musikalischen Arbeit-sverweigerung.

Wir wollen die positiven Reaktionen allerdings nicht unterschlagen.

https://twitter.com/Ruderchef/status/955173185816842242

Saure vielleicht, abgelaufene möglicherweise. Vielleicht habe ich das aber auch ganz einfach zu wenig als kritischen Kommentar wahrgenommen. Eine nervig aufgeblasene Musik, die auffallen und von der blöden Handlung durch Hyperpräsenz  ablenken wollte. Ein geradezu ideologiekrisches Teamwork!? Ein Meisterhandgesamtkunstwerk. Vielleicht hätte der Mörder besser gleich am Anfang „gesungen“. Einem wäre manches erspart geblieben. Ein Scherz!

NICHT!


DOCH!!

Es deutet genug darauf hin, dass Klaus Doldinger mit diesen Piecen darauf hinweisen wollte, wie miserabel unterdessen die Bedingungen für Komponisten bei der Herstellung von Kompositionen zu Fernsehfilmen sind. Man bekommt wahrscheinlich nur einen mickrigen Lohn, muss Rechte abtreten, ggf. sogar Verlagsrechte. Man bekommt auch kein richtiges Orchester mehr. Alles Homerecording, alles unter Zeitdruck und mit vermutlich wirren Buchautoren und Regisseuren im Hintergrund, die einem sagen, wo es lang geht. Wenn das das Ziel, lieber Klaus Doldinger, gewesen sein sollte, so muss man Sie bewundern und kann nur zu dem Schluss kommen: Mission completed accomplished! BRAVO.


Ergänzung 26.01.2018:

Auf Facebook hat mich Ali N. Askin (unter anderem auch Filmmusik-Komponist) auf  die aktuellen Arbeitsbedingungen hingewiesen:

Ali N. Askin Schön geschrieben, aber die Arbeitsbedingungen von Filmkomponisten in Deutschland sind nicht so schlimm wie beschrieben. D.h. sie sind anders schlimm. Z.b. hat man mit den Drehbuchautoren gar nichts zu tun. Die Zusammenarbeit mit den Regisseuren ist meistens völlig ok. Entscheidend ist eher, wie die Redaktion sich verhält… Die Bezahlung ist eigentlich ganz ok – und bei den Tatorten kommen durch die Wiederholungen ganz gut GEMA-Einnahmen dazu. Man verdient jedenfalls besser als mit Jazzgigs.

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